Fußball: Thomas Hitzlsperger:An Pech gewöhnt

Lesezeit: 3 min

Der falsche Trainer, der falsche Klub, eine Verletzung zur falschen Zeit: Nach dem Abstieg mit West Ham muss Thomas Hitzlsperger seine Karriere neu ordnen.

Christof Kneer

Thomas Hitzlsperger hat sich für seine Ferien ein exklusives Reiseziel ausgesucht. Er fliegt nach Stuttgart. Es ist nur ein Flug, man muss da nichts hineinpsychologisieren, Hitzlsperger ist nicht das Opfer, das es an den Tatort zurücktreibt. Er fliegt an diesem Mittwoch einfach nur heim nach Deutschland, Familie und Freunde besuchen, gelegentlich wird er mal auf sein Mobiltelefon schauen.

Abgestiegen: Thomas Hitzlsperger und sein Verein West Ham United. (Foto: AFP)

Könnte sein, dass sein Berater anruft oder der Chairman von West Ham United oder der Besitzer der Queens Park Rangers. Aber der Mann mit dem Kriegsnamen The Hammer ist ein empfindsamer Bursche, er wird schon nochmal sentimental werden, wenn er Stuttgarter Boden betritt. Hier wurde er deutscher Meister. Hier wurde er zum Spieler, den Deutschland braucht. Hier begann sein Abstieg.

Bis zum Januar 2010 hat Hitzlsperger, 29, genau die Karriere gemacht, die er machen wollte. Er mag keine Durchbrüche, er ist immer skeptisch, wenn etwas zu schnell geht. Hitzlsperger ist kein Özil, er hat sich hochgelernt. Das korrekte Verhalten im Defensivzweikampf, Entzündungsparameter, Kohlehydratspeicher - Hitzlsperger kennt sich aus. Er ist der Max Mustermann unter den Profis. Er hat seine Karriere im Griff.

Vergangenen Sonntag ist Max Mustermann mit West Ham United aus der Premier League abgestiegen. Wo er in der nächsten Saison spielt? Thomas Hitzl-sperger, der Meister von 2007, der Mann, den Deutschland brauchte, weiß es nicht.

"Die letzten anderthalb Jahre sind nicht gerade rund gelaufen", sagt er. Er sagt das mit einer eisernen Zuversicht, die er sich antrainiert hat wie das korrekte Verhalten im Defensivzweikampf. Er war Kapitän in Stuttgart, hat die Rolle mit bewundernswertem Pflichtbewusstsein ausgefüllt, aber dann: kam eine Verletzung. Kam der neue Trainer Christian Gross. Gewann die Elf plötzlich ohne ihn, den Kapitän. Im Winter 2009/10 hat ihm Gross dann eröffnet, dass er nicht mehr mit ihm plane, "zumindest nicht in dem Umfang, in dem ich es wollte".

In diesem Moment ist Hitzlsperger, diesem hoch seriösen Karriereplaner, seine Karriere entglitten. Er geriet unter Druck, "ich brauchte einen Klub, bei dem ich regelmäßig spielte, ich wollte ja zur WM". Er landete überfallartig bei Lazio Rom, einem der ungemütlicheren Orte in der ungemütlichen Serie A, kaum war Hitzlsperger da, ging der Trainer, der ihn gewollt hatte.

Und dessen Nachfolger sah keinen Grund, warum er mit mit dem Neuen aus Deutschland reden sollte. "Die Attraktivität dieser Liga ist nicht mehr so hoch, wie sie früher mal war, die Atmosphäre in den Stadien ist manchmal feindselig", sagt Hitzlsperger, "ich habe gelernt, dass ich in Italien nicht noch mal spielen möchte."

Fußball in Europa
:Krakauer Würste für die Steirer Buam

Werden deutsche Trainer Meister in Österreich und der Schweiz? Warum holt in Dänemark ein Team mit 26 Punkten Vorsprung den Titel? Und wer droht dem FC Bayern in der Qualifikationsrunde zur Champions League? Ein Streifzug durch Europas Ligen.

Christof Kneer und Moritz Kielbassa

Von außen betrachtet wirken die vergangenen anderthalb Jahre, als habe das Schicksal diesem strebsamen Profi eine neue Lektion in den Stundenplan geschrieben: Thomas Hitzlsperger hat jetzt auch gelernt, wie Pech geht. "Natürlich versuche ich, in meinen Planungen immer klar zu sein, aber ich habe mir nie eingebildet, dass mir sowas nicht passieren kann", sagt er.

Fußball in Europa
:Krakauer Würste für die Steirer Buam

Werden deutsche Trainer Meister in Österreich und der Schweiz? Warum holt in Dänemark ein Team mit 26 Punkten Vorsprung den Titel? Und wer droht dem FC Bayern in der Qualifikationsrunde zur Champions League? Ein Streifzug durch Europas Ligen.

Christof Kneer und Moritz Kielbassa

Er hat nur sechs Spiele bestritten für Lazio, er hat die WM mangels Spielpraxis versäumt, er hat mit angesehen, wie sein ehemaliger Stuttgarter Azubi Sami Khedira auf seiner, auf Hitzlspergers Position, bis zu Real Madrid durchrauschte. Die deutsche Elf präsentierte in Südafrika Spieler mit Wurzeln aus Tunesien, der Türkei oder Ghana, Thomas Hitzlsperger saß in Forstinning und schaute fern.

Nach der WM hat ihn Joachim Löw wieder eingeladen, es sollte ein Zeichen sein, er gab seinem Mustermann im Test gegen Dänemark die Kapitänsbinde. In der 66. Minute riss eine Sehne im Hüftbeuger. Hitzlsperger, gerade mit frischem Mut bei West Ham gestartet, fiel ein halbes Jahr aus.

"Ich habe versucht, mich von all dem nie runterziehen zu lassen", sagt er.

Thomas Hitzlsperger ist nun wieder auf dem Markt, und die interessanteste Frage lautet: als was? Ist er ein preisgünstiges Luxusobjekt, ein ablösefreier Nationalspieler, den man sich schnell sichern sollte? Oder ist er ein Spieler, der zu lange weg war, um ihm zu vertrauen? "Um mich muss sich keiner Sorgen machen", sagt er.

Er tickt nicht so wie der einstige VfB-Kollege Alex Hleb, der mit Birmingham ebenfalls abgestiegen ist und gerade ein großflächiges Interview gab, das sich wie ein Stellengesuch las - suche: Bundesligist, biete: mich. Hitzlsperger ist da vornehmer, er geht davon aus, dass England seine letzten Spiele verfolgt hat.

Sein Spiel sah zuletzt ja wieder aus wie das von Thomas Hitzlsperger, er war fit und schussstark, hat scharfe, präzise Steilpässe gespielt, Tore vorbereitet. Er möchte am liebsten in England, am allerliebsten in London bleiben, "auch West Ham ist ein spannendes Projekt, die wollen wieder aufsteigen, das ist ein Superklub". Letzteres gilt aber auch für den Ortsnachbarn Queens Park Rangers, mit dem Unterschied, dass der schon aufgestiegen ist. Und auch Tottenham liegt in London.

Ein schöner Vertrag bei einem Londoner Erstligisten, das wär's, aber Hitzlsperger möchte nichts ausschließen. Er hat gelernt, dass er nichts überstürzen darf, er sucht jetzt in Ruhe einen guten Verein. Und wenn er sein altes Niveau wieder finde, sagt Hitzlsperger, "dann weiß der Bundestrainer sicher, wie er mich erreichen kann".

© SZ vom 25.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: