Fußball-Regionalliga:1860 verschiebt die Trennung von Ismaik

Hasan Ismaik

1860-Investor Hasan Ismaik.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)
  • Auf der jüngsten Versammlung des TSV 1860 München hatte die Mehrheit der Mitglieder einen Antrag angenommen, den Kooperationsvertrag mit Investor Hasan Ismaik aufzukündigen.
  • Die Kündigung sollte bis 24. Januar 2018 ausgesprochen werden, unter dem Vorbehalt "nach Zustimmung des Verwaltungsrats". Diese erfolgte nun nicht.
  • Das Präsidium und der Verwaltungsrat arbeiten allerdings auf eine Trennung von Ismaik hin, das stand im Subtext der Pressemitteilung vom Montag.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Das Alleinstellungsmerkmal des TSV 1860 München ist bekanntlich, dass sich seine Anhänger schon an den kleinsten positiven Meldungen erfreuen können. Zwar erscheint das Gesamtbild in diesem Jahr mit dem erfolgten sportlich-finanziellen Doppelabstieg aus dem Profifußball in die Niederungen der Fußball-Regionalliga Bayern zweifellos selbst für Sechzigs Verhältnisse ungewöhnlich düster. Und doch gibt es auch 2017 einen kleinen Grund zum Feiern: Zum ersten Mal seit vielen Jahren wird vor Jahresende kein Vereinsvertreter zum Notar gehen müssen, um dort jenen inzwischen bewährten Finanztrick anzuwenden: die Wandlung von Darlehen in sogenannte Genussscheine - zur Verschleierung der Tatsache, dass der Klub zum Überleben auf fremdes Geld angewiesen war. Warum auch?

Einerseits gibt es in der vierten Liga ohnehin keine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Und andererseits: Seit dem sogenannten Sanierungsbeschluss im Juli hat der Klub keine neuen Darlehen mehr bei seinem Hauptgesellschafter Hasan Ismaik aufgenommen. Und er wird es nach dem Willen der gegenwärtigen Vereinsvertreter auch nicht mehr tun. Eine Sanierung ist aus ihrer Sicht nur dann eine Sanierung, wenn kein fremdes Geld zum Lebenserhalt des Klubs mehr nötig ist. Und Ismaik hat seiner Firma stets nur Darlehen gewährt - wie ein externes Finanzinstitut. Das Präsidium und der Verwaltungsrat arbeiten allerdings auf eine Trennung von Ismaik hin, diese Nachricht stand ziemlich deutlich im Subtext der Pressemitteilung vom Montag mit der Überschrift: "Keine Kündigung des Kooperationsvertrags durch die Gremien des TSV München von 1860 e.V."

Auf der jüngsten Versammlung hatte die Mehrheit der Mitglieder einen Antrag von Ulla Hoppen angenommen, den Kooperationsvertrag mit Ismaik aufzukündigen. Als Begründung wurde angegeben, Ismaik habe sich, indem er die Zahlung für die Drittliga-Lizenz verweigerte, einer sogenannten Hauptpflichtverletzung schuldig gemacht. Die Kündigung sollte bis 24. Januar 2018 ausgesprochen werden, unter dem Vorbehalt "nach Zustimmung des Verwaltungsrats". Diese erfolgte nun nicht. Die zuständigen Gremien hatten sich wie erwartet an den Rat eines schon seit Wochen bekannten juristischen Gutachtens gehalten und waren nach "sorgfältiger Prüfung und Abwägung von Pro und Contra" zur Ansicht gelangt, dass "eine Umsetzung des Mitgliederbeschlusses eine Schmälerung der Handlungsmöglichkeiten und der Rechtspositionen des Vereins nach sich ziehen würde". So weit, so absehbar.

Dank des Gutachtens glauben die e.V.-Vertreter nun zu wissen, wann gekündigt werden kann

Allerdings heißt es, und das ist der entscheidende Passus: "unter den aktuellen Rahmenbedingungen und zum gegenwärtigen Zeitpunkt". Denn: "Das vom Verein beauftragte juristische Gutachten reicht über die unmittelbare Fragestellung zur Kündigung des Kooperationsvertrags hinaus und leistet den Gremien auch für die Zukunft in Gesellschafterfragen unverzichtbare Dienste."

Übersetzt bedeutet das: Bei der ersten Gelegenheit, bei der Hasan Ismaik tatsächlich gegen den Kooperationsvertrag verstoßen sollte, wird jener tatsächlich gekündigt. Und wann das der Fall ist, wann also eine andere Fragestellung vorliegt, das glauben die Vereinsvertreter dank des Gutachtens nun genau zu wissen. Insofern hat sich die Realpolitik in der Vereinsführung gegen die Fundamentalopposition durchgesetzt, der eine sofortige Kündigung trotz aller haftungsrechtlichen Ungewissheiten lieber gewesen wäre. "Ich bin recht unzufrieden mit der Entscheidung, aber ich kann trotzdem damit leben", sagt die viel angefeindete Antragstellerin Hoppen, "es steht ja auch drin, dass sie das Gutachten für die Zukunft nützen können."

Bislang hat Ismaik gegen die investorenfeindliche 50+1-Regelung von Deutscher Fußball Liga und Deutschem Fußball-Bund lediglich Beschwerde beim Kartellamt eingelegt. Klagen vor einem Gericht kann er wohl allein deshalb kaum, weil ihm offenbar die Klageberechtigung fehlt. Klagen könnte beispielsweise der e.V. als Lizenznehmer. Oder die KGaA, doch dafür würde Ismaik die Zustimmung der Vereinsvertreter als zweitem Gesellschafter benötigen, was Präsident Robert Reisinger ausgeschlossen hat. Deshalb Ismaiks Gang zum Kartellamt, das noch in diesem Jahr seine Einschätzung zu 50+1 geben wollte.

Dass der Verwaltungsrat Saki Stimoniaris bei der Abstimmung über die Kündigung nicht anwesend war, mag nichts zu bedeuten haben - er erschien auch sonst eher selten zu den Sitzungen des Gremiums. Zu seinem überraschenden Rücktritt kurz darauf sagte er nur, er sei "unumgänglich" gewesen - konkrete Gründe wollte er auch auf SZ-Anfrage nicht nennen. Ob Stimoniaris' Abschied etwas mit dem frostigen Verhältnis vieler Vereinsvertreter zum Investor zu tun hat, blieb also offen. So einig, wie sie es darstellten, werden sich die e.V.-Vertreter über das Vorgehen jedenfalls nicht gewesen sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: