Fußball und Kino:Scholli - der Film

Nächsten Mittwoch müssen die Fans Mehmet Scholl endgültig Adieu sagen: Abschiedsspiel gegen Barcelona. Doch eine Woche später ist er wieder da: Von 23. August an läuft in den Kinos "Frei: Gespielt", das filmische Portrait eines außergewöhnlichen Menschen.

Thomas Becker

Dieser Film tut weh. Als ob der 19. Mai nicht schlimm genug gewesen wäre! Das letzte Bundesligaspiel von Mehmet Scholl. Sein letztes Tor. Seine letzte Ehrenrunde. Da muss man schon aus Holz sein, um nicht zumindest ein paar Mal vernehmlich zu schlucken, wie das nicht nur Uli Hoeneß beim obligaten Blumenstrauß-in-die-Hand-drücken tat.

Und jetzt auch noch dieser Film. Ein zweiter Abschied, keinen Deut weniger schmerzhaft, eine Sache für Masochisten. Muss das denn sein? Oh ja, es muss. Und wie! 101 Minuten lang. Und es hätten auch gerne nochmal so viele sein dürfen.

Ein abendfüllender Kinofilm über das Karriereende eines Fußballers - wie kam es dazu? Die Geschichte beginnt im Dezember des vergangenen Jahres. Als Uli Hoeneß das Ende von Scholls Laufbahn verkündet, wird aus einem zwei Jahre lang gehegten Plan Gewissheit: Edi Augustin und Ferdinand Neumayr, beide Anfang 40, der eine Journalist ("Fußball unser") und Fernsehautor, der andere Theatermann und Sportfilmer, waren sich einig: "Wir müssen etwas machen, was sich vom üblichen "Servus Mehmet-TV-Fünf-Minüter" unterscheidet." Das ist den beiden prächtig gelungen. In den letzten 48 Stunden seiner Karriere begleiteten sie den Profi und betrachten noch einmal die Stationen seiner Laufbahn.

"Mehmet Scholl - über das Spiel hinaus" heißt der Untertitel des Werks, das die Macher als filmisches Portrait verstehen: "Es ist in gewissem Sinne seine Autobiografie." Der Film geht über die handelsübliche Zusammenstellung der schönsten Tore, Dribblings etc. weit hinaus. Der in den letzten Jahren sehr medienscheue Ex-Bravo-Star hat sich nämlich stark selbst eingebracht - und das nicht nur bei der Zusammenstellung der Musik. Scholl spricht viel über sein Innenleben, fern von Hackentricks und Freistoßtoren.

Gleich zu Beginn schildert er seinen immer wiederkehrenden Albtraum. Er erzählt von der vaterlosen Zeit in der Karlsruher Vorstadt, vom großen Bruder, der vom Fuß- zum Handball wechselte, damit Zuhause bloß keine Neiddebatte aufkam. Auch von seiner schlimmsten Zeit, als ihn private Probleme ganz tief nach unten zogen, spricht er sehr offen, genauso wie von einem Augen öffnenden Single-Urlaub in Griechenland.

Scholli - der Film

So etwas tut man nur, wenn man mit den beteiligten Personen auf einer Wellenlänge liegt. Sicherlich fiel es Scholl leichter sich zu erklären, weil er den Mann hinter der Kamera sehr gut kennt: Igor Luther ist sein Schwiegervater. Der renommierte Kameramann, Jahrgang '42, arbeitet seit Jahrzehnten mit Größen wie Bernhard Wicki, Michael Verhoeven und Helmut Dietl und führte damals auch bei Volker Schlöndorffs oscarprämierter "Blechtrommel" die Kamera. Augustin und Neumayr geraten ins Schwärmen: "Er ist ein Bildgestalter der alten Schule, ein Meister des Lichts." Man muss ihnen recht geben: Es sind schlichtweg wunderschöne, ergreifende Bilder.

Außer Scholl kommen zahlreiche Freunde, Bekannte und Prominente zu Wort: Harald Schmidt, Susi und Uli Hoeneß, Lukas Podolski, MTV-Moderator Markus Kavka, Joschka Fischer, Edmund Stoiber, Albert Ostermaier, Oli Kahn, Thorsten Fink, Michael Mittermeier, Sportfreund Peter Brugger, Physiotherapeut Fredi Binder, Sängerin Mia, die Journalisten Günter Koch, Waldi Hartmann, Ludger Schulze und Philipp Selldorf - und Herbert Grönemeyer überrascht mit dem Bekenntnis, dass er viel lieber Fußball spielt als Konzerte zu geben.

Und dann sind da natürlich die wunderbaren alten Geschichten: Unglaubliche Hornbrillen-Bilder aus der Kindheit, Popper-Matten aus der Jugend. Das erste Training bei den Profis, als ihn Winnie Schäfer ausdauernd Ahmed nennt. Das erste Bundesligator, das noch Ernst Huberty kommentierte. Die Flucht des Uli Hoeneß vor der üblichen Bierdusche ("Jetzt hab' ich mir schon wieder 'nen Faserriss geholt"). Und all die sagenhaften Freistoßtore links oben ins Kreuzeck, die einen schon wieder kräftig schlucken lassen. Ein Fan sagt es mitten in der Autogrammhektik vor dem Mannschaftsbus ganz richtig: "Vielen Dank für alles."

Und wie geht es weiter mit Mehmet Scholl? Keiner weiß das, er auch nicht. Aber man muss sich keine Sorgen machen. Er erzählt von seiner "sehr schlauen Freundin" und sagt zum Schluss den schönen Satz: "Ich bin auf einem guten Weg, glücklich zu werden."

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