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Fußball: VW und der VfL Wolfsburg:Das fragwürdige VW-System

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Volkswagen hat es, und der VfL Wolfsburg bekommt es: Der Autokonzern unterstützt den Fußball-Bundesligisten mit jährlich rund 100 Millionen Euro. Die Art und Weise ist höchst fragwürdig - vielleicht sogar strafbar. Das prüft nun auch die Justiz.

Claudio Catuogno und Klaus Ott

Sie haben Felix Magath zurückgeholt, mit dem der VfL Wolfsburg vor zwei Jahren erstmals deutscher Meister wurde und sich für die Champions League qualifizieren konnte. Magath ist einer der teuersten Trainer in der Bundesliga. Sie haben kurz vor Saisonbeginn schnell noch Christian Träsch gekauft und ihm einen Vier-Jahres-Vertrag gegeben. Rund zehn Millionen Euro soll der Nationalspieler gekostet haben; und er soll beim VfL deutlich mehr verdienen als zuvor beim VfB Stuttgart. Sie wollen, dass der VfL wieder oben mitspielt anstatt wie vergangene Spielzeit gegen den Abstieg, den der Rückkehrer Magath gerade noch verhindern half.

Sie - das sind die Herren von Volkswagen (VW), der bald der größte Autokonzern der Welt sein will, und der neben Marken wie Porsche, Audi und Seat auch einen eigenen Fußballklub besitzt. Die Wölfe, wie die werkseigenen Kicker genannt werden, sollen international auftreten. Als globale PR-Plattform für den Konzern, der mit Hilfe des Fußballs den Autoabsatz steigern will. Geld spielt dabei keine Rolle. VW hat es, und der VfL Wolfsburg bekommt es.

Was der Konzern sich seinen Werksklub kosten lässt und wie der VfL sonst noch hochgepäppelt wird, daraus haben sie in Wolfsburg immer ein Geheimnis gemacht. Offenbar aus gutem Grund. Manche Vorgänge sind ziemlich fragwürdig, vielleicht sogar strafbar. Interne Dokumente des Konzerns und seines Klubs, Justizakten und Schilderungen von Beteiligten ermöglichen erstmals genaue Einblicke in das Wolfsburger Kicker-Geschäft.

Gut 100 Millionen Euro stellt VW inzwischen jährlich für den VfL bereit. Wie das verrechnet wird, lässt vermuten, dass die derzeit national wie international diskutierten Maßnahmen gegen eine Wettbewerbsverzerrung im Profifußball von vornherein Makulatur sind.

Zudem kommt in Wolfsburg - zu den Werks-Millionen - noch einiges an Geld von Sponsoren hinzu, die Lieferanten des Autokonzerns sind und von diesem offenbar teils heftig gedrängt werden, den VfL zu unterstützen. In einem Fall ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft in Stuttgart, wo ein Verdächtiger wohnt. Die Strafverfolger wollen zwei VW-Manager und drei frühere Mitarbeiter der Telekom-Tochter T-Systems wegen Korruption vor Gericht bringen.

VW soll ein Millionengeschäft mit T-Systems erst dann fortgeführt haben, als die Telekom-Tochter die Verlängerung eines angeblich überteuerten Sponsorvertrages beim VfL angekündigt hatte. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.

Was sich nicht bestreiten lässt, sind die Gefahren für den Fußball. In der ersten Runde des DFB-Pokals hat der VfL an diesem Freitag beim Viertligisten RB Leipzig gespielt - und ist auch gleich wieder ausgeschieden: Wolfsburg blamierte sich mit einer 2:3-Niederlage. Gleichzeitig hätte die neue Saison kaum symbolträchtiger beginnen können. RB heißt offiziell Rasenballverein. Gemeint ist aber Red Bull, der milliardenschwere Energie-Getränke-Konzern aus Österreich, der den RB Leipzig geschaffen hat und in die Bundesliga hieven will.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) verbietet, Vereinsnamen zu Werbezwecken zu benutzen, deshalb der Kunstbegriff Rasenballverein. Bestrebungen von Sponsoren und Konzernen, die strengen Auflagen für Investoren zu lockern, könnten solche Vorschriften eines Tages hinfällig machen. Red Bull gegen Volkswagen, Konzern-Klubs unter sich, sieht so die Zukunft aus?

62,5 Millionen Euro zahlte VW als Hauptsponsor in der Meistersaison 2008/2009 für Trikotwerbung und andere PR-Maßnahmen an den VfL. In der Spielzeit darauf waren es, internen Zahlenwerken des VfL zufolge, noch fünf Millionen mehr. Der VfL wäre demnach fast dreimal so werbewirksam wie Deutschlands Top-Klub Bayern München, der von seinem Hauptsponsor Telekom geschätzte 25 Millionen Euro pro Saison kassiert.

Der VfL in dieser Rangliste weit vor dem Rekordmeister FC Bayern, der fast jedes Jahr in der Champions League auftritt - das stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Und es belegt, wie leicht sich die vom europäischen Fußballverband Uefa als "finanzielles Fairplay" angekündigten Auflagen umgehen lassen.

Der Uefa-Plan besagt, dass die Profiklubs nur noch das ausgeben dürfen, was sie durch ihren Spielbetrieb unmittelbar einnehmen. Das soll Zustände wie beim FC Chelsea aus London verhindern, wo der russische Oligarch Roman Abramowitsch Hunderte Millionen draufzahlt. Abramowitsch müsste das einfach nur Sponsoring nennen, seinen Konzernnamen auf die Trikots schreiben, und schon wäre es eine reguläre Einnahme.

Wie in Wolfsburg beim VfL, der zusätzlich zum Sponsor-Geld auch noch viel Kredit bekommt von VW; und von der VW-Bank. 51 Millionen Euro betrug einem internen Prüfbericht aus dem Jahr 2010 zufolge der Darlehensrahmen bis Mitte 2011. Meist wurden 30 Millionen Euro und mehr in Anspruch genommen. Für einen schnellen Einkauf auf dem Transfermarkt war immer noch genug da. An den Zahlen dürfte sich wenig geändert haben.

VW und VfL äußern sich nicht dazu. Etwa zwei Drittel des Gesamtetats beim VfL in Höhe von rund 150 Millionen Euro bestreitet alleine der Mutterkonzern VW. Ohne das Geld von Volkswagen und die Millionen von VW-Lieferanten, die den Werksklub angeblich nicht ganz freiwillig sponsern, wären die Wölfe ein vergleichsweise armer Klub. Ein kleiner Verein wie der SC Freiburg, der keinen Konzern hinter sich hat und der froh ist, wenn er nicht absteigt.

Doch das ist nicht der Anspruch in Wolfsburg. Binnen fünf Jahren, von 2005 bis 2010, hat der VfL den Etat für seinen Spielerkader und das Trainerteam mehr als verdoppelt, von 30 auf 71 Millionen Euro. Nur so gelingt es, Nationalspieler und einen Trainer wie Magath in das abgelegene Wolfsburg zu locken und Meister zu werden.

Nach dem Gewinn des Titels 2009 waren Magath und seine Kicker in Cabrios geklettert und gemeinsam mit VW-Patriarch Ferdinand Piëch und Vorstandschef Martin Winterkorn im Autokorso durch die Stadt gefahren. Anschließend feierten VW und VfL in einem Hotel auf dem Unternehmensgelände, gleich dahinter ragten, grün angestrahlt, die Kamine des VW-Kraftwerks in den Himmel. Grün ist die Farbe der Wölfe.

Das System VW könnte Schule machen. Einflussreiche Akteure in der Kicker-Szene versuchen, aus den Ausnahmefällen der beiden einzigen großen Werksklubs, Bayer Leverkusen und VW Wolfsburg, eine Regel zu machen und Deutschlands Profiklubs nach und nach komplett für Investoren zu öffnen. Bis hin zur kompletten Übernahme von Vereinen, wie in England und anderswo.

Dann wäre Wolfsburg bald überall. Die wichtigsten Entscheidungen werden ja beim VfL nicht in der Klub-Geschäftsstelle in der VW-Arena getroffen. Sondern gut einen Kilometer entfernt, im zwölften und 13. Stock des VHH, des VW-Verwaltungshochhauses.

Hier residieren die VW-Vorstände, von denen zwei auch im VfL-Aufsichtsrat sitzen: Francisco Javier Garcia Sanz und Hans Dieter Pötsch. Hinzu kommen Stephan Grühsem, Leiter der Konzern-Kommunikation, und Bernd Osterloh, VW-Betriebsratschef. Diese vier bilden das Präsidium des VfL-Aufsichtsrats. Sie sind Kontrolleure und wichtigste Geldgeber der Fußballer zugleich. Sobald der Ball rollt, geht es Kommunikations-Chef Grühsem auch um eine Assoziationskette beim Zuschauer: "Fußball - Menschen - Emotionen - Auto."

Siege und Titel müssen her. Im VHH werden Trainer und Geschäftsführer ausgewählt und wieder gefeuert. Hier werden die wichtigsten Transfers abgenickt. Die vielbeschäftigten Auto-Manager bevorzugen schnelle, kostspielige Lösungen statt innovativer, preisgünstiger Ansätze, für die man Zeit und Tiefenkenntnis der Fußballbranche benötigen würde, wie neuerdings in Dortmund. Zeit haben sie bei VW im Grunde nie, aber Geld ist immer da.

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Quelle:
SZ vom 30.07.2011
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