Internationaler Fußball:Ultras rätseln über Verrat und Intrigen

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"Eure Fahne ist jetzt jetzt unsere Fahne": Die Fans der AS Roma am 4. Februar beim Spiel gegen Empoli - anschließend kam es zum Bannerklau. (Foto: Fabrizio Corradetti/Zuma/Imago)

In Belgrad geht eine geklaute Fahne der römischen Ultragruppe "Fedayn" in Flammen auf, serbische und italienische Fans prügeln sich. Halb Rom ist in Aufruhr.

Von Oliver Meiler, Rom

Es gibt Geschichten, die leben zunächst einmal von einer Prämisse, gewissermaßen von einem Disclaimer. In dieser Geschichte aus der bizarren Welt italienischer und serbischer Fußball-Ultras bedienen sich die Protagonisten der Kriegssprache, aber die wirkt in wahrhaft kriegerischen Zeiten wie diesen noch deplatzierter als sonst: Von Kriegstrophäen, Kriegsbeuten und Kriegserklärungen ist da die Rede, von Standarten und militärischen Aktionen.

Ihren vorläufigen Höhepunkt erlebte diese Geschichte am Samstag im Belgrader Fußballstadion Rajko Mitic, während des serbischen Liga-Spitzenspiels Roter Stern Belgrad gegen Cukaricki. Da rollten die harten Fans von Roter Stern zwei Spruchbänder aus. Auf einem stand "Fedayn" in einer Typographie aus den Siebzigerjahren. Auf das andere hatten sie geschrieben: "Ihr habt euch die falschen Freunde ausgesucht." Dann verbrannten sie das Banner mit der Aufschrift "Fedayn", es war umgekehrt aufgehängt gewesen.

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Nun ist wegen des Vorfalls halb Rom in Aufruhr, vor allem die Romanisti, die Anhänger der AS Roma. "Fedayn" ist eine alte, 1972 gegründete und früher linke Ultragruppe, von der es heißt, sie herrsche ziemlich hegemonisch über die politisch mittlerweile vor allem rechte bis rechtsextreme Südkurve des römischen Olympiastadions. Sie gilt selbst als apolitisch. Vor und nach Heimspielen hängen die "Fedayn" jeweils an der Piazza Mancini herum, einem Platz mit Kioskbar nicht weit vom Stadio Olimpico, und trinken da Bier.

Am 4. Februar, nach dem Serie-A-Spiel Roma gegen Empoli, stürmten plötzlich fünfzig Ultras aus Belgrad die Gruppe auf der Piazza. Sie waren aus Mailand angereist, wo sie einem Basketballspiel ihres Vereins beigewohnt hatten: alle schwarz gekleidet, Gummihandschuhe, Schlagstöcke.

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Die Curva Sud ist ein Wespennest von Intrigen

Die Aktion war bis ins Detail geplant. Die Serben hatten es auf die Tasche mit den alten Tuchbannern der Gruppe abgesehen, die soll ständig bewacht sein. Auch das irgendwie mythische Spruchband "Brigata Roberto Rulli" war dabei. Roberto Rulli hieß der Gründer der "Fedayn", er starb 1990, mit 39 Jahren. Die Belgrader nahmen sich die Tasche, prügelten sich mit den Römern. Dann waren sie weg mit ihrer "Kriegsbeute", wie es danach heißen sollte, entschwunden in die Nacht, spurlos. In den sozialen Medien posteten sie: "Eure Fahne ist jetzt unsere Fahne, ergebt euch!"

Eine Schmach sondergleichen, man hatte sich übertölpeln lassen. In Rom fragte man sich, ob die "Fedayn" verraten worden sein könnten, zum Beispiel von einer anderen Gruppe aus der Curva Sud, sie ist ein Wespennest von Intrigen. Oder steckten vielleicht die Ultras des SSC Neapel, bittere Rivalen der Romanisti, hinter der Operation? Die sind nämlich mit denen von Roter Stern Belgrad verbrüdert. Mit den Neapolitanern gab es schon viele Scharmützel, erst Anfang des Jahres wieder auf der A1, als sich 300 Ultras aus Neapel und 50 aus Rom die Köpfe einschlugen, mitten auf der Autobahn.

Die Sorge der Römer war, dass die Fahne der "Fedayn" bald im Stadion in Neapel hängen könnte, und zwar auf dem Kopf, als "Kriegstrophäe". Nichts beschäftigte die Romanisti mehr als die Sache mit den Standarten der Ultras. Bis das Banner jetzt stattdessen in Belgrad in Flammen aufging, offenbar als Rache für die Nähe der Römer zu den Bad Blue Boys von Dinamo Zagreb. Das Spruchband zu Ehren Roberto Rullis verbrannten die Serben nicht. Aus Respekt für den Toten, hört man. Es ist schon alles sehr verschroben.

Und nun? Bei den "Fedayn" gibt es Leute, die finden, von dieser Schmach könne man sich nicht erholen. Mindestens den Namen müssten sie jetzt ändern, oder sich ganz auflösen. Und dann gibt es natürlich auch jene, die auf Rache sinnen, auf einen Gegenschlag.

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