Süddeutsche Zeitung

Fifa:Plötzlich auf der Liste

Die neue Chefermittlerin der Fifa enthüllt arglos, wie sie von Infantino kurzfristig auf die Wahlliste manövriert wurde.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Bahrain hat die Repräsentanten des Weltfußballs wieder verabschiedet. Sie hatten gebechert und gespeist in den Luxusherbergen von Manama - und nebenbei abgenickt, was der Große Vorsitzende beim Kongress auftischte: So läuft das Geschäft im Weltverband, so lief es immer. Auch die Mächtigen des Fußballs, wie der neue Fifa-Ratsherr und DFB-Chef Reinhard Grindel, sahen zu, wie sich Fifa-Boss Gianni Infantino brachial der Widersacher aus dem Ethikkomitee entledigte - und endgültig zum Trump des Weltfußballs wurde. Hernach lobte Infantino die Transparenz seiner Fifa und klagte über böse Medien und deren "Fake News".

Die globale Empörung ist groß ob der Absetzung der bisherigen Chef-Ethiker Cornel Borbely und Hans-Joachim Eckert sowie des Integritätsprüfers Miguel Poares Maduro, die zuletzt bei der Aufklärung des Fußballschmutzes überzeugend gearbeitet hatten. Und die Rekonstruktion der Abläufe der vergangenen Wochen drängt massiv den Verdacht auf, dass die Ablösung der alten und die Installation der neuen Gremienchefs von einer Panik herrührte, die Infantino und seine Getreuen befiel. Weil sie aufgrund der jüngst aufgezeigten Korruptionsvorwürfe befürchten mussten, dass es wieder an die Grundfesten der Fifa geht?

Die Ethik-Spitze umzubesetzen, hatte Priorität. Andere heikle Themen kamen vom Tisch

Die Statuten regeln die Wahl der Komiteechefs glasklar: Vier Monate vor dem Kongress muss der Fifa-Rat Kandidaten nominieren. Das tat er aber nicht. Frist wäre 11. Januar gewesen, der Europa-Verband Uefa etwa erhielt jedoch erst am 1. Februar die Bitte um Vorschläge. Der kam er am 28. Februar nach. Ähnlich lief es bei den anderen Konföderationen. Ende März erhielt Maduro eine 45 Personen umfassende Liste mit Vorschlägen für die diversen Komitees zum Integritätscheck. Der SZ liegt die Liste vor. Darauf stehen auch Borbely und Eckert. Wer nicht draufsteht, sind die neuen Ethik-Chefs. Weder die kolumbianische Anwältin Maria Claudia Rojas, die nun die Ermittlungskammer leitet, noch der griechische Richter Vassilios Skouris, der die Spruchkammer führt. Das hinderte Infantino aber nicht, die beiden dem Fifa-Rat zu präsentieren.

Nun das: Die neue Chefermittlerin Rojas enthüllte gleich nach ihrer Ernennung den Last-Minute-Charakter von Infantinos Wahl. Im Sender Globo plauderte sie arglos aus, wie sie ins Amt kam: "Es war ein kurzer Prozess. Vor einem Monat erbat der kolumbianische Verband meinen Lebenslauf, der ging an Präsident Infantino. (...) Vor zwei Wochen war ich dann in Chile beim Kongress des Südamerika-Verbandes und sprach mit dem Fifa- Präsidenten und den Leuten, die mich vorschlugen. Aber ich hätte nie geglaubt, dass ich Vorsitzende des Komitees würde." Rojas trat also erst vor zwei Wochen in den Fifa-Orbit ein. Und ähnlich war es offenkundig bei Skouris.

Was steckt hinter der hektischen Suche nach neuen Ethikkammer-Chefs? Eckert/Borbely fürchteten früh um ihre Jobs, aber Fifa-Spitzenleute gaben bis zuletzt Treuebekenntnisse ab. Und auch wenn das Wort eines Fußballfunktionärs oft weniger wiegt als die Luft, die es trägt: Notwendig wäre es nicht gewesen, den Coup bis zuletzt zu verschleiern. Das kommt schlecht an bei der US-Justiz, die rund um die Fifa intensiv ermittelt.

Fakt ist, dass sich zuletzt die Problemfelder für Infantino mehrten. Integritätsprüfer Maduro wollte Afrikas neuem Fußballchef Ahmad Ahmad die Redlichkeitsfrage stellen. Auch die Ethiker hatten den Fifa-Vize aus Madagaskar fest im Visier: Es liegt ein Mailaustausch Ahmads mit dem korrupten Katarer Mohamed Bin Hammam vor, der verblüffend einem Mailverkehr ähnelt, den die US-Justiz Anfang Mai in ihrer Klageschrift gegen den Fifa-Mann und Schmiergeld-Empfänger Richard Lai aus Guam dargelegt hat. Es geht um Geld aus Doha und die Übergabe: per Banktransfer, oder besser in cash beim Treff in Paris?

Ahmad ist ein Vertrauter Infantinos. Bei den Ethikern wurden gar Funktionäre vorstellig, die bezeugen, dass der Fifa-Boss bei Ahmads Kür nachgeholfen haben soll - was gegen die Regeln und ein weiterer Anlass für Ermittlungen wäre.

Der Korruptionsfall Lai wiederum führte ohnehin schon zum Rücktritt des mächtigen Fifa-Ratsherrn Scheich Al-Sabah (Kuwait) und zeigte weitreichende Ermittlungsansätze im Sumpf um den Weltverband auf. Es war jedenfalls höchste Gefahr in Verzug - doch die ist ja nun vorläufig gebannt. Bis das Duo Rojas/Skouris die Arbeit aufgenommen, sich insbesondere in die Feinheiten des Schweizer Prozess- und Standesrechts eingearbeitet hat, dürften locker zwei Jahre vergehen.

Infantino nahm das Risiko in Kauf, durch den Rauswurf der Ethiker - für den die Fifa keine stichhaltigen Gründe präsentierte - die US-Justiz zu provozieren. Die fordert Transparenz und Integrität von der Fifa, falls diese in den US-Ermittlungen ihre Opfer-Rolle nach dem Anti-Mafia-Gesetz beibehalten will. Eingedenk der riskanten Volte war es für die Fifa aber auch ratsam, die Amerikaner nicht noch heftiger zu reizen. So waren beim Kongress in Bahrain plötzlich all die anderen heiklen Themen vom Tisch, die zuletzt avisiert worden waren.

Dazu zählten die Installation einer siebenköpfigen Entscheidergruppe unter Infantinos Regie innerhalb des Fifa-Rats sowie eine Aufstockung der Ratsmitglieder-Saläre von 300 000 auf bis zu 450 000 Dollar pro Jahr. Sogar die geplante Vergabe der WM 2026 an die USA, Kanada und Mexiko wurde um drei Monate verschoben. An dem Beschluss führt kein Weg vorbei, nur sehen die reformierten Statuten einen längeren Auswahlprozess vor.

Die scheidenden Eckert und Borbely sprachen vom Ende der Reform. Die neue Chefermittlerin Rojas indes ließ ihre Begeisterung in dem Satz kulminieren: Infantino wolle "eine neue Fifa, in der alles absolut transparent ist". Was man so sagt und glaubt, wenn man die Fifa noch gar nicht kennt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3503002
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.05.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.