TSV 1860 München:Die Zukunft sieht düster aus

Lesezeit: 3 Min.

"Es ist vielleicht auch einfach an der Zeit für etwas Neues", sagt Phillipp Steinhart zu seinem Abschied vom TSV 1860 - den er nach dem Spiel gegen Bielefeld auch auf dem Zaun des Grünwalder Stadion feiert. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Nach Platz 15 am Ende einer Saison, die den Löwen als schlechtester der vier bayerischen Klubs in der 3. Liga deutlich die sportlichen Grenzen aufgezeigt hat, steht ein großer Umbruch bevor: 13 Spieler verlassen die Mannschaft.

Von Christoph Leischwitz

Diesen Satz vom Gästetrainer dürften sich alle Löwenfans vor zehn Monaten genau so gewünscht haben am letzten Spieltag dieser Saison: "Souverän aufgestiegen, deswegen Glückwunsch von meiner Seite", das sagte Bielefelds Michel Kniat - allerdings gingen diese Glückwünsche ins ferne Münster, an einen Überraschungsaufsteiger. Die Arminia hatte mit einem verdienten 2:0 (1:0)-Erfolg hingegen noch den TSV 1860 München in der Abschlusstabelle überholt.

Sechzig Fünfzehnter - das hätte im vergangenen Sommer niemand gedacht. Und so fiel der Saisonabschluss im eigenen Stadion nicht versöhnlicher aus als absolut nötig. Zur Halbzeit hatte es Pfiffe gegeben, einige Fans hatten schon vor Schlusspfiff das Stadion verlassen, andere sangen trotzig "Einmal Löwe, immer Löwe". Zwar gab es auch noch einige emotionale Momente, aber eine der letzten Botschaften der Westkurve an die Spieler klang wie eine Hausaufgabe für die kommende Spielzeit: "Auf geht's Löwen, kämpfen und siegen", riefen sie ihnen zu, wohl auch, weil sie zum Abschluss wenig Kampfgeist gezeigt hatten. Und auf einem Banner war zu lesen: "38 Spieltage standen wir bedingungslos hinter euch - nächste Saison zählt nur der Erfolg."

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Dieses Banner hing freilich in der Ostkurve, wo die Arminia-Fans standen. Löwen-Anhänger sind im Moment gar nicht in der Position, mehr Erfolg einzufordern, die vergleichsweise miese Stimmung an diesem sonnigen Samstagnachmittag im Mai rührt auch daher, dass die Zukunft düster aussieht. Nicht weniger als 13 Spieler wurden 17 Minuten vor dem Anpfiff des Spiels verabschiedet, eine kleine Gruppe an Stammspielern wird bleiben, darunter nicht die unwichtigsten. Wobei die Zukunft von Fabian Greilinger und Tim Rieder noch ungeklärt zu sein scheint - sie waren die Einzigen, deren Verträge zum Saisonende auslaufen, die aber noch kein eingerahmtes Bild überreicht bekommen hatten.

Trotzdem steht ein großer Umbruch bevor. Trainer Argirios Giannikis hofft, "einen recht kompletten Kader" zum Start in die Vorbereitung (voraussichtlich am 20. Juni) beisammen zu haben. Auf die Frage, wie sehr seine Wünsche umgesetzt werden können, antwortete Giannikis grinsend: "Naja, wir sind hier ja nicht bei Wünsch dir was. Dass wir nicht die besten Mittel der Liga haben, ist klar." Dem Vernehmen nach sollen im Laufe der Woche Zugänge präsentiert werden. Schon am Pfingstmontag gab es den ersten Neuen: Der 21-jährige linke Außenverteidiger Florian Bähr kommt auf Leihbasis vom Zweitliga-Absteiger VfL Osnabrück.

Das Abstiegsszenario gegen Ende war deutlich realistischer gewesen als die Aufstiegshoffnungen

Diejenigen, die sich verabschieden, tun dies sicherlich auch mit einem weinenden Auge. "Ich hatte nochmal Gänsehaut", sagte Fynn Lakenmacher über seine vorerst letzte Partie im Löwen-Trikot. "Ich hätte mir auch vorstellen können, zu verlängern bei Sechzig, aber die neue Herausforderung hat mich gereizt." Der Angreifer wird zum Bundesliga-Absteiger Darmstadt 98 gehen. Zum Spiel gegen Bielefeld fand er ehrliche Worte: "Ich glaube, die Spannung war ein bisschen raus nach letzter Woche", also nach dem gesicherten Ligaverbleib. Das vorentscheidende 2:0 hatte der ehemalige Sechziger Merveille Biankadi erzielt (60. Minute).

Abschiedsgeschenke für die Wand: Am letzten Spieltag trennte sich der TSV 1860 von 13 Spielern. (Foto: Ulrich Gamel/kolbert-press/Imago)

Am meisten Applaus bekam ein Gästespieler: Fabian Klos wurde bei seiner Auswechslung in der 70. Minute von allen Seiten beklatscht, der 36-Jährige hat für Bielefeld unglaubliche 447 Profispiele bestritten. Aber auch Phillipp Steinhart wurde bejubelt, als er kurz zuvor noch einmal eingewechselt und hernach noch als "einer der letzten Aufstiegshelden" des Jahres 2018 gefeiert wurde. "Sieben Jahre, unzählige Spiele gemacht, es ist vielleicht auch einfach an der Zeit für etwas Neues", sagte er. Steinhart ist 31 und fühlt sich fit, "ich habe den Anspruch, mehr Einsatzzeit zu bekommen." Vor allem unter dem neuen Trainer Giannikis hat er diese nicht mehr erhalten, auch deshalb, weil der Deutschgrieche auf den Flügeln auf junge Spieler und hohes Tempo setzt. Wohin er wechsele, wisse er im Moment noch nicht, sagte Steinhart.

Es war eine Saison, die den Sechzigern sehr deutlich die sportlichen Grenzen aufgezeigt hat. Das Abstiegsszenario gegen Ende war deutlich realistischer gewesen als die Aufstiegshoffnungen nach einer kurzen Erfolgsserie in den ersten Giannikis-Wochen. Sechzig schloss die Spielzeit zudem als die schlechteste der vier bayerischen Mannschaften ab, mit Abstand, während die neue Geschäftsführung Anfang des Monats darüber redete, Sechzig binnen fünf Jahren zur Nummer zwei in Bayern machen zu wollen. Viele Anhänger sind zusätzlich über die neuen Preise für Jahreskarten sauer, nachdem der Verein unter der Woche bekannt gegeben hatte, dass diese an vielen Orten im Stadion teurer werden. Es gibt also wenig Perspektiven für den Klub, der vier Tage vor dem Trainingsstart auch noch eine richtungsweisende Mitgliederversammlung abhält.

Der einzige Trost: Es ist trotzdem ja alles unvorhersehbar. Vor einem Jahr hätte schließlich auch niemand gedacht, dass Sechzig diesmal Fünfzehnter wird.

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