Trainerwechsel im Fußball:Effekt ohne die alte Hatz

Trainerwechsel im Fußball: Spricht die Sprache der Spieler: Leipzigs Trainer Domenico Tedesco (im schwarzen Mantel).

Spricht die Sprache der Spieler: Leipzigs Trainer Domenico Tedesco (im schwarzen Mantel).

(Foto: Michael Taeger/Imago)

Der Saisonverlauf von Hertha BSC und RB Leipzig zeigt, wie unterschiedlich die Auswirkungen von Trainerwechseln sein können. Eine Bedeutung haben sie stets.

Kommentar von Philipp Selldorf

Eine Arbeitsgruppe an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat vor einigen Jahren eine Studie vorgestellt, die besagt, dass im laufenden Saisonbetrieb getätigte Trainerwechsel keinen nützlichen Effekt hervorbrächten. Grundlage der These ist die Auswertung statistischer Daten seit Gründung der Bundesliga 1963.

Das Resultat der Untersuchung belegt den Verdacht, dass sich mit Statistik alles beweisen lässt - außer der Wahrheit. Im wahren Fußball-Leben hat selbst der nutzloseste Trainerwechsel seine Bedeutung, sogar die bisher beispielhaft unergiebigen Interventionen der Berliner Hertha zeigen ihren - wenn auch unerwünschten - Wert. Sie bezeugen die Sanierungsbedürftigkeit des Klubs.

Noch überzeugender ist die Gegendarstellung, die RB Leipzig liefert. Mit dem Amerikaner Jesse Marsch wurde der Klub ebenso wenig glücklich wie Marsch mit dem Klub, der ihn engagiert hatte. Die Trennung Anfang Dezember war für beide Seiten die vernünftigste Lösung. Mit dem Nachfolger Domenico Tedesco herrscht nun hohe Zufriedenheit auf beiden Seiten: Beim Verein - und bei Tedesco. Die Quote von 2,2 Punkten pro Spiel dürfte auch die Statistik-Wissenschaftler aus Münster befriedigen. Wichtiger für die weitere Zusammenarbeit sind jedoch andere Aspekte.

Eloquente Spieler wie Angelino, Dani Olmo und Christopher Nkunku fühlen sich jetzt wieder besser aufgehoben

Tedesco hatte viele Angebote, als er im vorigen Sommer nach zwei Jahren bei Spartak Moskau nach Deutschland zurückkehrte. Vier Bundesligaklubs und ähnliche viele Vereine aus Italiens Serie A fragten an, Tedesco wartete jedoch ab, bis die passende Offerte kam - die von RB Leipzig. Seitdem erlebt ihn das Publikum anders, als es ihn aus der im ersten Jahr extrem erfolgreichen, im zweiten Jahr sehr erfolglosen Zeit bei Schalke 04 kannte: Weniger emotional, weniger ergriffen, weniger aufgeregt. Nicht wie ein Mann, der sich zur Ruhe nötigt, sondern wie ein Trainer, der gelernt hat, die nötige Ruhe zu bewahren.

In Leipzig hat Tedesco ein erstklassig besetztes Team vorgefunden, das sein Vorvorgänger Julian Nagelsmann auf hohem Niveau vorgebildet hat. Tedesco entwickelte aber schnell seine eigene variantenreiche Linie, die nicht nur ansehnlichen Fußball hervorgebracht hat, sondern ihn auch von dem Vorurteil entlastet, er könne nur mit den Mitteln der Defensive arbeiten. Auch die einst in Leipzig bevorzugte Hatz gegen den Ball ist nicht sein Stil, eloquente Spieler wie Angelino, Dani Olmo und Christopher Nkunku danken es ihm, sie fühlen sich jetzt wieder besser aufgehoben.

Dieser Trainerwechsel hat seinen Nutzen gebracht. Bis zum nächsten Austausch in Leipzig wird vermutlich noch einige Zeit vergehen. Und vielleicht wird RB dann für Tedesco wie für Vorvorgänger Nagelsmann eine gute Abfindung erhalten.

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