Fußball:Schwalbenkönig Reinhard Grindel

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Der im Amt bestätigte DFB-Präsident ist kein Erneuerer, sondern die logische Fortführung des alten Kurses. Nichts von dem, was er sagt oder tut, nährt den Glauben, es könne ein frischer Geist einziehen.

Kommentar von Thomas Kistner

Alles wird jetzt anders, transparenter und integer sowieso. Hat Reinhard Grindel verkündet. Weil sich aber die Krönungsmesse des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nicht im Aachener Kaiserdom zutrug, sondern im Theater Erfurt, ist das Komödiantische implizit. Denn wer als Fußballfunktionär, zumal als Deutschlands höchster, im Weltverband des Gianni Infantino irgendeine moralische Erneuerung erkennt und dem neuen Fifa-Boss sogar zuruft, er unterstütze dessen Weg zur Good Governance - "weil die Menschen nur dann daran glauben, dass es mit rechten Dingen zugeht!" -, der fliegt schon beim Versuch, den Bruch mit der Vergangenheit vorzutäuschen, als Schwalbenkönig auf.

Fifa-Boss Infantino verkörpert gut erkennbar die Fortsetzung des Seppblatterismus, nur halt jetzt mit neuem Netzwerk. Na und? Es ist fester Brauch im DFB, die Granden des Weltfußballs ehrfurchtsvoll gewähren zu lassen. Man fuhr ja selbst super auf der Opportunitäts-Schiene; speziell in den Nullerjahren, als sich die Fifa in eine Großfamilie sizilianischer Prägung verwandelte (was dummerweise das FBI mitbekam). Gewiss, vereinzelt gab es Aufstände von Anständigen, aber die Deutschen waren nie dabei. Der größte und mächtigste Verband des Fußballplaneten profitierte lieber still vom institutionalisierten Übel auf höchster Verbandsebene: Er zog allzeit tapfer mit und dafür die WM-Turniere der Männer (2006) und Frauen (2011) an Land.

Nur deshalb, weil die DFB-Akteure auch bei der Sommermärchen-Akquise das taten, was die ehrenwerte Fifa-Familie begehrte, wurde nun das Erfurter Thronamt nötig. Damals flossen 6,7 Millionen Euro in korrupte Kanäle, das ganze Honoratiorenkollektiv musste die Bühne räumen: Größen wie Franz Beckenbauer, Theo Zwanziger, Horst R. Schmidt - und auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach verstrickte sich so tief in der eigenen Ahnungslosigkeit, dass nur der Rückzug blieb. Die Fifa-Ethiker haben ihn suspendiert, Prozesse gegen die anderen laufen.

Deshalb bräuchte es einen Neustart. Deshalb wählte der DFB jetzt Grindel.

Und weil der Ex-CDU-Abgeordnete bereits seit März Regie führt, lässt sich schon sagen, dass er kein Erneuerer ist, sondern die logische Fortführung des alten DFB-Kurses. Nichts von dem, was er sagte oder tat, nährt den Glauben, es könne frischer Geist einziehen in den Großverband.

Nicht die Art, wie der Quereinsteiger die Nähe zum Profilager sucht; nicht die servile Nähe zu Infantino (dem half der DFB, den Slowenen Ceferin an die Spitze des Europa-Verbandes Uefa zu hieven, einen Mann, der heikle Fragen aufwirft); und auch nicht der Umgang mit der WM-Affäre, die Grindel nach Oberflächenprüfung für beendet erklärt hat. Innenminister Thomas de Maizière ermahnte den DFB in Erfurt, weiter "Aufklärung" zu leisten. Doch was damals wirklich alles geschah, werden erst die Ermittlungen zeigen, die in der Schweiz und den USA laufen.

Fürs Erste hat der DFB mit Grindel die Reihen wieder geschlossen. Schon zweifelt er die Zuständigkeit des Bundestags in der WM-Affäre an. Auch der Deal mit Infantino/Ceferin lief in der alten Fahrrinne: Bei Ceferins Kür zum Uefa-Chef ging es auch darum, den EM-Zuschlag 2024 festzuzurren. Das nächste Märchen.

Der Fußball kriegt das, was er verdient

Der Fußball kriegt, was er verdient. Wer sagt denn, dass Grindel nicht der Richtige ist in einem Land voller Fußballmärchen, wo der DFB-Boss, anders als anderswo, die Bedeutung eines Nebenkanzlers besitzt? Und zeigt nicht die WM-Affäre, dass im Fußball multiples Organversagen kein Grund zur Beunruhigung ist?

Dann bis zum nächsten Mal.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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