Süddeutsche Zeitung

Fußball-Weltverband:Wie die WM-Affäre die Fifa aufscheucht

Bei der Fifa herrscht nach den Anschuldigungen zur WM-Vergabe 2006 fieberhafte Betriebsamkeit. Nun soll die Ethikkommission Teilergebnisse veröffentlichen. Michel Platini wartet angespannt.

Von Thomas Kistner

Die Abwehrmauer steht. Auch in Zürich, wo der Fußball-Weltverband Fifa residiert und unter der Last fast täglich neuer Vorwürfe und Verfahren allmählich zusammenbricht. Zu den Korruptionsanschuldigungen im Hinblick auf die WM-Vergabe 2006 an Deutschland war am Montag im Hauptquartier nur fieberhafte Betriebsamkeit zu registrieren; es werde Anlass, Eingang und Zuordnung der 6,7-Millionen-Euro-Zahlung durch den DFB im Jahr 2005 nachgegangen, hieß es in Fifa-Kreisen. Derweil ist der Mann abgetaucht, der nach aktuellem Sachstand viel zur Klärung beisteuern könnte: Urs Linsi, damaliger Fifa-Generalsekretär, der laut Spiegel den Geldfluss aus dem deutschen WM- Organisationskomitee von einem Genfer Fifa-Konto zugunsten des (2009 verstorbenen) Adidas-Eigentümers Robert Louis-Dreyfus weitergeleitet haben soll.

Als gesichert darf aber gelten, dass die Affäre in Deutschland Konsequenzen für die Vorstandssitzung der Fifa an diesem Dienstag haben dürfte. Denn ausgerechnet jetzt steht ein weitreichender Schritt zur internen Transparenz auf der Agenda: Das Fifa-Ethikkomitee selbst hat beantragt, künftig in bestimmten, etwa öffentlich besonders bedeutsamen Fällen Teilergebnisse ihrer Arbeit zu kommunizieren. Die beiden Kammerchefs Cornel Borbély und Hans-Joachim Eckert wünschen sich die Möglichkeit, laufende Verfahren gegen Beschuldigte auf Anfrage bestätigen und die Richtersprüche öffentlich begründen zu können, auch wenn der Entscheid noch keine Rechtskraft erfahren hat. Dass das aktuelle Fifa-Ethikreglement verbiete, "die Namen von Beschuldigten einer Untersuchung auf Anfrage hin zu nennen, steht im Widerspruch zu staatlichen Strafverfahren in der Schweiz und in Europa, denen deutlich mehr Transparenz zuteil wird", ließ Chefermittler Borbély schon im Juli mitteilen.

Spruchkammer-Chef Eckert beantragte, dass Urteile umgehend öffentlich begründet werden dürfen, unabhängig davon, ob der Betroffene in die Berufung geht. Die beiden Kammerchefs argumentieren auch, dass transparentere Untersuchungen der Fahndung und Aufklärung dienlich und überdies ermunternd für mögliche Hinweisgeber seien.

Auch die WM-2006-Affäre dürfte ihren Weg zu den Fifa-Ermittlern finden

Dass der verbliebene Fifa-Vorstand unter dem affärenbelasteten Interimschef Issa Hayatou (Kamerun) gerade jetzt den immer tiefer ins sportpolitische Flechtwerk vordringenden Ethikern grünes Licht gibt, in wichtigen Fällen von sich aus über ein laufendes Verfahren informieren zu dürfen, muss aber bezweifelt werden. Nicht nur, weil die Causa der gesperrten Spitzenfunktionäre Sepp Blatter und Michel Platini kurz vor einer Entscheidungsfindung steht, sondern auch im Hinblick auf weitere laufende oder drohende Verfahren.

Allein sieben Vertreter aus Europa sitzen im Fifa-Vorstand, sie alle haben erst fünf Tage zuvor ein festes Treuebekenntnis zum suspendierten Uefa-Chef Platini abgelegt. Unter den sieben befindet sich auch DFB-Chef Wolfgang Niersbach, in dessen Heimat gerade die WM-2006-Affäre tobt - die vermutlich auch den Weg zu den Fifa-Ermittlern finden dürfte. Schließlich ist eine unbekannte Anzahl von Verfahren anhängig. Unklar ist zudem der Stand der im Herbst 2014 im Kontext der Ermittlungen zu den WM-Vergaben 2018/22 an Russland und Katar angeschobenen Untersuchungen zur Rolle damaliger Fifa-Vorstände wie Franz Beckenbauer oder Angel Maria Villar Lllona. Der spanische Multifunktionär ist Platinis Stellvertreter an der Uefa-Spitze, und in der Fifa Nummer zwei hinter Hayatou.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2015
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