Süddeutsche Zeitung

Fußball-Uefa-Pokal:Bremen ringt Hamburg nieder

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In einem dramatischen Halbfinale setzt sich Bremen mit 3:2 gegen Hamburg durch. Doch eine Schiedsrichter-Entscheidung senkt Werders Chancen im Endspiel.

Werder Bremen hat sich zum Alptraum des Nord-Rivalen HSV entwickelt: Nach dem K.o.-Sieg im DFB-Pokalhalbfinale vor zwei Wochen warf Schaafs Team die Hamburger nun auch aus dem Uefa-Cup-Endspiel. Beim 3:2 (1:1)-Sieg nach dem 0:1 im Hinspiel trafen vor 51.500 Zuschauern Diego, Claudio Pizarro und Frank Baumann, Ivica Olics beide Gegentreffer waren zu wenig.

Einen entscheidenden Part spielte allerdings in der Hamburger Arena auch eine aufs Spielfeld geworfene Papierkugel, die kurz vor Schluss für einen Bremer Eckball sorgte - den die Gäste dann zum entscheidenden Tor nutzten. Im Uefa-Cup-Finale am 20. Mai trifft Werder auf das ukrainische Team von Schachtjor Donezk.

Falsche Hoffnungen, das war früh klar, sollten sich die Hamburger nicht machen. Die Bremer Kreativ-Achse Diego und Özil war gleich quicklebendig unterwegs, was insofern leise Irritation schuf, als sich die beiden vergangenen Samstag auf der Sportanlage Bremen-Oberneuland als Freizeitkicker betätigt hatten, während ihre Kollegen sich im Bundesliga-Spiel in Köln eine 0:1-Niederlage abholten - ohne die zwei angeblich Verletzten.

Zwar bleibt Spekulation, ob die Bremer im für sie unwichtig gewordenen Liga-Betrieb ein wenig Wettbewerbsverzerrung betrieben, indem sie ihre Wichtigsten schonten. Sicher ist, dass sie gestern Abend in Bestbesetzung ins als Halbfinal-Rückspiel deklarierte dritte Nord-Derby hintereinander gingen.

Zehn Jahre lang ist Thomas Schaaf Werder-Trainer, ein internationaler Titel fehlt ihm aber noch. Das sollte sich ändern. Tatsächlich hatten die Gäste nach zwölf Minuten die erste gute Torchance. Doch Pizarro erwischte eine Flanke von Bönisch aus fünf Metern nicht richtig, weil ihn Mathijsen hinterrücks beim Kopfballversuch störte.

Schon der Gegenzug sah den Hamburger Abwehrmann erneut in der Schlüsselszene: Ein feiner Querpass auf Olic, der Stürmer lüpfte den Ball über Wiese hinweg ins Tor (13.). Wieder eine rasche HSV-Führung, wie im Hinspiel an der Weser. Und wieder schien es so, als ermangele es Schaafs Ensemble angesichts der das müde Gekicke locker kontrollierenden Hamburger an Ideen und Intuition, um den schicksalhaften Lauf der Dinge irgendwie aufzuhalten.

In solchen Situation braucht es einen Geniestreich. Auf den verfielen Diego und Pizarro nach 29 Minuten. Der Brasilianer nahm aus gut 30 Metern Anlauf, steckte den Ball zu Pizarro durch und startete in den Strafraum, um das Spielgerät dort wieder in Empfang zu nehmen und über den heranstürzenden Keeper Rost hinweg ins Netz zu lüpfen. Der Ausgleich, der endlich etwas Leidenschaft ins Spiel brachte. Fortan waren es die Bremer, die den HSV mächtig unter Druck setzten. Das Match wurde ruppig und torgefährlicher: Rost lenkte Diegos Gewaltschuss mit den Fingerspitzen an die Torlatte. Auf der Gegenseite rettete Wiese gegen Jansen. Özil brachte zweimal das letzte Zuspiel nicht an den Mitspieler.

Kurz vorm Pausenpfiff dann ein flammender Disput Diegos mit Landsmann Alex Silva, auch ohne Portugiesischkenntnis war Schiedsrichter de Bleeckere schnell klar, dass hier strenge Unhöflichkeiten ausgetauscht wurden. Als die Hitzköpfe dicht an dicht standen und Silva den Bremer wegschubste, zückte der belgische Referee Gelb - für beide. Womit sich für Diego der Traum vom Endspiel definitiv erledigt hatte, er war schon Gelb-belastet in diese Partie gegangen. Zorn und Frustration entluden sich in Richtung Pfeifenmann, dessen überzogene Entscheidung so zumindest nachträglich ins Recht gesetzt wurde.

Mit derby-typischen Nickligkeiten ging es nach der Pause weiter. Naldo sah Gelb, auf der Gegenseite gab's Gelb für Jarolim. Pizarro hatte Pech, dass er nach 52 Minuten Zentimeter im Abseits stand, bevor er Özils Flankenball per Kopf ins HSV-Netz wuchtete. Ein flotter Schlagabtausch entwickelte sich, im dritten Spiel binnen nur 14 Tagen gibt es ja nicht mehr viel zu verbergen und taktieren. Der HSV entwickelt Druck, wenn all seine Rädchen ineinander greifen.

Bei Werder hingegen hängt alles von drei Leuten ab - und die konnten die Hamburger gestern nicht aus dem Tritt bringen. Neben Diego und Özil ist da noch Pizarro, und der setzte sich in der 65. Minute gegen drei Widersacher im Mittelfeld durch. Dann sandte er einen Flatterball aufs HSV-Gehäuse, der erst nach innen drehte, dann wieder nach außen und Rost in der Fliegenfängerrolle am Boden zurückließ, nachdem er sich die Kugel selbst ins kurze Toreck geklatscht hatte.

War das bereits der Fangschuss für den HSV? Der hatte Werders Ballsicherheit nichts mehr entgegenzusetzen, trotz der lärmenden Heimkulisse. Nach 83 Minuten die vermeintliche Entscheidung: Baumann köpft Diegos Eckball über die Torlinie, Rost hatte erneut nur die Fingerkuppen ans Leder gebracht. Den Eckball hatte Werder eine aufs Spielfeld geworfene Papierkugel beschert, von der das Spielgerät ins Toraus geprallt war - Gravgaard hatte den Ball plötzlich einfach vom Fuß verloren.

In der Schlussphase erwachte jäh noch einmal der HSV. Mladen Petric vergab eine Riesenchance aus fünf Metern Entfernung, allerdings im Abseits stehend. Dann köpfte Olic akrobatisch doch noch das 2:3 (87.). Ein Treffer fehlte jetzt nur noch für das Endspielticket nach Instanbul. Die Partie wurde zum Handballspiel, zehn beutehungrige Hamburger umkreisten den Bremer Strafraum, elf - doch selbst dem nach vorne geeilten Torhüter Rost gelang der Ausgleich nicht mehr.

"Ein tolles und offenes Spiel, sensationell. Wir haben immer dran geglaubt und immer nachgesetzt, ständig nach vorne gespielt. Jetzt müssen wir uns für das Finale sammeln", sagte Schaaf hernach. Und dass der Ausfall von Diego im finale eine große Schwächung darstelle - das bedauerten alle Bremer. Manager Allofs empfand die Schiedsrichterleistung schlicht als "Skandal".

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Quelle:
SZ vom 08.05.2009
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