Eklat im Frauenfußball:Der nächste skandalöse Fall

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Barcelonas Abwehrspielerin Mapi León. (Foto: Kenzo Tribouillard/AFP)

In der „Kuss-Affäre“ wird gegen den ehemaligen Verbandschef Rubiales verhandelt, da erschüttert ein neuer Vorfall den spanischen Frauenfußball: Barcelonas Mapi León soll ihrer Gegnerin in den Schritt gefasst haben.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es bietet sich an, wieder einmal daran zu erinnern, dass sich Geschichte, dem Philosophen Karl Marx zufolge, zweimal zuträgt: einmal als Tragödie, einmal als Farce. In Spanien ist davon gerade die Rede, nur die Reihenfolge ist strittig. Das Ereignis, das in aller Munde ist, weist jedenfalls frappierende Parallelen zu einem verstörenden Geschehnis aus dem fernen Jahr 1991 auf. Weil es wieder um ein – im weitesten Sinn – Gerangel vor einer Standardsituation geht, auch deshalb, weil damals Vertreter von spanischen und kolumbianischen Auswahlteams beteiligt waren – und es diesmal wieder sind. Damals ging es um den Spanier Míchel und den Kolumbianer Carlos Valderrama, am Sonntag um Maria „Mapi“ León vom FC Barcelona und um Valderramas Landsfrau Daniela Caracas von RCD Espanyol.

Was sich zutrug? Nun: León griff Caracas am Sonntag beim Derby augenscheinlich in den Schritt. Auf ähnliche Art, wie es seinerzeit Míchel bei Valderrama tat. Und mit dem Unterschied, dass León das für Millionen TV-Zuschauer Offensichtliche vehement abstreitet.

Sie habe „die Intimsphäre meiner Kollegin zu keinem Zeitpunkt verletzt“, beteuert León

Sie habe Caracas nicht an oder in den Schritt gegriffen, sondern „ans Bein“, beteuerte León in einer Mitteilung, die am Montagabend vom FC Barcelona verbreitet wurde. Die 29-Jährige dementierte auch, was von ihren Lippen recht gut abzulesen war: dass sie Caracas fragt, ob sie etwa „einen Schwengel“ habe. León habe Caracas lediglich gefragt, was mit ihr los sei. Und überhaupt: „Ich habe die Intimsphäre meiner Kollegin zu keinem Zeitpunkt verletzt oder verletzen wollen.“ Espanyols Sportdirektorin Dolors Ribalta erklärte dem Rundfunksender Cadena SER zwar, dass Caracas nach dem Spiel nicht über Grobheiten von León gesprochen habe. Die 27-Jährige sei ob der unsittlichen Berührung aber schwer „unter Schock“ gewesen. Und habe auf die Provokation nicht sofort reagiert, um keine Strafe zu riskieren.

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León stellte in ihrem Kommuniqué in den Raum, dass der Versuch unternommen werde, sie „in dieser Woche“ gezielt zu diskreditieren. Das war eine gar nicht mal so kryptische Anspielung darauf, dass sie in der sogenannten Kuss-Affäre um den früheren spanischen Verbandschef Luis Rubiales und die Weltmeisterin Jenni Hermoso  eine bedeutende Nebenrolle spielte – und vor gut einer Woche der Strafprozess gegen Rubiales wegen mutmaßlicher sexueller Gewalt begonnen hat.

León ist diejenige aus der Gruppe von ursprünglich „15 Rebellinnen“, die im Jahr vor dem WM-Titel 2023 aus Spaniens Nationalteam zurückgetreten war und bislang nicht zurückgekehrt ist. Nach dem Ausbruch der Krise um den Kuss, den Rubiales nach dem WM-Finale Hermoso aufdrückte, war León unter den Spielerinnen, die sich in der Beschwerde über Missstände im spanischen Verband bestätigt sahen und Rubiales’ Kopf forderten. „Die Bilder sprechen für sich. Es ist inakzeptabel. Für die Frauen“, schrieb Mapi León seinerzeit in einem Sozialnetzwerk.

Ex-Verbandschef Rubiales sagt in seinem Prozess, das Küssen von Weltmeisterin Hermoso sei „ein Fehltritt“ gewesen

Rubiales wiederum wurde am Dienstag, dem sechsten Tag des Prozesses, in Madrid in den Zeugenstand gerufen. Er versicherte neuerlich, dass der Kuss, den er Hermoso auf dem WM-Siegerpodest aufzwang, „einvernehmlich“ und Ausdruck von Freude und Zuneigung gewesen sei. Ein von Rubiales in den Zeugenstand gerufener gehörloser Lippenleser versicherte seinerseits auf Grundlage eines Videos, Rubiales habe Hermoso auf dem Podium „eindeutig“ gefragt, ob er ihr einen Kuss geben dürfe. Rubiales zeigte Reue: „Ich habe mich geirrt. Es war ein Fehltritt. Ich hätte ruhig Blut bewahren sollen.“ Er habe keinerlei sexuelle Absichten gehabt. Die Staatsanwaltschaft fordert insgesamt zweieinhalb Jahre Haft für Rubiales.

Während als sicher gilt, dass sich ein Sportgericht der Causa León/Caracas annehmen wird, ist offen, ob der Fall ebenfalls vor einem Strafgericht landet. León hat angekündigt, sich gegen Unterstellungen zur Wehr setzen zu wollen, Espanyol Barcelona hat Caracas jede Hilfe zugesagt, auch juristische. Damit würden die Parallelen zur Vergangenheit wohl endgültig begraben werden. 1991 wurde Míchel vom spanischen Verband wegen eines Vergehens „gegen den Anstand“ zu einer Geldstrafe verurteilt. Das hielt Míchel und Valderrama nicht davon ab, später noch in Freundschaft zueinanderzufinden – und mit den Bildern von Míchels Griff in den Schritt Valderramas für Hodenkrebs-Vorsorge zu werben.

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