Fußball-Regionalliga:"Hat eine Eigendynamik entwickelt"

v li Trainer Timo Wenzel 1 FC Schweinfurt 05 nachdenklich schauend Fussball Regionalliga Baye; Timo Wenzel

„Manche sagen, wir sollen wieder auf Amateurfußball umstellen. Das ist doch dummes Geschwätz.“ – Schweinfurts Trainer Timo Wenzel.

(Foto: Frank Scheuring/imago)

Schweinfurts Trainer Timo Wenzel erklärt vor dem vermeintlichen Spitzenspiel beim FC Bayern II die Krise. Ins Zweifeln gerät er nicht.

Interview von Sebastian Leisgang

Nach einem langen Arbeitstag hat Timo Wenzel am Mittwochabend ein bisschen Fitnesstraining gemacht und sich in der Sauna entspannt. "Da kann ich gut abschalten", sagt der Trainer des Fußball-Regionalligisten FC Schweinfurt 05. Vor dem Abendprogramm ist Wenzel in die Videoanalyse des FC Bayern München II eingestiegen. Die am Freitagabend (19 Uhr) anstehende letzte Ligapartie dieses Jahres und die angespannte sportliche Lage erfordern eine besondere Gewissenhaftigkeit. Schweinfurt ist seit sechs Spielen sieglos. Da die ambitionierten Unterfranken in der Tabelle sechs Punkte hinter den Bayern zurückliegen und bereits zwei Partien mehr absolviert haben, stehen sie im Grünwalder Stadion gehörig unter Druck.

Timo Wenzel, steht das M-Wort nach sechs Spielen ohne Sieg auf dem Index?

Das M-Wort?

M wie Meisterschaft.

Dieses Wort habe ich noch nie in den Mund genommen, und das werde ich jetzt natürlich auch nicht tun. Wir haben ein Ziel: Wir wollen in den DFB-Pokal. Wir haben in dieser Saison zwar schon einige Rückschläge verkraften müssen, aber wir sind nach wie vor von unserer Arbeit überzeugt.

Sie haben also keinerlei Zweifel an der Mannschaft oder an sich selbst?

Nein. Es ist ja so: Ich bin als Trainer nach Schweinfurt gekommen, zu einer Mannschaft, die seit Jahren nahezu unverändert ist und die immer gleichen Abläufe hatte. Es braucht dann eben Zeit, wenn es auf einmal eine Umstellung gibt.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Es gibt Spieler, die noch nie im Mannschaftskreis kritisiert worden sind. Wenn ich bei der Videoanalyse Fehler anspreche, dann kann ich auch deutlich werden.

Muss der ein oder andere Akteur dann mal schlucken?

Natürlich. Aber die Spieler wissen, dass ich kein Unmensch bin. Ich habe ein respektvolles Verhältnis zu ihnen. Man kann auch Spaß mit mir haben. Letzte Woche habe ich die Mannschaft zum Beispiel zu meinem Geburtstag zum Weißwurstessen eingeladen. Wir waren auch schon zusammen im Kino. So führt man 22 Charaktere zusammen, und die Spieler merken: Hey, der Trainer ist ja einer von uns. Aber das geht eben nicht von heute auf morgen.

Ist Ihre harte Art manchmal ein Problem für die Spieler?

Ich bin zwar manchmal streng und lache beim Training nicht in einer Tour, dafür müsste der Verein eher einen Clown einstellen - aber es geht eben um den Erfolg. Da müssen sich alle unterordnen. Und diesen Weg werde ich auch in der Zukunft gehen.

Ist es diese Gier, diese Mentalität, die ihren Spielern noch abgeht?

Ja. Manche denken, es wird schon irgendwie funktionieren, aber du gewinnst kein Spiel, nur weil du auf dem Papier besser bist.

Gerade das Umfeld erwartet aber einen Sieg nach dem anderen.

Diese Erwartungshaltung ist unfassbar. Hier musst du jedes Spiel 5:0 gewinnen. Und wenn das mal gelingt, fragen sich die Leute: Warum haben die nicht noch ein sechstes und siebtes Tor geschossen? Diese Menschen leiden doch an einem Realitätsverlust. Manche sagen jetzt nach sechs Spielen ohne Sieg, wir sollten wieder auf Amateurfußball umstellen - das ist doch dummes Geschwätz.

Ist es auch der Druck, der Ihrer Mannschaft zu schaffen macht? Oder wie erklären Sie sich die derzeitige Durststrecke?

Manche Spieler haben noch nie in einer Mannschaft gespielt, von der jede Woche ein Sieg erwartet wird. Natürlich spielt das eine Rolle. Wir haben momentan aber auch kein Glück.

Machen Sie es sich damit nicht zu einfach?

Wir hatten oft Pech, aber das ist sicher nicht der einzige Punkt. Wir leisten uns zu oft individuelle Fehler oder verteidigen Standards nicht gut. Da fehlt uns die Einstellung, das Tor mit aller Gewalt verhindern zu wollen. Das alles hat inzwischen eine Eigendynamik entwickelt. Jetzt ist wieder in den Köpfen, dass es schon 2017 gegen Ende des Jahres nicht gut gelaufen ist.

Wie lässt sich das austreiben?

Das müsste man einen Mentalcoach fragen. Man muss aber auch sagen: In den letzten drei Wochen haben wir gut gespielt, bloß nicht gewonnen. Am Anfang der Saison haben wir auch mal nicht so gut gespielt, dann aber gewonnen. Das ist einfach Fußball.

Es fällt auf, dass der Negativlauf mit einem 0:5 in Pipinsried begonnen hat. War dieses Spiel vielleicht mehr als ein einmaliger Fehltritt?

Wir haben in diesem Spiel keine gute Leistung gebracht. Und Pipinsried hat mit jedem Schuss getroffen. So ein Spiel kann ein- oder zweimal in der Karriere vorkommen. Aber ich finde nicht, dass das etwas hinterlassen hat. Wir haben eine gute Reaktion gezeigt - auch wenn die Ergebnisse nicht gepasst haben.

Zuletzt hat Ihre Mannschaft trotz 80-minütiger Unterzahl 1:1 in Aschaffenburg gespielt.

Auf diese Leistung müssen wir stolz sein. Ich habe das Gefühl, dass die Mannschaft durch dieses Spiel noch näher zusammengerückt ist.

Jetzt steht das Duell mit den Bayern an. Ist das ein Endspiel?

Nein. Es ist noch nichts verloren - auch nicht bei einer Niederlage. Aber ich gehe nicht davon aus, dass wir verlieren. Gegen große Gegner haben wir immer gut gespielt, und ich weiß, dass Bayern nicht unschlagbar ist. Wir fahren nach München, um dort zu gewinnen. Ein Tag später ist Weihnachtsfeier, und dann ist Urlaub. Was gibt es Schöneres?

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