Fußball:Warum der FC Bayern so furchtbar gut ist

VfL Wolfsburg - FC Bayern München

Die Mannschaft folgt ihm: Pep Guardiola (rechts) hat den FC Bayern um Thomas Müller auf ein Allzeithoch getrieben.

(Foto: dpa)

Der FC Bayern hat das meiste Geld, das fähigste Personal und die besten Spieler. Was Trainer Pep Guardiola daraus macht, ist trotzdem erstaunlich.

Kommentar von Thomas Hummel, Wolfsburg

Pep Guardiola sagte hinterher einen bemerkenswerten Satz: "Wir haben ohne Ball wie eine kleine Mannschaft gespielt."

Der FC Bayern war im Pokalspiel beim VfL Wolfsburg auf einem neuen Höhepunkt seiner Kraft angekommen. Der Klub verpasste einem ernsthaften Mitbewerber im Fußballland in einem K.-o.-Spiel eine Demütigung. 3:0 stand es zur Halbzeit, am Ende 3:1, doch das Ergebnis kann die Überlegenheit der Münchner nicht beschreiben. Sie ließen den Gegner schlichtweg nicht mitspielen.

Man hatte den Eindruck, dass der bis jetzt schon sehr große FC Bayern noch nie so riesengroß war. So übermächtig, so unbezwingbar. Und dann kommt der Trainer daher und erklärt, seine Elf habe gespielt wie eine kleine Mannschaft. Doch in diesem Satz liegt das Rezept für die Unerreichbarkeit.

Mit der gleichen Einstellung wie der SV Darmstadt

Als nach etwa einer Stunde die Wolfsburger links hinten den Ball eroberten, sprintete Xabi Alonso auf den ballführenden Ricardo Rodriguez zu. Der Spanier bedrängte den Gegenspieler mit allem, was er hatte, nervte und entnervte ihn, bis dieser mal wieder die Kugel nach vorne bolzen musste, weil er keinen anderen Ausweg mehr sah. Nun stand es hier längst 3:0, Xabi Alonso ist 33 Jahre alt, er ist Welt- und Europameister, Champions-League-Sieger und so weiter. Wer hätte es ihm übel genommen, hätte er es sich in diesem Moment im Mittelfeld ein bisschen bequem gemacht?

Pep Guardiola hätte es ihm übel genommen, seine Mitspieler und vermutlich der Spanier selbst. Als Xabi Alonso nach 70 Minuten vom Feld ging, keuchte und schnaufte er, weil er alles gegeben hatte. Dafür werden die Spieler beim SV Darmstadt 98 gefeiert und das zu Recht. Dass allerdings die hoch dekorierten Spieler des FC Bayern mit der gleichen Einstellung über den Platz hetzen, und das bisweilen im Drei-Tage-Rhythmus, das ist der wichtige Grund, warum niemand gegen sie etwas ausrichten kann.

Eine Lektion in fast jedem Spiel

Die anderen Gründe sind bekannt: Die Münchner verfügen über das mit Abstand meiste Geld. Damit haben sie fähiges Personal für die Kaderplanung angeworben, das wiederum sehr fähige Spieler verpflichtet hat. Mit den Dribblern Douglas Costa und Kingsley Coman ist die Mannschaft erheblich unberechenbarer geworden. Aber was Trainer Pep Guardiola daraus macht, ist trotz allem erstaunlich.

Sein Wissen in spieltaktischen Dingen war schon in Barcelona Neuland. Nun erteilt er dem deutschen Fußball in fast jedem Spiel einen kleinen Unterricht. Gegen defensive Kölner stellte er kurzerhand fünf Stürmer und nur zwei Verteidiger auf. In Wolfsburg ließ er ein so energisches Pressing spielen, dass die VfL-Profis "keine Zeit zum Denken" hatten.

Das Problem: Es ist noch nicht Ostern

Dass die Umsetzung so virtuos gelingt, liegt daran, dass ihm die versammelten Weltmeister, Champions-League-Sieger, Nationalspieler oder Jungstars bedingungslos folgen. Kapitän Philipp Lahm erklärt: "Man sieht eine Handschrift vom Trainer. Man sieht, dass die Spieler sich daran halten und versuchen, genau das zu tun, was der Trainer verlangt." Die Leistung in der ersten Halbzeit war so bärenstark, dass sich die kommenden Gegner in der Bundesliga fragen werden, wie sie da heil herauskommen. Und dem FC Arsenal wünscht man ebenfalls viel Glück im Rückspiel gegen dann gereizte Münchner nach der Niederlage in London.

Das einzige Problem dieses furchtbar guten FC Bayern liegt darin, dass am Wochenende erst Halloween gefeiert wird und nicht schon Ostern. Denn in dieser Konstellation kann der Klub nur das Ziel haben, die Champions League zu gewinnen. Es ist der einzige Wettbewerb, der eine Herausforderung darstellt. Dort nutzt eine Galaform im Herbst allerdings wenig, die Entscheidung fällt hier ab dem Viertelfinale fast im Wochen-Rhythmus im April und Mai. Und keine Mannschaft kann über ein Jahr lang am Limit spielen, kein Team bleibt ein Jahr lang von Verletzungen verschont.

In diesem Sinne müsste man den Münchnern eigentlich raten, sich jetzt mal eine ordentliche Krise zu gönnen, um den Formaufbau dann Richtung Frühling zu koordinieren. Doch das ist nicht die Sache dieses Klubs, in dem die bis zur Schmerzgrenze ehrgeizigen Matthias Sammer als Sportdirektor und Pep Guardiola als Trainer sich selbst und die Mannschaft von Spiel zu Spiel zur Höchstleistung antreiben. Sich und ihre Mannschaft kleiner machen, als sie sind.

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