Fußball-Weltverband:Fifa-Wahl: Streit um die Glaskabine

Ali Al Hussein

Überraschender Vorstoß von Prinz Ali.

(Foto: AP)
  • Vor der Wahl zum Fifa-Präsidenten buhlen die Favoriten um Stimmen.
  • Hingegen beantragt Außenseiter Prinz Ali, die Wahl zu verschieben.
  • Es droht eine Marathonsitzung in Zürich.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Hektik greift um sich in Zürich, wo seit Wochenbeginn die Delegierten aus der großen weiten Fußballwelt eintrudeln. Am Freitag sollen die Vertreter der 209 Nationalverbände den neuen Präsidenten des Weltverbandes Fifa wählen, weshalb allmählich auch die Frage in den Vordergrund drängt, wie viele davon anwesend sein werden - und wer sich vertreten lässt. Im Mai 2015, als die Fifa ihren letzten Kongress abhielt, schlug die Strafjustiz zu. Diesmal, ist zu hören, werde mancher Funktionär den Flug in die Schweiz erst gar nicht antreten. Offen ist zum Beispiel, wie heiß das Gerücht ist, dass Südafrikas langjährige Spitzenleute erstmals nicht anreisen wollen. Das FBI ermittelt auch am Kap, wo es im Zuge der WM 2010 eine denkwürdige Transaktion von zehn Millionen Dollar in die Karibik gab.

Auch die Präsidentenkür, die Frage nach dem Nachfolger Sepp Blatters an der Fifa-Spitze, gestaltet sich zunehmend chaotisch. Fünf Kandidaten gibt es, aber nur der Schweizer Gianni Infantino und Scheich Salman al-Khalifa aus Bahrain haben reelle Chancen. Am Mittwoch tagt der Fifa-Vorstand, am Donnerstag treffen sich die Erdteil-Verbände, dazwischen stehen etliche bilaterale Gespräche und Hinterzimmertreffen an. Und während die beiden Favoriten um letzte Stimmen buhlen und dabei vor allem den 54 Mitgliedern des afrikanischen Kontinentalverbandes erhöhte Aufmerksamkeit zukommen dürfte, planen die Außenseiter diverse Angriffe, zumindest aber Störaktionen.

Beschwerde bei der Wahlkommission

Am klarsten positioniert sich bisher Prinz Ali. Am Dienstag teilte der Jordanier mit, er habe sich an den Internationalen Sportgerichtshof (Cas) gewandt, um die Wahl verschieben zu lassen. Ali will, dass die Stimmabgabe in gläsernen Kabinen stattfindet - nur so ließe sich verhindern, dass Delegierte per Handy ihre ausgefüllten Stimmzettel abfotografieren, um hernach beweisen zu können, wen sie gekürt haben. Die Wahlkommission lehnte Alis Antrag in der Vorwoche ab, verbot den Delegierten aber, bei der Stimmabgabe ein Handy mitzuführen. Der Cas kündigte eine Entscheidung bis Donnerstagmorgen an. Ein Votum pro Ali ist unwahrscheinlich.

Dem früheren Fifa-Vize wird ein Paket von 20 bis 25 Stimmen zugerechnet. Am Ende könnte er in der Präsidentenfrage zugunsten von Infantino oder Salman entscheiden, die beide zirka 90 bis 95 Voten auf ihrer Seite haben dürften.

Auch den früheren Fifa-Funktionär Jérôme Champagne bringen die Bedingungen rund um die Wahl in Rage. Er legte bei der Wahlkommission Beschwerde ein: Infantino und Salman würden bevorzugt. Deren Kontinentalverbände, Europa und Asien, erhielten 20 beziehungsweise sieben zusätzliche Akkreditierungen für den Kongress - der Zweck liegt für Champagne auf der Hand: So können die Kandidaten ihre Lobbyarbeit im Kongresssaal in den entscheidenden Stunden selbst direkt am Wähler fortsetzen. Champagne sieht darin einen Verstoß gegen das Fairness-Prinzip. Nach SZ-Informationen will er den Cas anrufen, sofern die Wahlkommission seinen Antrag ablehnt - gemeinsam mit Prinz Ali.

Das Prozedere kann zehn Stunden dauern

So wird auch die Rolle von Domenico Scala zu einem der tragenden Flüsterthemen bei den Zürcher Zusammenkünften. Der Schweizer Manager führt seit Längerem die Wahl- sowie die Auditkommission und galt zuletzt als treibende Kraft hinter den Reformen. Diese sehen unter anderem vor, das Amt des Generalsekretärs stark aufzuwerten und mit mehr Macht im operativen Geschäft auszustatten. Schon glauben manche Beobachter, Scala könne am Ende selbst dieser Job offeriert werden.

In Kandidaten- und anderen Kreisen wird auch diskutiert, dass sich Scala vor kurzem in privatem Rahmen mit Scheich Achmad al-Sabah ausgetauscht habe. Der Fifa-Vorstand, dessen Kuwait-Verband derzeit gesperrt ist, ist sehr umstritten. Bei vielen Wahlen in der Sportwelt, zuletzt im Internationalen Olympischen Komitee, war Al-Sabah der Königsmacher; es gilt als offenes Geheimnis, dass er seinen Scheich-Kollegen Salman gern als Fifa-Chef sähe. In dem Kontext fällt nun auf, dass der von Scalas Kommission bei allen Bewerbern durchgeführte sogenannte Integritätscheck bei Salman zu keinen Beanstandungen geführt hatte, obwohl Menschenrechtsorganisationen seit Jahren dessen Rolle bei der Niederschlagung der bahrainischen Protestbewegung 2011 anprangern. Salman weist die Vorwürfe von sich, doch sogar Sportler belasten ihn. Wurden alle Zeugen gehört? Das dürfte ein zentrales Thema werden, sollte Salman gewinnen.

Es droht eine Marathonsitzung

Auch der dritte Außenseiter, Tokyo Sexwale, kann noch eine Rolle spielen. Zwar hat der reiche Geschäftsmann aus Südafrika den geringsten Rückhalt. Doch laut Reglement braucht es im ersten Wahlgang eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Erreicht die keiner der Kandidaten - und danach sieht es derzeit stark aus -, dürfen alle erneut in Runde zwei antreten. Fortan reicht eine einfache Mehrheit der Stimmen. Schafft die keiner, scheidet in jeder Runde der Kandidat mit den wenigsten Voten aus. Im äußersten Falle wären also fünf Wahlgänge möglich, von denen jeder zwei Stunden dauern kann. Vermutlich dürfen sich die Delegierten auf eine Marathonsitzung einstellen, wenn sie am Freitag nach der Mittagspause mit der Wahl beginnen.

Gemietet hat die Fifa das Hallenstadion übrigens nur bis Mitternacht, wie ein Kandidat bereits in Erfahrung gebracht haben will; und weit überziehen ist wohl nicht drin. Dann beginnen die Aufbauarbeiten für ein Eishockey-Spiel am Samstag.

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