Spielerberater:Bei zehn Prozent ist Schluss - oder nicht?

Spielerberater: Die Fifa-Zentrale in Zürich.

Die Fifa-Zentrale in Zürich.

(Foto: Steffen Schmidt/dpa)

Weil Spielerberater der Fußballbranche Millionen entziehen, will die Fifa eine Reform: mit Lizenzpflicht und einem Deckel für Provisionen. Doch es wachsen Zweifel, ob das juristisch haltbar ist.

Von Johannes Aumüller

So ein Leben als Spielerberater kann bisweilen knifflig sein. Vorige Woche etwa war ein neuer Test angesetzt: 20 Multiple-Choice-Fragen zu Transferregeln und Zivilrecht, Bedenkzeit 60 bis 90 Minuten. Das war die neue Lizenzprüfung, die sich der Fußball-Weltverband für diejenigen ausgedacht hat, die künftig als Spielerberater tätig sein wollen. 6586 Anmeldungen habe es weltweit gegeben, teilte die Fifa mit, darunter 145 aus Deutschland.

Für die Welt der Spielerberater könnte das Jahr 2023 ein einschneidendes werden, der 20-Fragen-Test ist da noch die geringste Sache. Die Fifa hat ein neues Reglement erarbeitet. Im Januar trat es provisorisch in Kraft, von Oktober an soll es vollständig gelten. Doch nun mehren sich die Zweifel, dass das Reglement juristisch haltbar ist.

Das Wirken der Spielervermittler erhitzt und spaltet nun schon seit Jahren die Branche - nicht zuletzt, weil es um viel Geld geht. Rund 600 Millionen Euro flossen laut Fifa zuletzt weltweit pro Jahr für die Berater, und das nur für die internationalen Transfers; für alle nationalen kommt eine wohl ebenfalls mittlere dreistellige Millionensumme hinzu. Zentrales Element der Fifa-Reform sind nun eine Lizenzpflicht für Berater und vor allem: eine Obergrenze bei den Provisionen. Diese soll in der Regel bei maximal drei Prozent des Spielergehalts liegen - oder bei zehn Prozent der Transfersumme.

Geht's um den Elfmeter, ist das Fifa-Sache - bei wirtschaftlichen Aktivitäten ist es anders

Entsprechend ist die Beraterzunft gerade in Aufruhr, viele teils widersprüchliche Interessen sind im Spiel. "Mich stört unter anderem, dass die Fifa ohne demokratische Legitimation eine ganze Branche in ihrer Berufsausübung erheblich einschränken will und sich dabei zum globalen Gesetzgeber aufschwingt. Woher nimmt sie die Rechtfertigung für diese Allmachtsphantasie?" sagt Philipp Wehler, Geschäftsführer der Vereinigung deutscher Spielervermittler (DFVV). Andere Berater begrüßen es grundsätzlich, wenn es verbindlichere Regeln gibt, stören sich aber an den konkreten Ausarbeitungen. Und diverse Akteure wollen sich nicht damit abfinden, dass in einem freien Markt einfach jemand die Preise diktiert, sondern gehen juristisch dagegen vor.

Ihr Hebel ist das Kartellrecht. Sport und Kartellrecht bilden grundsätzliches ein interessantes Paar. Denn Sportverbände nutzen in vielen Fragen ihre marktbeherrschende Stellung aus, um bestimmte Regeln aufzustellen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte das in einem berühmten Urteil ("Meca Medina") auch für angemessen - wenn sich die Regeln eng aufs sportliche Geschehen beziehen. Wenn die Fifa beschließt, dass ein Elfmeter überall auf der Welt aus elf Metern auszuführen ist, ist das kartellrechtlich okay. Aber diese Freiheit endet, wenn vor allem wirtschaftliche Aktivitäten berührt werden. Und nun ist die zentrale Frage, wie die Gerichte das Wirken der Spielerberater eingruppieren.

In diversen europäischen Ländern laufen juristische Vorgänge dazu, unter anderem in der Schweiz. Auch an mindestens drei deutschen Gerichten ist eine Klage anhängig: in Mainz, Dortmund und Frankfurt. Das erste deutsche Gericht, das nach Einführung des neuen Reglements einen Beschluss zum Thema fasste, war das Landgericht Mainz. Dort klagt der einflussreiche Spielerberater Roger Wittmann, der unter anderem Julian Draxler vertritt. Die Kammer verwies die Sache an den EuGH. Einerseits verschafft das der Fifa Zeit, andererseits ergibt sich aus dem Beschluss der Mainzer Richter nach SZ-Informationen eine eindeutige Tendenz, die dem Weltverband nicht gefallen kann.

Wie aus dem Beschluss hervorgeht, versucht die Fifa, das Thema so darzustellen, dass die Tätigkeit von Spielervermittlern in direkter Verbindung zum sportlichen Wettbewerb stehe. Doch das LG Mainz kann dieser Argumentation nur wenig abgewinnen. Nach seiner Auffassung "dürfte eher davon auszugehen sein, dass die Tätigkeit der Spielervermittlung eine wirtschaftliche Tätigkeit" darstellt, heißt es in dem Beschluss. Und wenn die Fifa durchdekliniert, warum fürs Berater-Reglement eine Ausnahme nach dem Meca-Medina-Ansatz gelten solle, widerspricht die Kammer fast allen Argumenten. Man kann sich gut vorstellen, dass das Landgericht Frankfurt - wo ebenfalls ein Spielerberater klagt, sich das Verfahren aber gerade wegen einer personellen Umbesetzung des Gerichts verzögert - das ähnlich sieht und sich ebenfalls an den EuGH wendet.

Der Beratermarkt ist im Umbruch - die Folge: Viele kleinere Akteure könnten dabei verschwinden

"Soweit die Fifa den Markt für Spielervermittlerleistungen regelt, ist sie eine Unternehmensvereinigung der Klubs, die diese Leistungen nachfragen. Wenn dabei Preise festgelegt werden, ist das nichts anderes als ein verbotenes Einkaufskartell", findet Wittmanns Anwalt Alexander Fritzsche. "Das hat mit sportlichen Regeln nichts zu tun, sondern betrifft allein den wirtschaftlichen Wettbewerb. Ein Industrieverband darf auch nicht beschließen, wie viel seine Mitglieder für Vermittlungsleistungen von Headhuntern bezahlen dürfen."

Inhaltlich passt die Haltung des Mainzer Landgerichts auch zu einem anderen juristischen Vorgang. Mit dem Thema Spielerberater befasst sich derzeit auch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Dort ist eine andere Klage von Wittmann gelandet, die sich noch gegen das alte Reglement richtet. Das Urteil fällt zwar erst am 13. Juni, doch in der Verhandlung ließ der Senat durchblicken, dass er in einem zentralen Punkt dem Vortrag der Berater folgt. Es geht um die Frage, dass laut Statuten die Berater nicht mehr profitieren dürfen, wenn ein von ihnen transferierter Spieler vom neuen Klub bald danach weiterverkauft wird. Es leuchte nicht ein, so der Senat, warum den Vermittlern eine Partizipation am Weiterverkauf untersagt sei, während die Vereine dies doch standardmäßig so praktizierten. Wenn der BGH schon solche Preiseingriffe beim Weiterverkauf moniert, wie sieht er dann wohl einen generellen Preisdeckel?

Der BGH urteilt noch zum alten Reglement, der EuGH wird seine Zeit brauchen, aber doch ergeht wohl schon bald ein Urteil zu den neuen Statuten. Denn vor dem Landgericht Dortmund läuft noch ein weiteres Verfahren - und zwar ein sogenanntes Eilverfahren, das heißt, es ist ein baldiger Entscheid geboten. Dort klagt der Spielerberater Michael Frank, früher Jugendtrainer und bis vor kurzem Teil der Beraterfirma von Manuel Neuer. Anfang Mai ist die Verhandlung. Franks Anwalt will sich nicht äußern. Die Fifa erklärt generell, sie äußere sich nicht zu einzelnen juristischen Verfahren; sie verteidigt nur allgemein die Reform, die darauf abziele, "die professionellen und ethischen Standards zu erhöhen und exzessive und spekulative Praktiken zu vermeiden".

In dem juristischen Dickicht verbirgt sich aber noch eine sportpolitische Note. Denn die Fifa hat die neuen Statuten zwar beschlossen - aber für die nationale Ebene können die Mitgliedsverbände ein Reglement verabschieden, das sich vom Text des Weltverbandes unterscheiden kann. Der Deutsche Fußball-Bund hat noch keines erstellt, und so mancher Spielerberater in Deutschland hofft, dass es zu Modifikationen kommt.

Der DFB verneint die Frage, ob es denkbar sei, dass er von den Provisions-Obergrenzen der Fifa abweichen wird, auf Anfrage nicht. Inwiefern Abweichungen "im nationalen Reglement geboten und zulässig sind", sei Teil der Prüfung, die gerade laufe, um einen Entwurf "unter Berücksichtigung aller rechtlichen und tatsächlichen Aspekte" zu erarbeiten, teilt der Verband mit. Die Fifa hingegen hält auf SZ-Anfrage fest, dass die Mitgliedsverbände "strengere" Regeln aufstellen könnten; der DFB könne, so der Weltverband, demnach bei den Provisionen nur Obergrenzen festlegen, die unter denen der Fifa liegen.

Sollten die Fifa-Regeln insgesamt durchgehen, könnte dies die Spielerberaterbranche kräftig verändern. Eine grundsätzliche Sorge ist, dass sie vor allem Auswirkungen auf kleinere und mittlere Unternehmen haben dürfte. Auf dem Spielerberatermarkt findet seit geraumer Zeit ohnehin eine erkennbare Neuordnung statt, bei der einige große Akteure sich viele kleinere einverleiben. "Die Folge des jetzigen Reglements wird sein, dass viele Berater aus dem Markt gedrängt werden", sagt der DFVV-Jurist Wehler.

Die nächste 20-Fragen-Prüfung ist im September. Wenn es nach der Fifa geht, muss spätestens dann jeder, der künftig noch Vermittler sein will, bestanden haben. Aber es ist die Frage, ob es bei diesem Thema noch lange nach dem Willen der Fifa geht.

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