Fußball in der Türkei:Wenn der Klubboss mit der Nichte von Erdoğans Frau verheiratet ist

Basaksehir Football team new player Robinho Sign a contract with Basaksehir Istanbul Turkey Ja

Gemeinsam für den Meistertitel: Basaksehir-Präsident Göksel Gümüsdag, der mit einer Nichte der Frau von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verheiratet ist, mit dem früheren brasilianischen Nationalstürmer Robinho (r.).

(Foto: Seskim Photo/imago)
  • Basaksehir FK ist in dieser Saison Tabellenführer der türkischen Liga.
  • Der Klub steht Präsident Erdogan und der Regierungspartei AKP nahe, hat aber auch eine ausgeglichene Transferbilanz, investiert in die Jugend und ist schuldenfrei.
  • Die alten Großklubs kämpfen mit dem Lira-Verfall. Jetzt soll sogar der türkische Bankenverband ein Rettungsprogramm auflegen.

Von Tobias Schächter

Er spielte so, als sei er schon immer dabei gewesen: Robson de Souza, genannt Robinho, bereitete einen Treffer vor beim 4:2-Sieg seines neuen Klubs Basaksehir FK bei Trabzonspor. Mit diesem Erfolg untermauerte der Emporkömmling aus Istanbul zum Rückrundenauftakt am Wochenende seine Titelambitionen; die Vorherrschaft der "Üc Büyük", der drei großen Abonnementmeister Galatasaray, Besiktas und Fenerbahce, steht in der Türkei vor der Ablösung. Basaksehir-Präsident Göksel Gümüsdag wünscht sich den Meistertitel, zu diesem Zweck wurde die Mannschaft in der Winterpause verstärkt.

Neben Robinho, 33, wechselte der zuletzt vereinslose ehemalige deutsche Nationalspieler Serdar Tasci, 31, zu dem Klub, der erst 1990 als Betriebssportgruppe der Istanbuler Stadtverwaltung gegründet wurde. Seit 2014 ist die Profifußballmannschaft ausgegliedert und hat unter dem Namen Basaksehir FK die Machtverhältnisse im türkischen Fußball aufgelöst. Derzeit führt der Klub die Tabelle mit sechs Punkten Vorsprung vor Galatasaray an, Besiktas ist Sechster, und Fenerbahce schwebt auf Rang 15 in Abstiegsgefahr.

Der Niedergang der großen Klubs ist selbst verschuldet und wurde durch die Abwertung der heimischen Lira nach dem gescheiterten Militärputsch und aufgrund der unsicheren politischen Lage in der Türkei beschleunigt. Allein 2018 verlor die Lira ein Viertel an Wert gegenüber Euro und Dollar - türkische Klubs aber bezahlen ihre Spieler in Euro oder Dollar. Auch Bankkredite laufen zumeist über Fremdwährungen; Einnahmen allerdings generieren die Klubs nur in Lira. Nun stellen die Vereine die Gehälter für die türkischen Spieler auf Lira um. Allerdings gilt dieses im vergangenen Jahr von der Regierung verhängte Gesetz nicht für die Ausländer.

Im Wettlauf um Ruhm und Ehre führten die Potentaten die Großklubs in den vergangenen Jahren immer tiefer in den Schuldensumpf. Das waghalsige, auf kurzfristigen Erfolg ausgerichtete Geschäftsmodell - Altstars aus dem Ausland für viel Geld zu kaufen und für viel weniger wieder abzugeben - endet am Rande des Ruins. So drücken die großen Vereine Schulden in dreistelliger Millionen-Euro Höhe. Nachdem Fenerbahces neuer Präsident Ali Koc vergangenen Sommer ins Amt gewählt worden war, stellte er fest, dass die alte Führung die Einkünfte aus den Ticketverkäufen (bis 2021), den VIP-Logen, den Fernsehrechten, den Fenerium-Stores und der Werbung (bis 2023) veräußert hatte. Aktuell soll Fenerbahce Verbindlichkeiten in Höhe von 344 Millionen Euro haben.

Der Tabellenführer holt Robinho - die verschuldeten Großklubs müssen Spieler verkaufen

Schuldenfrei ist hingegen Basaksehir, viele Sponsoren des Klubs stehen der Regierungspartei AKP nahe. Vor vier Jahren weihte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan das neue Stadion ein - Klubboss Gümüsdag ist mit einer Nichte von Erdogans Frau verheiratet. Im Gegensatz zur Konkurrenz hat Basaksehir in den vergangenen Jahren eine ausgeglichene Transferbilanz vorgewiesen, der Klub investiert in die Nachwuchsausbildung, arbeitet professionell. Auch deshalb kann sich der Klub Robinho für zwei Millionen Euro Ablösesumme von Sivasspor leisten. Dorthin war der Angreifer vor einem Jahr gewechselt, nachdem der frühere brasilianische Nationalspieler von einem Gericht in Mailand erstinstanzlich zu neun Jahren Haft und einer Geldstrafe von 60 000 Euro verurteilt worden war. Zusammen mit fünf anderen Männern soll Robinho eine Frau sexuell missbraucht haben. Das Urteil wurde angefochten. Robinho, der in der Vorrunde acht Tore erzielte, ist für Basaksehir womöglich ein Trumpf im Titelkampf. Am Dienstag gab der Klub zudem bekannt, dass er Demba Ba, 33, bis zum Saisonende von Shanghai Greenland Shenhuazuml ausleiht. Ba wird wohl Emmanuel Adebayor ersetzen, der vor einem Wechsel zu Fenerbahce steht. Wegen der Finanznot müssen andere Klubs Spieler verkaufen, so wechselte Ryan Babel von Besiktas zu Fulham.

Auf Betreiben der Regierung riefen Anfang der Woche der türkische Fußballverband und der türkische Bankenverband ein Rettungsprogramm über zwei Milliarden Euro für die verschuldeten Vereine aus. Bis zur Konsolidierung soll unter anderem die Staatsbank Ziraat die Schulden einiger Klubs übernehmen. Kritiker bezweifeln, dass diese Maßnahme die tiefe, strukturelle Krise löst.

Fenerbahces Präsident Koc hatte bei seiner Amtsübernahme 50 Millionen Euro aus eigener Tasche zur Verfügung gestellt. Koc entstammt dem säkularen, westlich orientierten Istanbuler Unternehmeradel, die "Koc-Holding" ist das größte Unternehmen der Türkei. Die ausgerufene Zeitenwende aber läuft auch sportlich in eine andere Richtung, als sich Koc das vorgestellt hat. Nach Phillip Cocu und Erwin Koeman arbeitet in Ersun Yanal der dritte Trainer in dieser Saison bei "Fener". Bei Basaksehir ist Abdullah Avci seit 2014 im Amt - dieser Tage verlängerte er beim Tabellenführer bis 2024.

Zur SZ-Startseite

Syrien
:Zwei Kriegsherren stehen sich im Weg

Die Präsidenten Putin und Erdoğan verfolgen im Syrien-Konflikt gänzlich unterschiedliche Interessen. Beide möchten wohl gerne losmarschieren.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: