Fußball: Trainer-Kompaktkurs:Meister gehen in die Lehre

Kahn, Lehmann, Effenberg, Bierhoff & Co.: Ehemalige Profis machen in der Sportschule Oberhaching freiwillig den Trainerschein. Und sogar Bernd Schneider denkt über eine Defensivtaktik nach.

Christof Kneer

Auf Jens Lehmann muss Bernd Stöber besonders aufpassen. Lehmann hat ja schon einmal einen Spickzettel benutzt, vor den Augen der Weltöffentlichkeit sogar. Pädagogisch bedenklich war, dass Lehmann später ausdrücklich belobigt wurde für den Einsatz des verbotenen Papiers, das inzwischen im Haus der Geschichte hängt.

Jahresrückblick Sport - Kahn gibt Lehmann die Hand

Gemeinsam bei der WM 2006, nun gemeinsam auf der Schulbank: Oliver Kahn und Jens Lehmann.

(Foto: dpa)

Stöber wird das Lehmann nicht durchgehen lassen. Er wird ihm keine Trainerlizenz ausstellen, sollte er ihn erwischen, wie er bei den Prüfungen Ende Mai abschreibt. Beim Kumpel Oliver Bierhoff. Bei Stefan Effenberg. Bei Thomas Strunz. Oder, was der Traum aller Sportreporter wäre: bei Oliver Kahn.

Lehmann und Kahn werden sich nicht begegnen am Dienstag, wenn Kahn als letzter Teilnehmer des Trainer-Kompaktkurses in der Sportschule Oberhaching bei München eintrifft. Lehmann ist noch verhindert, er muss beim FC Arsenal Bälle fangen. Er fehlt ebenso wie der gleichfalls angemeldete Bierhoff, aber beide haben brav ein zweitägiges Vorseminar absolviert.

Die übrigen ABC-Schützen - abzüglich des Nachzüglers Kahn - hatten bereits am Montag den ersten Schultag. Schultüten? Gab's keine. Die Schüler haben ja schon alles, Meisterschalen und Champions-League-Trophäen inklusive.

So einen Kurs hat es noch nie gegeben im deutschen Fußball. Den stets bespöttelten Trainer-Blitzkurs für verdiente Nationalspieler hat DFB-Sportdirektor Matthias Sammer nach der letzten Ausnahme für den Prüfling Lothar Matthäus abgeschafft, dafür hat er einen Kompromiss gefunden, dessen Ergebnis sich nun erstmals besichtigen lässt.

Das Ergebnis sieht so aus, dass in dieser Woche neben Kahn, Strunz und Effenberg auch Bernd Schneider, Lars Ricken, Michael Tarnat, Gerhard Poschner und Uwe Gospodarek ihre unbescheidenen Autos vor der bescheidenen Sportschule parken.

Das Handwerk steht hoch im Kurs

Bis Ende Mai werden sie in vier jeweils dreitägigen Kompaktseminaren die A- und B-Lizenz erwerben - die Voraussetzung, um sich für den offiziellen Trainer-Lehrgang anzumelden, für den es auch weiterhin keine Gnade gibt. Wer in der ersten, zweiten oder dritten Liga auf der Bank sitzen will, muss neun Monate auf die Sporthochschule nach Köln.

Am Montagmittag stand in Oberhaching "Abwehrverhalten" auf dem Lehrplan, die Helden mussten Defensivstrategien entwerfen, sogar Bernd Schneider. Am Dienstagmorgen werden sie ihre Entwürfe in der Praxis erproben, an U15- und U16-Fußballern des FC Bayern. "Vor der Gruppe stehen und etwas vermitteln, ist auch für Nationalspieler eine neue Erfahrung", sagt Lehrwart Stöber.

Es weiß ja keiner besser als der Kurs-Erfinder Sammer, "dass ein guter Spieler nicht automatisch ein guter Trainer ist". Sammer hat das selbst erlebt, er hat Dortmund einst als Trainer-Laie zur Meisterschaft geführt, aber es war der Bauch, der das geschafft hat, weniger der Kopf. "Aus heutiger Sicht weiß ich, dass ich fachlich große Defizite hatte", sagt er.

Es ist wohl das Verdienst von Trainern wie Rangnick, Tuchel, Dutt oder Slomka, dass sich Meisterspieler jetzt freiwillig zum Lehrling machen. Diese Trainer haben den Trend vorgegeben: Zurzeit ist es auf dem Markt kein Vorteil, wenn man bei einer WM mal den Stinkefinger gezeigt hat oder im WM-Finale zum weißen Brasilianer gekürt wurde. "Das Handwerk steht hoch im Kurs", sagt Sammer. Die alten Helden wissen das, weshalb sich auch Bierhoff oder Kahn weiterbilden, die gar nicht Trainer werden wollen.

Ein paar Schüler aus dem Klassenzimmer von Oberhaching wird man aber beim regulären Trainer-Lehrgang wiedersehen, der am 6. Juni beginnt. Effenberg wird da sein, auch Lehmann und Schneider, und in Köln werden sie ein paar ehemalige Mitspieler treffen, welche die A- und B-Lizenz bereits besitzen. Das Niveau bei den praktischen Übungen wird hoch sein, vor allem beim Defensivverhalten. Angemeldet ist auch Christian Wörns.

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