Fußball:Verdacht der Steuerhinterziehung: DFB im Visier der Behörden

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Ein Polizist steht vor der DFB-Zentrale in Frankfurt/Main. Wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung wurden die Geschäftsräume des DFB durchsucht. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa (Foto: dpa)

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Frankfurt/Main (dpa) - Die Fahnder kamen am Morgen - und nahmen jede Menge Akten mit: Der Deutsche Fußball-Bund steht wieder einmal im Visier von Ermittlungen.

Wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main bei einer großangelegten Aktion die Geschäftsräume des DFB sowie Privatwohnungen von ehemaligen und aktuellen Verbandsfunktionären in insgesamt fünf Bundesländern durchsucht.

Der Vorwurf: Die Verantwortlichen sollen Erlöse aus der Bandenwerbung von Heimländerspielen der Fußball-Nationalmannschaft in den Jahren 2014 und 2015 "bewusst unrichtig als Einnahmen aus der Vermögensverwaltung erklärt haben", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Damit sei der DFB einer Besteuerung in Höhe von etwa 4,7 Millionen Euro entgangen.

Wieder einmal ist der größte Sportverband der Welt wegen Altlasten aus der Vergangenheit ins Visier der Ermittler geraten. DFB-Boss Fritz Keller kündigte am Mittwoch an, die Ermittlungen "allumfänglich unterstützen" zu wollen. "Ich bin für Aufklärung, um eine saubere Zukunft für den Fußball zu haben", sagte der 63-Jährige bei der Bundespressekonferenz in Berlin. Keller steht seit September 2019 an der Spitze des DFB, bei dem er zuvor kein Spitzenamt inne hatte.

"Die wegen des Verdachts der fremdnützigen Hinterziehung von Körperschafts- und Gewerbesteuern in besonders schweren Fällen geführten Ermittlungen richten sich gegen sechs ehemalige bzw. gegenwärtige Verantwortliche des DFB", teilte die Behörde weiter mit. An den Maßnahmen in Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz waren insgesamt rund 200 Beamte von Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung, Bundeskriminalamt und Bundespolizei beteiligt.

Im Kern geht es bei den Vorwürfen um einen Passus in einem am 11. Dezember 2011 zwischen dem DFB und Infront geschlossenen Vertrag, in dem sich die Schweizer Vermarktungsagentur auf Wunsch des DFB dazu verpflichtet haben soll, keine Rechte an der Bandenwerbung bei Heimländerspielen der Nationalmannschaft an Konkurrenten des damaligen Generalsponsors (Mercedes) und Generalausrüsters (adidas) zu vergeben.

Dadurch soll der DFB trotz der Verpachtung der Rechte über seine Sponsorenverträge aktiv bei der Vergabe der Bandenwerbeflächen mitgewirkt haben. Die Einnahmen hätten daher nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht der steuerfreien Vermögensverwaltung, sondern dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet werden müssen.

"Nach den bisherigen Ermittlungen besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten von dieser steuerlichen Unrichtigkeit wussten, sie aber bewusst wählten, um dem DFB hierdurch einen Steuervorteil von großem Ausmaß zu ermöglichen", erklärte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen. Die Namen der Verdächtigen nannte die Behörde nicht.

Infront wies jegliche Verantwortung in dem Fall von sich. "Die steuerliche Deklaration von Einnahmen aus Vermarktungsverträgen ist Sache des Empfängers, also des ursprünglichen Rechtehalters DFB. Infront hat keine Kenntnis darüber, wie die betreffenden Einnahmen aus Bandenwerbeverträgen aufseiten des DFB steuerlich behandelt wurden", sagte Kommunikationschef Jörg Polzer. Das Unternehmen sei von den Ermittlungen nicht betroffen, weder in der Agentur noch bei ihren Mitarbeitern habe es Durchsuchungen gegeben.

Fest steht: Der Deal zwischen dem Verband und Infront wurde in der Amtszeit von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ausgehandelt. Der 69-Jährige war später jedoch über die Sommermärchen-Affäre um eine immer noch nicht aufgeklärte Zahlung von 6,7 Millionen Euro im Zusammenhang mit der Heim-WM 2006 gestolpert und am 9. November 2015 zurückgetreten. "Bei mir hat keine Durchsuchung stattgefunden. Ich habe auch ansonsten keinerlei Kenntnis", sagte Niersbach der Deutschen Presse-Agentur.

Mit seiner Bandenwerbung, ein wichtiger Teil der Vermarktung des Weltmeisters von 2014, steht der DFB schon länger in der Kritik. Erst kürzlich hatten der Verband und Infront ihre Zusammenarbeit nach fast 40 Jahren beendet. Ursache waren die Ergebnisse einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Esecon. Demnach soll die Vermarktungsagentur Infront 2013 bei der Vertragsverlängerung den Zuschlag für das Geschäft erhalten haben, obwohl ein Konkurrent bis zu 18 Millionen Euro mehr geboten habe. Infront hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und die Kündigung durch den DFB nicht anerkannt - danach kam es zu der Trennung, die "einvernehmlich" genannt wurde.

Die Vorwürfe der Steuerhinterziehung lassen den Verband erneut in einem schlechten Licht erscheinen. Denn der DFB kämpft immer noch mit den Nachwehen der Affäre um die WM 2006. Bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft ist noch ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung gegen die ehemaligen Top-Funktionäre Theo Zwanziger, Horst R. Schmidt und Niersbach anhängig.

Der Verband will die damaligen Vorgänge noch einmal eingehend untersuchen lassen. "Es ist höchst unbefriedigend, ja frustrierend, dass wir noch immer kein abschließendes Bild rund um die infrage stehenden Abläufe der WM 2006 haben. Damit will ich mich nicht abfinden", sagte DFB-Boss Keller. Nun muss er sich mit weiterem Ungemach beschäftigen.

© dpa-infocom, dpa:201007-99-854415/10

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