Fußball-Transfers:Alle jagen den nächsten Zauberfuß

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Traf im Viertelfinale-Rückspiel der Champions League gegen den FC Bayern: Marco Asensio, 21, von Real Madrid. (Foto: Getty Images)

Real Madrids faszinierender Marco Asensio war vor zwei Jahren noch ein Schnäppchen. An ihm lässt sich gut erklären, was auf dem Markt für Talente gerade los ist.

Von Klaus Hoeltzenbein

Was vermutlich weniger bekannt ist, ist ein nahezu skandalöser Vorgang. Nämlich der, dass ein Offizieller des FC Bayern es sich erlaubt hatte, den Offiziellen von Real Madrid zu gratulieren - und zwar schon vor dem Rückspiel. Weit weniger skandalös wird es dann, wenn man sich den Vorgang genauer anschaut. Richtig ist zwar, dass Real Madrid einen SMS-Glückwunsch eines gewissen Michael Reschke erhielt, doch der traf dort bereits im Jahr 2015 ein. Richtig ist aber auch, dass Reschke im Interview mit El País, Spaniens größten Zeitung, diese Geschichte erzählte und dass er dabei kurz vor dem Anpfiff des Champions-League-Rückspiels von einem jungen Künstler der Madrilenen schwärmte.

Nicht von Ronaldo, Ramos oder Benzema, sondern von Marco Asensio, 21, der dann auch spätestens in diesem Viertelfinal-Duell die große Bühne des Weltfußballs betrat. Weniger als Torschütze, auch wenn Asensio mit dem vierten Real-Treffer den Knockout des FC Bayern besiegelte, sondern als verzinkter Vorbereiter, der mit seinem linken Fuß den Ball in rätselhaften Flugkurven in den Strafraum bugsiert. Dieses Talent war 2015 längst nicht allen bekannt, als Reschke den Real-Kollegen dazu gratulierte, den besten Spieler der U 19-Europameisterschaft engagiert zu haben, wie er El País erzählte. Reschke bezeichnete Asensio dabei als das letzte große Schnäppchen auf dem Transfermarkt. Günstiger werde Weltklasse nie wieder zu haben sein.

An diesem Asensio lässt sich gut erklären, was auf dem Markt für Talente gerade los ist. Einst waren es Scouts und Späher, die für kleines Geld auf den Tribünen der Kreisklasse kauerten, um am Ende den neuen Gerd Müller, den neuen Johan Cruyff doch nicht zu finden. Heute ähnelt die Suche einer globalen, computergestützten Rasterfahndung, beschäftigen die Klubs mehr und mehr Angestellte wie Reschke, die den Titel eines "Kaderplaners" auf der Visitenkarte führen. Auch beim FC Barcelona haben sie solche Leute, die sich jetzt rechtfertigen müssen, weil Asensio damals aus Mallorca als 3,5-Millionen-Euro-Schnäppchen zum verhassten Rivalen Real wechselte.

Bayern und Barcelona müssen ihr Personal auffrischen

Dem FC Barcelona und dem FC Bayern stellen sich nun ähnliche Aufgaben. Beide hatten ihre große Zeit, beide scheiterten schon im Viertelfinale, beide werden sich perspektivisch über eine Personalauffrischung neu definieren müssen. Andere scheinen da weiter zu sein. So wirkt Juventus Turin, der Halbfinalist, zwar immer noch wie ein Denkmal seiner selbst, das aber punktuell bereits überstrichen wird - einer wie der Argentinier Paulo Dybala, 23, setzt frische Farbtupfer.

Bei Barça hingegen geht die Tiki-Taka-Ära zu Ende, wirken Darsteller wie Lionel Messi, 29, und Andres Iniesta, 32, ermattet vom ewigen Ballbesitz. Beim FC Bayern gehen Philipp Lahm, 33, und Xabi Alonso, 35, in den Ruhestand, Franck Ribéry, 34, und Arjen Robben, 33, werden in absehbarer Zeit folgen. Neue, gewaltige Anstrengungen in der Talentförderung zeigen noch keine Wirkung; gerade jetzt wird in München darauf verwiesen, dass David Alaba der Letzte war, der es 2009 aus der Nachwuchsakademie in die erste Mannschaft schaffte. Bei Barça und bei Bayern ist es somit offen, wem sie ihre Zukunft auf den Chefpositionen auf dem Rasen anvertrauen wollen.

Beide Klubs steigen damit tiefer ein in einen Markt, der nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum funktioniert. Anders als Asensio, der Zauberfuß, war Renato Sanches, 19, kein Schnäppchen. Der Portugiese galt 2016 als eines der größten Mittelfeld-Talente, als ihn der FC Bayern für 35 Millionen Euro plus X engagierte. Gegen Real spielte er keine Minute.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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