FC Schalke 04:Er bekommt die Grabstelle mit der Nummer sieben

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Reinhard "Stan" Libuda. (Foto: Werek/Imago)

Der 1996 gestorbene Stan Libuda wird ein zweites Mal beerdigt: auf dem Schalker Fan-Feld, mit Blick auf das Stadion. Bei der Pflege der Ursprünge ist Schalke im besten Sinne ein selbstbewusster Traditionsverein.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Stan Libuda hieß bekanntlich nicht von Geburt an Stan mit Vornamen, sondern Reinhard. Den Vornamen Stan erhielt er, weil er den Trick des berühmten englischen Rechtsaußen Sir Stanley Matthews in Perfektion beherrschte: links antäuschen, rechts vorbeigehen. Libuda war dabei nicht ganz so schnell wie sein später Nachfahre Leroy Sané, aber fast. Der Einzige, der zu ihm weder Reinhard noch Stan sagte, war Rudi Assauer. "Schtään" sagte er stattdessen in vertrauter Manier. Drei Jahre haben die beiden zwischen 1965 und 1968 zusammen bei Borussia Dortmund gespielt, dann kehrte der eingeborene Schalker Libuda zurück nach Gelsenkirchen - Heimweh.

Dass Libuda - wie die Legende besagt - sogar an Gott vorbeigekommen wäre, hat Assauer sowohl bestätigt wie dementiert, im O-Ton: "Zu Hause ja, da hat er sie alle schwindlig gespielt, weil er wusste: Wenn ich den Abwehrspieler rasiere, ist das Publikum da. Da hat er Herz gehabt. Aber Schtään auswärts - da hättest du 'ne Fahnenstange hinstellen können! Auswärts - was hatte der Schiss! Wenn wir nach Bremen kamen, gegen den Höttges und so - ach, du lieber Gott! Da ging dem schon so die Düse ..." So hat es der vor drei Jahren verschiedene Assauer berichtet, und so muss es gewesen sein.

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Von Heimatgefühlen war am Samstag sicher auch die Rede, als in einer Zeremonie, die manchem Nicht-Schalker seltsam vorkommen mag, Libudas sterbliche Überreste zum zweiten Mal beerdigt wurden. Schalkes 1996 gestorbener, hochverehrter Rechtsaußen zog vom Gelsenkirchener Ostfriedhof im Stadtteil Bismarck auf das sogenannte Schalker Fan-Feld in Beckhausen-Sutum um, mit Blick auf das Stadion.

Zur Einrichtung eines Ehrengrabes für das Idol sah sich die Stadt Gelsenkirchen außerstande

Die Grabstelle trägt wie sein Trikot die Nummer sieben. In der Kapelle hielt Propst Markus Pottbäcker eine Andacht ab, erwartet wurden unter anderem alte Kollegen wie Klaus Fischer, Klaus Fichtel und die Kremers-Zwillinge, und Vereinsvertreter wie Olaf Thon und Vorstand Peter Knäbel.

Stan Libuda starb am 25. August 1996 im Alter von 52 Jahren. Sein Grab befindet sich auf dem Ostfriedhof in Gelsenkirchen - bis Samstag noch. (Foto: Udo Gottschalk/Imago)

Es ist nicht das erste blau-weiße Staatsbegräbnis an diesem Ort, 2013 holte der Verein bereits den Kreisel-Spieler Ala Urban aus Russland zurück, wo er im Krieg gefallen war, im vorigen Sommer folgte dessen Mitspieler Ernst Poertgen. Auch den in Armut gestorbenen, zottelbärtigen Kult-Fan Karl-Heinz Olschewski, bekannt als "Catweazle", brachte die Vereinswohlfahrt "Schalke hilft" auf dem Motto-Friedhof unter. Wenn es um die Pflege der Ursprünge geht, dann ist Schalke im besten Sinne ein selbstbewusster Traditionsverein. Auch seine Freunde engagieren sich: Die Stiftung Schalker Markt mit ihrem Finanzier Clemens Tönnies verantwortet nun Libudas zweite Beisetzung. Es gehe darum, "Stan nicht in Vergessenheit geraten zu lassen", sagt Stiftungsratsmitglied Bodo Menze.

Freiwillig hätte sich der heimatverbundene Libuda sicher nicht vom alten Liegeplatz unweit seines Elternhauses fortbewegen lassen. Aber der Umzug war unvermeidbar, weil nach 25 Jahren die Einebnung seines Reihengrabes anstand. Zur Einrichtung eines Ehrengrabes für das Idol sah sich die Stadt Gelsenkirchen außerstande: Selbst dem verblichenen Libuda wird dessen Meineid nicht verziehen, den er infolge des Bestechungsskandals 1971 geleistet hatte. Durch die einmalige, bis ans Lebensende bereute Lüge bleibt er noch im Tode vorbestraft - und von einer Würdigung ausgeschlossen.

Schalke auf der Anklagebank (von links): Herbert Lütkebohmert, Klaus Fichtel, Jürgen Wittkamp, Reinhard "Stan" Libuda, Rolf Rüssmann und Klaus Fischer müssen über den Bundesligaskandal aussagen. (Foto: Werek/Imago)

Doch das Schalker Fan-Feld mit dem zentralen Stadion-Ornament ist ebenso ein schöner Ort. Nicht der Verein betreibt den Friedhof, sondern der Gelsenkirchener Geschäftsmann Ender Ulupinar, der standesgemäß ein organisierter Schalke-Anhänger ist und früher für die Reserve-Elf des S04 im Tor stand.

Bei der Eröffnung des Friedhofs 2012 wurde noch gemutmaßt, mit diesem Nebenverdienst wolle der Verein den Torjäger Klaas-Jan Huntelaar bezahlen, aber das war in allen Belangen Unsinn (zumal dafür schon sehr viele Schalker hätten sterben müssen). Einmalig ist der Fall dennoch: Friedhofspläne hatten damals auch andere Traditionshäuser der Liga geschmiedet, doch nur die Schalker Ruhestätte hat sich rentiert und im Geist der Idee bewährt. Die Menschen hier haben jeweils ihr eigenes Leben gehabt, vielleicht auch ein schwieriges und in Teilen trauriges Leben wie der früh verstorbene Stan Libuda, aber in ihrem Wunsch für die Ewigkeit sind sie alle gleich: Sie wollen unter Schalkern liegen.

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