Miroslav Klose in Österreich:Lieber Altach als Assi

Lesezeit: 3 min

Die Zeit des Ballnetz-Schleppens ist vorüber: Miroslav Klose 2020 als Co-Trainer beim FC Bayern. (Foto: Eduard Martin/Jan Huebner/Imago)

Miroslav Klose, Weltmeister und WM-Rekordtorschütze, tritt seine erste Stelle als Cheftrainer an - bei einem Hinterbänkler der österreichischen Liga. Was auf den ersten Blick skurril wirkt, folgt einem einfachen Plan.

Von Philipp Selldorf, München

Borussia Dortmund, FC Valencia, der Bayern-Bezwinger FC Villarreal - prominente Klubs werden sich demnächst in der sogenannten Cashpoint-Arena einfinden, dem neuen Arbeitsplatz von Miroslav Klose. Der 44 Jahre alte ehemalige Nationalspieler, WM-Rekordtorschütze und Weltmeister übernimmt zur neuen Saison das Team des österreichischen Bundesligisten Sportclub Rheindorf Altach, kurz SCRA, und selbstverständlich liefen die ersten überraschten Kommentare in der örtlichen und überregionalen Presse auf das übliche zwiespältige Motiv hinaus: Ein Weltstar beglückt die Provinz - aber beglückt die Provinz auch den Weltstar?

Der Besuch des BVB und der spanischen Erstdivisionäre wird an dem reflexartig unterstellten Verlangen nach Fußball-Glamour nichts ändern. Die drei Klubs haben sich in der knapp 7000 Einwohner zählenden Gemeinde Altach in Vorarlberg lediglich zu Testspielzwecken verabredet, dennoch könnte Klose aus der Visite interessante Eindrücke mitnehmen. Auch der FC Valencia hat gerade einen Trainer engagiert, der einmal als Altstar begonnen hat: Gennaro Gattuso, 44, tritt in Spanien bereits seine achte Stelle als Coach an. Zum Ende seiner Karriere als aktiver Profi hatte der famose Italiener, auch er ein Weltmeister bis ans Ende aller Tage, beim schweizerischen FC Sion als Spielertrainer die zweite Laufbahn begonnen. Zügig folgten darauf Engagements beim Zweitligisten US Palermo, bei OFI Kreta in Griechenland und AC Pisa, erst später landete er bei den größeren Namen, beim AC Mailand und dem SSC Neapel. Anders ausgedrückt: Ein langer Weg durch die Weiten der Fußballwelt, den Klose ausdrücklich niemals nehmen wollte.

WM-Rekordtorschütze
:Miroslav Klose wird Trainer in Österreich

Der Weltmeister von 2014 übernimmt den Bundesligisten SCR Altach aus Vorarlberg. Es ist der erste Cheftrainerposten des ehemaligen Bayern Co-Trainers.

Mit dem SCR Altach wird Klose in der kommenden Saison nicht um den Meistertitel spielen, der Klub wäre unter der Aufsicht des Schweizers Ludovic Magnin beinahe abgestiegen, erst am letzten Spieltag gelang die Rettung, die das heimische Publikum mit einem vergleichsweise liebenswürdigen Platzsturm feierte. Doch in dem sportlich bescheidenen Umfeld des Vereins, der durchschnittlich 4130 Besucher empfängt, hat sich Klose beim Kennenlernen auf Anhieb wohlgefühlt. Die ersten Gespräche seien "so offen" gewesen, "dass mir klar war: Das will ich machen!" Weitere Einzelheiten will er am Montag bei seiner Präsentation verraten, bis dahin wollte er öffentlich nicht Stellung nehmen.

Hansi Flick hätte Klose gerne vom FC Bayern mit zum DFB genommen - aber Klose sagte ab

Wäre Klose tatsächlich darauf fixiert, nah am großen Fußball zu arbeiten, wäre er jetzt Mitglied im Trainerstab der Nationalmannschaft. Nach der gemeinsamen Zeit beim FC Bayern hatte ihn Hansi Flick im vorigen Sommer mit zum DFB nehmen wollen. Doch Klose sagte ab. Erstens musste er eine Verletzung auskurieren (wegen zweier Thrombosen hatten ihm die Ärzte jeglichen Sport verboten); zweitens hatte er entschieden, dass er nicht länger als Assistent arbeiten wollte. Mit Flick verstand er sich zwar bestens, aber er müsse jetzt anfangen, sich selbständig zu machen, erklärte Klose: "Co-Trainer wäre der bequemere Weg, und den will ich nicht gehen."

Der Wille, den Beruf systematisch zu erlernen, prägt Kloses Arbeitsleben. Während der Lehrzeiten bei der SG Blaubach-Diedelkopf (Bezirksliga Westpfalz) und den Verbands- und Regionalligateams des FC Homburg bestritt er seinen Aufstieg in die Bundesliga in gleichmäßigem Stufengang. Nach dem Erwerb der Trainerlizenzen unternahm er erste Schritte beim DFB, bevor er beim FC Bayern die B-Junioren übernahm. Den angebotenen Sprung zu den A-Junioren lehnte er ab - er fand, das käme zu früh. 2020 landete er in Hansi Flicks Begleitmannschaft. Nun folgt der erste Job als Kommandeur der Kabine, als Erster unter den 2014er-Weltmeistern.

Im besagten großen Fußball hat es zuletzt einige abschreckende Beispiele von berühmten Kollegen gegeben, die gleich ganz oben einsteigen wollten. Andrea Pirlo, 43, begann zwar angemessen moderat bei der U 23 von Juventus Turin, doch schon nach einer Woche ließ er sich zum Chefcoach der Profis ausrufen, weitere zehn Monate später kam die Beurlaubung. Nun steigt er bei Fatih Karagümrük in der Türkei ein, was ihn wahrscheinlich selbst irritiert. Auch Frank Lampard, 44, musste erfahren, dass sein Rang als Vereinslegende nicht genügte, um ohne fundierte Berufserfahrung das Team des FC Chelsea zu leiten. Anderthalb Jahre hielt er durch.

Klose wird vermutlich noch nicht allzu viel wissen über die Spieler, die er bald unterrichten wird. Der hierzulande bekannteste Name in Altachs Kader ist der eines ehemaligen Münchner Bayern: Ob Gianluca Gaudino, 25, im Klub bleibt, ist aber fraglich, bisher war er als Leihgabe des SV Sandhausen beschäftigt. Aber für den Weltmeister dürfte erst mal wichtig sein, dass er in der Kabine keinen Übersetzer hinzuzuziehen braucht. Er habe sofort den Eindruck gehabt, "hier richtig zu sein - genau das positive Gefühl, das ich haben muss", ließ sich Klose zitieren. Kein Satz, den man nicht schon mal gehört hätte in PR-Mitteilungen - in seinem Fall aber ein Bekenntnis, das man glauben darf.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFC Bayern und Sadio Mané
:Der 35-Millionen-Pfundskerl

Beim FC Liverpool trauern sie Stürmer Sadio Mané hinterher. Beim FC Bayern müssen sie nun überlegen, was die Ankunft des neuen Angreifers für Robert Lewandowski und Serge Gnabry bedeutet.

Von Javier Cáceres und Christof Kneer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: