Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Abmahnung aus Prinzip

Der e.V. will die Geschäftsführung von Sechzig verwarnen, die Investorenvertreter wünschen dazu erst eine Beiratssitzung. Derweil stellt sich Investor Hasan Ismaik vor seinen umstrittenen Statthalter.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Im wirren Kosmos des Fußball-Drittligisten TSV 1860 München hat sich zuletzt mal wieder Erstaunliches zugetragen. Investor Hasan Ismaik möchte den Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel loswerden, er ist noch immer verstimmt über die Entlassung von Trainer Michael Köllner Ende Januar. Allerdings ist auch der andere Gesellschafter, der e.V., nicht mehr allzu gut auf die Geschäftsführung zu sprechen. Wie zuerst die Bild-Zeitung berichtete, steht den Geschäftsführern - neben Gorenzel auch Finanzchef Marc-Nicolai Pfeifer - eine Abmahnung ins Haus: auf Betreiben des e.V., der die Trennung von Köllner zwar guthieß, aber die Abläufe bei der Verpflichtung des Nachfolgers Maurizio Jacobacci moniert.

Die Geschäftsführer hätten für die Personalie demnach das Einverständnis des Präsidiums einholen müssen. Bei der Abmahnung dürfte es weniger um Jacobacci selbst als ums Prinzip gehen: Die Zustimmungspflicht der Gesellschafter der Geschäftsführungs GmbH, die zu 100 Prozent dem e.V. gehört, ist im komplizierten Konstrukt des TSV 1860 schließlich der Hebel zur Durchsetzung von 50+1 (während die Investorenseite möglichst viele Kompetenzen in den Aufsichtsrat verlegen möchte, in dem sie die Mehrheit besitzt). Ismaiks Münchner Vertreter akzeptieren daher natürlich keinen Alleingang des e.V. bezüglich der Abmahnung - daraufhin soll nun eine Beiratssitzung zu dem Thema stattfinden.

Selbst wenn sich die beiden Gesellschafter am Ende über eine Demission ausnahmsweise einig werden, ist es fraglich, ob sie sich über einen Nachfolger verständigen könnten. Ismaik selbst hatte keinen konkreten Vorschlag. Zu der Frage nach einem Nachfolger gab er der SZ nur ein Anforderungsprofil: "Ich würde mir wünschen, dass der geeignete Kandidat Erfahrung hat, um aufzusteigen, und dass er eine Persönlichkeit ist, die den Trainer und den Spielerstab ergänzt, anstatt sich gegen ihn zu stellen." Das war selbstredend noch einmal ein Seitenhieb gegen Gorenzel.

"Ich glaube, dass die Effektivität von Herrn Power bestimmte Leute verärgert, die es gewohnt sind, unangefochten zu agieren."

Auch während des Heimspiels gegen Tabellenführer Elversberg am Dienstagabend (1:1) waren wieder Proteste der Fanszene gegen die Investorenseite zu beobachten, die Fahnen mit den durchgestrichenen Gesichtern Ismaiks und seines Statthalters Anthony Power, das Banner "Power muss weg". Die Fans stören sich an der Einflussnahme Powers auf die Geschäftsführung und an seiner Art des Umgangs ("Axt im Walde"). Ismaik zeigte sich auf SZ-Anfrage irritiert von der Haltung der Anhänger. "Ich glaube, dass die Effektivität von Herrn Power bestimmte Leute verärgert, die es gewohnt sind, unangefochten zu agieren", meinte der Investor, "und diese Leute stacheln die Fans zu Bannern und Gesängen an, ohne zu verstehen, dass er sich für 1860 einsetzt und versucht, Erfolg zu haben."

Mit den Leuten, die unangefochten agieren wollen, meinte Ismaik möglicherweise die Geschäftsführer - und offenkundig auch e.V.-Vertreter, jedenfalls fuhr er fort: "Mir ist zu Ohren gekommen, dass meine Partner vom e.V. sich derzeit mit dem Kommentarbereich einiger Blogs und Online-Artikel auseinandersetzen, in denen Äußerungen gegen bestimmte e.V.-Mitglieder als ,Hassreden' bezeichnet werden. Sie fordern die Geschäftsführung auf, Maßnahmen zu ergreifen." Es sei "interessant zu beobachten, wie sie handeln, wenn der Schuh am anderen Fuß sitzt", denn: "Ich fordere meine Partner seit vielen Jahren auf, sich mit den Hassreden zu befassen, die ich und meine Vertreter bei Spielen erhalten haben, und die Geschäftsführung in dieser Frage zum Handeln zu drängen."

Auch hier zeigten sich schon die Gräben zwischen den Gesellschaftern: Als die Geschäftsführung einmal das gewünschte Verbot der ismaikkritischen Utensilien bei Heimspielen durchsetzen lassen wollte, meldete sich umgehend der e.V. mit einer Ermahnung - selbstverständlich, und unter Verweis auf die Meinungsfreiheit. Nicht nur Günther Gorenzel hat es eben schwer bei Sechzig, sondern auch sein Kollege Pfeifer.

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