Sportpolitik:Russland nutzt eine Lücke in den Sanktionen

Die russische Fuball-Nationalmannschaft vor dem Länderspiel gegen Kirgisistan

Die russische Mannschaft vor dem Länderspiel gegen Kirgisistan am Samstag.

(Foto: Alexey Filippov/SNA/Imago)

Die russische Fußball-Nationalelf bestreitet ihr erstes Spiel seit Kriegsbeginn. Freundschaftskicks wie jener gegen Kirgisistan sind erlaubt, auch unter kuriosen Umständen.

Von Johannes Aumüller

Nach Nationalauswahl sah der Trupp, der sich im Stadion von Bischkek als russische Fußball-Sbornaja vorstellte, nur bedingt aus. Die Top-Spieler aus ausländischen Ligen wie Alexander Golowin (AS Monaco) fehlten komplett - offiziell aus "logistischen Gründen". Die beiden besten Nationalstürmer der Vorjahre waren auch nicht da. Zum 32-jährigen Fjodor Smolow, kurz nach Russlands Ukraine-Invasion einer der lautesteten Kriegskritiker aus dem Sport, hieß es, dass nur Kicker unter 30 eingeladen werden sollten. Und Artjom Dsjuba hatte schon im März erklärt, aus "familiären Gründen" nicht mehr für die Sbornaja spielen zu wollen, woraufhin Nationaltrainer Walerij Karpin auf die vielen ukrainischen Verwandten des Stürmers verwies.

Aber irgendwie schien es auch egal zu sein, wer da in Kirgisistan für Russland auf dem Platz stand. Hauptsache, es waren elf Personen anwesend, die sich zu Spielbeginn hinter einer großen russischen Fahne auf dem Spielfeld positionieren konnten. In der Halbzeit tauschte Nationaltrainer Karpin sogar alle seine Feldspieler aus. Das Ganze habe mehr an die Medienauswahl der Blogger denn an ein Spiel der Nationalelf erinnert, ätzte der Sowjetskij Sport, aber immerhin sprang dank eines späten Treffers von Daniel Utkin noch ein 2:1 heraus.

Der Kick in Bischkek war das erste Spiel der Sbornaja seit November. Seit dem Kriegsbeginn dürfen weder russische National- noch russische Vereinsmannschaften an den Wettbewerben von Uefa und Fifa teilnehmen. Die WM in Katar ist passé, Europapokal-Teilnahmen für Zenit Sankt Petersburg oder ZSKA Moskau ebenso, und die auf Anfang Oktober terminierte Auslosung der Qualifikationsgruppen für die EM 2024 in Deutschland findet ohne Russland statt. Aber dennoch versucht Russland nun, sich auf die internationale Sportbühne zurückzuschieben - und nutzt dabei eine Lücke in den Sanktionen. Denn Freundschaftsspiele sind von dem Bann nicht umfasst, und so ist die Sportführung jetzt auf der Suche nach Gegnern. Und die Politik spielt dabei selbstredend wieder eine große Rolle.

Nach dem Match gegen die Ex-Sowjetrepublik Kirgisistan sind zwei weitere Testkicks schon fixiert. Für November ist zunächst ein Spiel gegen Iran angedacht - und danach noch eines gegen Bosnien-Herzegowina. Dass sich der Fußballverband des Mullah-Regimes bereiterklärt, überrascht angesichts der seit Jahren gepflegten politischen Allianz zwischen den beiden Diktaturen kaum, Bosnien schon eher. Aber in Sarajevo machen sie kein Geheimnis daraus, wie verlockend die finanziellen Avancen aus Moskau waren; und zudem ist der Präsident des nationalen Fußballverbandes ein Verwandter des bosnisch-serbischen Politikers Milorad Dodik, einem der drei Präsidenten des Landes, der traditionell mit seiner Nähe zu Moskau auffällt. Doch dieser Plan erzeugt ziemlich viel Aufregung. Prominente Kicker des Landes wie der frühere Bundesliga-Angreifer Edin Džeko oder Miralem Pjanić sprachen sich schon dagegen aus. Zudem sollen auch gezielt Mannschaften aus Afrika als Gegner angesprochen werden, wo Russland politisch seinen Einfluss zuletzt trotz des Krieges eher gestärkt hat.

Auch andere Sportarten könnten Russland bald wieder zulassen

Die Anstrengungen im Fußball sind kein isolierter Vorgang. Es läuft in diesen Tagen erkennbar der Versuch, den Umgang mit dem russischen Sport zu korrigieren. Derzeit gilt in vielen Disziplinen ein Startverbot für russische Athleten, aber rund ums Internationale Olympische Komitee (IOC) laufen Diskussionen, wann und wie sich das wieder ändern könnte. Der Generalsekretär des Ski-Weltverbandes (Fis) sinnierte diese Woche, ob russische (und die gleichfalls gesperrten belarussischen) Athleten schon im Dezember wieder teilnehmen könnten, wenn auch noch ohne nationale Flagge und Hymne.

Die Funktionäre wiederum sind in vielen Sportverbänden ohnehin nie sanktioniert gewesen. Stilbildend ist hier insbesondere das IOC, das die zwei regulären und die zwei Ehrenmitglieder unangetastet ließ. Passend dazu trug am Sonntag der Box-Verband (IBA) seinen Kongress aus, auf dem sich mehr als 75 Prozent der Delegierten gegen Neuwahlen aussprachen. Die Folge: Der Russe Umar Kremljow, bekannt durch seine Nähe zur russischen Regierung, bleibt vier weitere Jahre der Präsident der Föderation. Und zugleich verkündete die IBA eine ganz besondere Pointe, nämlich die Suspendierung des ukrainischen Verbandes - wegen der Einmischung des Staates in die Arbeit der nationalen Föderation.

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