Ein Jahr und sechs Monate ist es nun her, seit in Deutschland ein Fußballstadion bis zum letzten Platz gefüllt war. Die Champions-League-Partie zwischen Leipzig und Tottenham sahen am 10. März 2020 genau 42 146 Zuschauer, was schon damals nicht unumstritten war. Was seitdem kam, weiß man ja nun ziemlich genau. Lockdown. Geisterspiele. Aktuell sind Zuschauer begrenzt zugelassen.
Nun haben die Bundesländer Bremen und Hamburg ihren Klubs die Möglichkeit gegeben, diese Zeit zu beenden. Der HSV hatte am vergangenen Wochenende schon theoretisch die Option, gegen den 1. FC Nürnberg das Volksparkstadion zu füllen, verzichtete aber wegen der Kurzfristigkeit auf eine Umsetzung. Nun ist die Partie des SV Werder gegen den 1. FC Heidenheim am Freitag das nächste Spiel, bei dem eine Vollauslastung wieder möglich ist, auch der FC St. Pauli könnte am Sonntag gegen Dresden theoretisch das Millerntor-Stadion komplett befüllen. Bedingung ist allerdings: Es muss das 2G-Prinzip gelten. Also nur gegen Corona Geimpfte oder von Corona Genesene dürfen hinein. Ein Test reicht dann nicht mehr aus.
Das wirft zwei Fragen auf. Erstens: Ist so ein komplett volles Stadion ohne Abstand und Maske zu verantworten, in Zeiten, in denen Experten wie der Virologe Christian Drosten vor einer neuerlichen Ausbreitung der Infektionen im Herbst warnen? Und zweitens: Sollten Vereine auf 2G umstellen und damit einen Teil ihrer Anhänger ausschließen?
Das Problem lauere nicht im Stadion - sondern bei der Anreise, warnt SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach
Die erste Frage kann man mit einem vorsichtigen "Ja" beantworten. Zwar ist es laut Robert-Koch-Institut auch als Geimpfter oder Genesener theoretisch möglich, sich das Virus einzufangen und weiterzutragen - in einem 2G-Stadion würden diesem Risiko aber nur andere Geimpfte und Genese ausgesetzt (im Gegensatz zum Supermarkt), was das Risiko eines Super-Spreading-Events eigentlich ausschließt. Das Risiko, am Ende einer Kausalkette wegen des Besuchs eines Fußballspiels einen schweren Coronaverlauf zu haben, würde auf ein sehr geringes Maß reduziert. Kritisch findet das aber SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach - er sieht in der Anreise zum Stadion ein Problem.
Die zweite Frage muss jeder Verein für sich beantworten, und dabei würden einheitliche Regeln in ganz Deutschland helfen - aber das ist wohl auch nach 18 Monaten Pandemie immer noch Wunschvorstellung. Während in Hamburg die 2G-Regel recht strikt interpretiert wird, dürfen in Bremen auch Menschen ins Stadion, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. In Nordrhein-Westfalen dürfen per 3G-Regel die Sitzplätze vollständig und die Stehplätze zur Hälfte ausgelastet werden. Klubs wie Köln oder der BVB sind da sogar strenger als die Landesregierung und wenden eigenständig 2G an.
Denn seit Saisonbeginn hat sich in der ganzen Pandemielage ein wesentlicher Faktor geändert: Dass die Möglichkeit eines vollständigen Impfschutzes bis Mitte Oktober gegeben war. Wer die Freiheit in Anspruch nimmt, sich nicht impfen zu lassen, wird nun möglicherweise mit der Freiheit der Fußballklubs konfrontiert, darauf im Zweifel keine Rücksicht mehr nehmen zu wollen. Aber dieser Konflikt wird Deutschland im Herbst vermutlich auch außerhalb der Stadien begleiten.