Fußball: VfB Stuttgart:Stuttgarter Integrationsgipfel

Der VfB macht sich Sorgen um die prominenten Zugänge Hleb und Pogrebnjak. Wegen Hleb kündigt sich Weißrusslands Trainer Bernd Stange zum Krisengespräch an.

Christof Kneer und Johannes Aumüller

Für den ehrenwerten Berufsstand der Wahrsager ist Markus Babbel ein Graus. Da kann man noch so seriös in die Kristallkugel hineinschauen, man sieht einfach seine Aufstellung nicht. So kommt es, dass die eine Nachrichtenagentur den VfB Stuttgart am zweiten Spieltag der Champions-League-Vorrunde mit dem Angriff Pogrebnjak/Marica stürmen sieht, während das konkurrierende Nachrichtenunternehmen auf den Sturm Schieber/Cacau tippt. Wer sicher gehen will, dem sei noch ein Blick ins Fachmagazin empfohlen, das sich auf die Kombination Pogrebnjak/Cacau festlegte. Somit blieb die Formation Schieber/Marica eine der ungenannten - jene Formation übrigens, mit der Babbels Elf am vorigen Wochenende mit 3:0 in Frankfurt siegte.

Vor anderthalb Wochen hat Markus Babbel das Ende der Rotation verkündet, worauf er aber erstmal Kapitän Hitzlsperger auf die Tribüne setzte und beim nächsten Spiel die Elf auf weiteren sechs Positionen änderte. Babbel hat also eine Rotation erfunden, die einfach nicht mehr so heißt - das kann man listig oder stur nennen, oder: unausweichlich.

Markus Babbel bleibt zurzeit wohl gar nichts anderes übrig, als zu rotieren. Denn jene Spieler, die das Fundament einer Stammelf bilden sollten, bereiten ihm zunehmend Sorgen. Das fällt gerade jetzt besonders auf, vor dem Spiel beim rumänischen Außenseiter Unirea Urziceni am Dienstagabend (20.45 Uhr). Denn war es nicht so, dass Aliaksandr Hleb und Pawel Pogrebnjak extra verpflichtet wurden, um dem begabten, aber braven Kader ein wenig Champions-League-Schärfe hinzufügen? Und jetzt ist es so, dass sich der VfB in der Krise nicht von den zugekauften Helden, sondern vom selbstgezüchteten jungen Gemüse retten lassen muss: in Frankfurt etwa vom 20-jährigen Julian Schieber, der zwei Tore erzielte.

Es ist nicht mehr zu übersehen, dass Babbel im Moment mehr sein muss als nur Coach. Zusammen mit Manager Horst Heldt ist er im Moment der Integrationsbeauftragte im Klub, und nach dem Spiel in Rumänien wird es offenbar eine Art Integrationsgipfel geben beim VfB. Am Mittwoch wird zunächst Oleg Artjomow in Stuttgart erwartet, der Berater des zuletzt schwächelnden Stürmers Pogrebnjak, und fürs Wochenende hat sich Bernd Stange angekündigt, der Trainer der weißrussischen Nationalelf.

Mit dem weißrussischen Verband hatte es zuletzt Irritationen gegeben, weil der VfB seinen Spitzenspieler nach der letzten Länderspielpause ziemlich gebraucht zurückbekam. Stange habe eine Vereinbarung ignoriert, zürnte Heldt, nachdem Hleb nicht wie vom VfB gewünscht 60, sondern 90 Minuten Sport treiben musste. Und inzwischen heißt es gar beim VfB, dass sich Hlebs Gesäßmuskelzerrung durch eine unsachgemäß verabreichte Spritze beim Nationalteam verschlimmert habe. "Dem Spieler ist auf eigenen Wunsch Voltaren verabreicht worden, dasselbe Medikament wie in Stuttgart", sagte Bernd Stange am Montag zur SZ und wies darauf hin, dass Hleb vom VfB später noch zweimal eingesetzt wurde, 90 Minuten beim HSV und eine Stunde gegen Glasgow.

"Offenbar haben beide Seiten nicht alles richtig gemacht", sagt Stange, er verwahre sich dagegen, "das Problem allein bei unserem Arzt abzuladen". Inzwischen hat sich Hlebs Zerrung zum Muskelfaserriss ausgewachsen, was ihm zwei weitere Wochen Pause bescheren dürfte. Er komme nach Stuttgart, "um die Sache auszuräumen", sagt Stange, Babbel und Heldt seien "ja gute Leute". Einer der guten Leute reagiert aber eher kühl auf den Besuch. Stange könne "gerne kommen", sagt Heldt, aber großen Gesprächsbedarf sehe er "eher nicht".

Die Länderspiele gegen Kasachstan und England wird Hleb nun sausen lassen, Pogrebnjak dagegen wird auf Reisen gehen, um mit Russland gegen die DFB-Elf zu spielen. Berater Artjomow will in Stuttgart ein paar aufbauende Worte mit seinem Klienten wechseln, der weniger integriert wirkt als noch vor ein paar Wochen. Er hatte ja einen guten Start beim VfB, aber zuletzt wurde er ein paarmal mit hängenden Schultern und falschen Laufwegen erwischt. Beim VfB haben sie ihm nun zwecks besserer Integration eine Betreuerin zur Seite gestellt.

Vermutlich wird Pawel Pogrebnjak also allein aus therapeutischen Gründen wieder in die erste Elf rotiert werden. Die beste Integrationshilfe wäre ja ein Sieg in der Champions League.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: