Fußball-Weltmeisterschaften:17 Ja-Stimmen für die "Mammut-WM"

Fußball-Weltmeisterschaften: Montagskick: Diego Maradona, Weltmeister von 1986, kickt in Zürich als Wahlhelfer für Fifa-Chef Gianni Infantino (rechts) und dessen WM-Expansionspläne.

Montagskick: Diego Maradona, Weltmeister von 1986, kickt in Zürich als Wahlhelfer für Fifa-Chef Gianni Infantino (rechts) und dessen WM-Expansionspläne.

(Foto: Michael Buholzer/AFP)

Trotz der Proteste vieler Verbände und Vereine wird die WM von 2026 an vermutlich mit 48 Mannschaften gespielt. Fifa-Chef Infantino muss sein Wahlversprechen einlösen.

Von Ulrich Hartmann

Gianni Infantino, der neue Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa, hat es eilig. Schon an diesem Dienstag, beim Fifa-Kongress in Zürich, könnte jene Entscheidung fallen, die die Fußballwelt seit Monaten spaltet. Gleich nach der Begrüßung und zwei Updates steht bereits als vierter Tagesordnungspunkt der Fifa-Exekutive die WM 2026 auf der Agenda. Diese WM ist für den Schweizer von gravierender Bedeutung, denn mit ihr muss er sein größtes Wahlversprechen einlösen: Mehr Teilnehmer! Infantino hat in Aussicht gestellt, die WM von derzeit 32 auf 40 oder gar 48 Starter zu vergrößern. Das gefiele all jenen Nationen, deren Chance auf eine WM-Teilnahme bislang eher bescheiden ist.

Unter dem Tagesordnungspunkt 3.2. präsentiert Infantino in Zürich also das "Format des Fifa-Worldcup 2026". Womöglich wird das 33-köpfige Gremium seinen Vorschlag direkt abnicken, 17 Ja-Stimmen würden genügen. Der Deutsche Fußball-Bund ist gegen die Aufstockung, aber einen deutschen Fifa-Vertreter gibt es nach dem Rücktritt des gesperrten Ex-Präsidenten Wolfgang Niersbach gerade nicht.

Das als "Mammut-WM" in den Sprachgebrauch eingegangene Infantino-Planspiel ist umstritten. Skeptiker befürchten eine Verlängerung des Turniers, eine Verwässerung der Qualität und eine unverhältnismäßige Beanspruchung der Fußballer. 80 statt bisher 64 WM-Spiele wären fällig, sollte die Fifa die favorisierte 48-Teilnehmer-Version mit 16 Dreiergruppen beschließen. Zu 48 Gruppenspielen kämen mit der K.o.-Phase inklusive Sechzehntelfinale 32 weitere Partien. 80 Turnierspiele wären zwar 16 Partien mehr als bisher, für jedes einzelne Team bliebe es im neuen Modus trotzdem bei maximal sieben Spielen. Das Argument weiterer Überbeanspruchung wäre damit zumindest hinfällig.

Wer profitiert am meisten?

Vielmehr geht es um die Pausen zwischen den Partien. Diese würden in der Gruppenphase zwar kürzer, dafür müsste jede Mannschaft aber auch nur zwei Gruppenspiele bestreiten. Damit es in diesen Dreiergruppen nicht zu spielerischen Taktierereien, kniffligen Rechnereien und drohenden Losverfahren kommt, wird hierfür womöglich das Unentschieden abgeschafft. Dann gäbe es bei einem Remis sofort ein Elfmeterschießen. Wie viele Tage man für ein solches Turnier veranschlagen müsste, muss Infantino beantworten. Viel mehr als den bisherigen einen Monat aber wird er kaum gestattet bekommen.

Bis zu 96 Spiele möglich

Falls der Weltverband eine Aufstockung der Fußball-WM von bisher 32 Teilnehmern auf 40 oder 48 Teams beschließt, könnte eines von vier Modellen zur Geltung kommen. Favorisiert wird innerhalb der Fifa offenbar die Variante A.

Modell A (48 Mannschaften)

16 Gruppen mit je drei Mannschaften. Alle Gruppen-Ersten und Gruppen-Zweiten kommen weiter. Danach K.o-Phase mit 32 Teams. Die Anzahl der WM-Spiele (bisher: 64) steigt auf 80.

Modell B (48 Mannschaften)

Playoff-Runde mit 32 Teams. Die Verlierer scheiden aus. Die 16 Gewinner bilden mit 16 gesetzten WM-Teilnehmern danach acht Vierer-Gruppen, die nach dem bisherigen WM-Modus weiterspielen: Gruppenspiele, anschließend Achtelfinale aller Gruppen-Ersten und Gruppen-Zweiten. Die Anzahl der WM-Spiele steigt auf 80.

Modell C (40 Mannschaften)

Acht Gruppen mit je fünf Mannschaften. Alle Gruppen-Ersten und Gruppen-Zweiten erreichen das Achtelfinale. Die Anzahl der WM-Spiele steigt auf bis zu 96.

Modell D (40 Mannschaften)

Zehn Gruppen mit je vier Mannschaften. Alle Gruppen-Ersten und die sechs besten Gruppen-Zweiten erreichen das Achtelfinale. Die Anzahl der WM-Spiele steigt auf 76.

DPA

Die 48er-WM mit den Dreiergruppen ist das favorisierte jener vier neuen Modelle, die diskutiert werden. Dem Modell mit 32 Teams wie bisher werden kaum Chancen eingeräumt. Auch die beiden 40er-Varianten mit acht Fünfergruppen oder zehn Vierergruppen versprechen eine schiefe Arithmetik oder zu viele Spiele. Die zweite 48er-Variante mit 16 gesetzten Teams und 16 Playoffspielen für 32 Teilnehmer hätte den Nachteil, dass 16 Teams nach nur einer Partie abreisen müssten.

Welche Kontinentalverbände von einer Aufstockung der WM besonders profitieren würden, ist Teil der Spekulationen. Europa (54 Nationalverbände) hat bei der WM 2018 in Russland mit 14 Teilnehmern in absoluten Zahlen zwar die meisten Nationen am Start, Südamerika erhält mit seinen vier oder fünf WM-Teilnehmern aber prozentual zu seinen gerade mal zehn Nationalverbänden die meisten Startplätze.

Bundesliga-Manager sorgen sich um ihre Spieler

Wer die mögliche Mammut-WM austragen dürfte, soll sich erst im Jahr 2020 entscheiden. Südamerika, Europa und Asien gelten für 2026 aufgrund der Gastgeber-Rochade als wenig aussichtsreich. Nach Brasilien 2014, Russland 2018 und Katar 2022 halten Experten etwa die USA für einen geeigneten Bewerber, auch, weil die Infrastruktur dort eine WM für 48 Teams und 80 Spiele hergäbe.

Die meisten Bundesliga-Verantwortlichen sind gegen dieses WM-Format, weil sie sich um ihre Angestellten sorgen. "Diese Entwicklung ist gefährlich", sagt Hoffenheims Manager Alexander Rosen. "Hier spielen nur politische Gründe eine Rolle, nicht der Sport", sagt FC-Bayern-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Bayern-Trainer Carlo Ancelotti fürchtet anfangs Langeweile: "Es besteht das Risiko, dass ein Großteil der Spiele uninteressant wird." Dieser Argumentation schließt sich Reinhard Grindel als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes an: "Wir sind gegen eine qualitative Verwässerung."

Allerdings hatten solche Argumente noch nie eine Chance gegen monetäre Gründe. Mehr als 600 Millionen Euro zusätzlich soll das neue WM-Format dem Weltverband bescheren; Geld, das er nach vielen Skandalen auch für teure Rechtsstreitigkeiten benötigt. Infantino sagt: "Es geht hier nur um die Frage, wie wir den Fußball in der Welt voranbringen können." Zur Belebung seines Pathos holte er am Montag Legenden wie den Argentinier Diego Maradona nach Zürich. Nach einem Spaßkick vor der Fifa-Zentrale stellte sich Maradona vor die Mikrofone und beschied artig: "Es ist eine großartige Idee, mehr Mannschaften bei einer WM spielen zu lassen. So können mehr kleine Länder von der WM-Teilnahme träumen."

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