Fußball: Trainer-Tagung:Alte und neue Meister

Lesezeit: 3 Min.

Ein schwungvoller Austausch von Meinungen: Ein exklusiv besetzter Kongress diskutiert über Trends und Erkenntnisse der WM in Südafrika - und verleiht Bundestrainer Löw eine besondere, inoffizielle Auszeichnung.

Philipp Selldorf

Matthias Sammer hätte nichts dagegen gehabt, wenn er in der prominenten Gesprächsrunde gar nicht zu Wort gekommen wäre. "Ich will mein Vergnügen haben und einfach nur zuhören", sagte der Sportdirektor des DFB, "meinen Blödsinn kann ich ja dann im Fernsehen reden." Seinen Platz auf dem Podium hatte ihm der Kongressveranstalter, der Bund deutscher Fußballlehrer, zwischen zwei Ottos zugewiesen.

"Wer keine Liebe gibt, kann auch keine Liebe erwarten" - Otto Rehhagel wusste schon immer, wie es geht. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Rechter Hand der aus Köln stammende Afrika-Veteran Otto Pfister, 72, linker Hand Otto Rehhagel, 71, der Veteran in der deutschen Trainergilde. Beide hatten tatsächlich viel zu erzählen, was Sammer und den rund 900 Zuhörern in der Düsseldorfer Messe Vergnügen bereitete. Sobald Pfister nach seiner einführenden, etwa fünfminütigen Rede das erste Mal Luft holte, unterstellte Mit-Diskutant Jürgen Klopp eine gemeinsame Schulkarriere mit dem rheinischen Landsmann Reiner Calmund: "Ich mein ja nur: Reden ohne Punkt und Komma..."

Reden ohne Punkt und Komma

Die Debatte über Trends und Schwerpunkte der vor dreieinhalb Wochen beendeten WM verlor sich aber nicht im Austausch von Monologen der alten Meister, statt dessen ergab sich ein schwungvoller und stellenweise lustiger Austausch von Meinungen und ideologischen Standpunkten. Die fünf Fußballweisen - auch Schalkes Trainer Felix Magath gehörte der Runde an - ließen das Turnier in seinen wesentlichen Momenten aufleben.

Warum auch beim Turnier in Afrika der Weltmeister nicht aus Afrika kommen konnte, das wusste Pfister mit ein paar Verweisen auf das pädagogische Programm des Fußballlehrer-Kongresses zu erläutern. Er zitierte aus einem Referat über die Nachwuchsarbeit des DFB. "Leistungszentren. Stützpunktförderung. 650 Honorartrainer. Das gibt es in Afrika nicht. Wenn man dieses System blind übertragen könnte, dann käme der nächste Weltmeister aus Afrika."

Die realen Mängel bedeuten aus seiner Sicht, dass auch in den nächsten zwanzig Jahren kein afrikanisches Land den Titel gewinnen werde, und trotzdem sieht der Mann, der zuletzt bei der WM 2006 das Team aus Togo betreute, ein ungeheures Potential auf dem Kontinent. Allein 157 Spieler aus Kamerun verdingten sich in aller Welt als Profis, berichtete er, "und das ohne koordinierten Aufbau im Land". Andere zurzeit unlösbare Probleme des afrikanischen Fußballs sieht er in den politischen und gesellschaftlichen Strukturen begründet: "Wenn Nigeria einen Trainer verpflichtet, dann tritt der Staatspräsident im Fernsehen auf und sagt: Wir werden Weltmeister!" Wer als Trainer nach Kamerun, Griechenland oder Togo ginge, ergänzte Otto Rehhagel das Thema, "der muss wissen was er tut".

Deutsche Fußballer bei Real Madrid
:Wehende Mähnen in Weiß

Antonio Rüdiger feiert im Supercup gegen Frankfurt sein Pflichtspieldebüt für Real Madrid. Unter seinen deutschen Vorgängern bei den Madrilenen gibt es Allesgewinner, Frisurenkönige und Gescheiterte.

Jonas Beckenkamp

Auch er fand während seiner neun Jahre in Griechenland Eigenheiten vor, die er bereits aus dem Umgang mit eigensinnigen Klubpräsidenten kannte. Er wandte sich deshalb mit einem Ratschlag an die Zuhörer: "Die Kunst für den Trainer besteht darin, Präsidenten und Vorstandsleute mitzutrainieren - sie dürfen es aber nicht merken." Der Trainer, das bleibt Rehhagels wichtigster Glaubenssatz, ist das am wenigsten verstandene und am geringsten geachtete Wesen in der Fußballwelt: "100.000 sind im Stadion - und der einzige, der keine Ahnung hat, das ist der Trainer." Eine Ansicht, die Felix Magath teilt: "Wenn alles läuft, dann sagt man, es geht ohne Trainer. Wenn es nicht läuft, dann ist der Trainer schuld."

BVB-Trainer Jürgen Klopp ehrte Joachim Löw mit dem Titel "Trainer-Weltmeister". (Foto: Bongarts/Getty Images)

Joachim Löw, Deutschlands aktuell populärste Trainerfigur, bekam deswegen von den Kollegen nachträglich einen Titel verliehen. "Löw war der Trainer-Weltmeister, ganz klar", stellte Jürgen Klopp fest, "die deutsche Mannschaft war diejenige, der man am meisten eine Handschrift angesehen hat - und das mit einem Stil, den man ihr vorher überhaupt nicht zugetraut hatte."

Löw, der Trainer-Weltmeister

Der erfolgreiche Auftritt Spaniens bestätigte laut Klopp bloß die Erwartungen und war sozusagen ein Selbstläufer, "das war durch einen Trainer fast nicht zu verhindern". Bloß Spaniens Tor im Halbfinale gegen Deutschland hätte man verhindern müssen, fand Dortmunds versierter Trainer und nannte Marcel Jansen als Übeltäter: "Er hat gepennt. Er steht im Raum mit dem Rücken zu Puyol."

Sammer kam dann doch öfter zu Wort und vertrat exzentrische Ansichten, etwa dass nicht die Zauberer Xavi und Iniesta die prägenden spanischen Spieler waren, sondern zum Beispiel Puyol. Die Runde hat diese These höflich stehen lassen, ebenso wie Rehhagels Auffassung, "dass im Fußball nichts Neues passiert - das Spiel ist, was es immer war". Einig waren sich aber alle über den wertvollen Gehalt von Rehhagels Schlusswort: "Wer keine Liebe gibt, der kann keine Liebe erwarten."

© SZ vom 05.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: