Fußball:Regionalliga Franken

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Erstes Pflichtspiel seit Oktober: Bayreuths Doppeltorschütze Alexander Piller (in Schwarz) gegen Aschaffenburgs Benjamin Baier. (Foto: Peter Kolb/Imago)

"Die wichtigsten Spiele der letzten 30 Jahre": Bayreuth, Schweinfurt und Aschaffenburg spielen als erste Vereine aus den bayerischen Amateurligen wieder Fußball - unter ungleichen Voraussetzungen. Es geht um den Drittliga-Aufstieg und die DFB-Pokal-Teilnahme.

Von Christian Bernhard, Christoph Leischwitz und Sebastian Leisgang

Die Saison 2019/21 der Fußball-Regionalliga Bayern wird nicht mehr beendet. Über den Aufstieg entscheiden nun Playoffs, auch die DFB-Pokal-Teilnahme wird noch ausgespielt. Um den Aufstieg bewerben sich drei Traditionsklubs aus Franken, die alle eine Zweitliga-Historie aufweisen.

SpVgg Bayreuth

Marcel Rozgonyi lächelt, als er aufgrund der ungewohnten Playoff-Konstellation Horst Hrubeschs Spruch "Verlieren macht einfach keinen Sinn" zitiert. "Wenn Hrubesch mit einem Recht hat, dann damit", sagt der Sportlicher Leiter der SpVgg Bayreuth, die an diesem Dienstag in Schweinfurt in die Playoffs startet (19 Uhr, live bei sporttotal.tv). "Friss oder stirb", heiße es nun, auf dem Programm stünden die "wichtigsten Spiele der letzten 30 Jahre hier".

Wolfgang Mahr kann den historischen Kontext besonders gut einschätzen. Der heutige SpVgg-Teamkoordinator stand in den 1980er-Jahren in 271 Zweitliga-Spielen im Bayreuther Tor. "So nah, wie wir jetzt dran sind, waren wir noch nie", sagt er mit Blick auf die mögliche Rückkehr in den Profifußball des Klubs, der dieses Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert und seit 1990 eine "lange Durststrecke" durchlebe. Trotz der Hoffnungen und Träumereien bleibt Mahr gelassen: "Wir sind nicht unter totalem Zwang." Der Aufstiegsdruck liege seiner Meinung nach eher bei Schweinfurt, "die versuchen es ja schon seit vier Jahren".

"Alles kann, nichts muss", so lautet die von Trainer Timo Rost vorgetragene Sprachregelung der SpVgg-Verantwortlichen vor dem Start der Playoffs. "Wir vergessen nicht, wo wir herkommen", sagte er, "wir machen uns absolut keinen Druck." Als besonders wichtig in dem für alle drei bayerischen Mannschaften ungewöhnlichen Format hat der frühere Profi Rozgonyi den mentalen Aspekt ausgemacht. "Das Aufsteigen muss man am Ende auch können", betont er. "Da reicht guter Fußball nicht aus, da brauchst du auch den Kopf dafür." Rozgonyi sieht die Bayreuther mit Trainer Rost hierfür gut aufgestellt. Unabhängig vom Niveau "haben wir mit Timo einen der besten Trainer, die ich kenne", unterstreicht er. Der ehemalige Cottbuser nehme eine "Sonderrolle" ein, er erreiche die Spieler sehr gut und bereite sie super auf das "besondere Format" vor. Angreifer Markus Ziereis ist zudem ein guter Talisman für Aufstiegsspiele. Fünfmal spielte der 28-Jährige in der Relegation, viermal gelang ihm dabei mit den Münchner Löwen, Regensburg und Darmstadt der Aufstieg.

Den "guten Plan B", der laut Rost im Falle des Nicht-Aufstiegs bereits vorhanden sei, will Rozgonyi erst einmal im Regal lassen. "Über den reden wir, wenn es so weit sein sollte." Mahr verrät, dass der Plan B darin besteht, mit vielen Spielern bereits Vereinbarungen für beide Szenarien, 3. Liga und Regionalliga, getroffen zu haben. "Wir könnten mit beiden Möglichkeiten leben", sagt er. Aber keiner der heutigen SpVgg-Verantwortlichen weiß besser als er, wie schön es ist, sich mit großen Namen des deutschen Fußballs zu messen.

Viktoria Aschaffenburg

Jochen Seitz geht es um etwas Grundsätzliches. Schon auch um Fußball, um seine Mannschaft und um diese Chance, die vielleicht nicht so schnell wieder kommt - Seitz, 44, redet aber auch über Kollegialität, Gerechtigkeit und Nachsicht, wenn er auf die Playoff-Spiele angesprochen wird. Ist es nicht eine Zeit, in der Solidarität besonders gefragt ist?

Die Viktoria geht als Außenseiter in die Duelle mit Bayreuth und Schweinfurt - für Jochen Seitz ist sein Team gar "der große Außenseiter". Aschaffenburgs Trainer weiß: "Gegen solche Gegner können wir nur gewinnen, wenn wir 100 Prozent bringen." Die Crux ist aber: Gerade das, was seine Mannschaft ausmacht, das physische Spiel, die Präsenz, die Fitness, all das hat unter der monatelangen Pause gelitten.

Die Viktoria muss also 100 Prozent bringen - ist aber gar nicht imstande dazu.

Weil die Aschaffenburger als Amateure gelten, haben die Behörden den Trainingsbetrieb für die Viktoria erst im April freigegeben - gut einen Monat später als für Bayreuth und Schweinfurt, die als Profiklubs eine Sondergenehmigung erhalten haben. "In den nächsten drei Wochen fällt die Entscheidung über zwei Jahre - und da haben wir einen extremen Wettbewerbsnachteil", klagt Seitz und richtet seine Kritik in erster Linie an den Bayerischen Fußball-Verband: "Wir haben keine Hilfe bekommen. Der Verband hätte sich durchaus dafür einsetzen können, dass wir früher trainieren dürfen."

In den Augen der Aschaffenburger sind die Playoffs unter diesen Umständen vor allem eines: eine Zumutung. Beinahe so, wie es Seitz formuliert, "als ob ein Spieler einen Kreuzbandriss hatte und vier Wochen nach seinem ersten Training auf einmal wieder Höchstleistung über 90 Minuten bringen muss". Eine Herausforderung, der Aschaffenburg weder beim ersten Testspiel gegen die Stuttgarter Kickers (0:3) noch im Ligapokal-Spiel am Samstag gegen Bayreuth (1:3) gerecht wurde.

Jetzt, ein paar Tage vor dem Aschaffenburger Playoff-Auftakt, gibt sich Seitz trotzig-optimistisch und sagt: "Wir müssen mit der Situation klarkommen." Auch wenn seine Spieler noch nicht auf der Höhe sind. Auch wenn sie gerade das, was sie auszeichnet, noch nicht abrufen können. Und auch wenn es sich so anfühlt, als sei es die gesamte Mannschaft, die gerade erst einen Kreuzbandriss überstanden hat.

Letztes Pflichtspiel im November: Schweinfurts Trainer Tobias Strobl empfängt einen Schalke-Wimpel vor dem 1:4 im DFB-Pokal. (Foto: Maik Hölter/Team2sportphoto/imago)

FC Schweinfurt 05

Immerhin: rund 250 Pappkameraden werden im Stadion sein, wenn die Regionalliga-Playoffs am Dienstagabend beim FC Schweinfurt beginnen (19 Uhr). So viele Fans haben an der Aktion "Papplic viewing" teilgenommen: Ihre Konterfeis werden auf Haupttribüne und Gegengerade in der Größe 35 mal 65 Zentimeter aufgestellt. Wenn die Playoffs sowie der Liga- und die Teilnahmen im Toto-Pokal beendet sind, können die Aufsteller im Fanshop wieder abgeholt werden, auf Wunsch auch mit Autogrammen der Spieler. Die Fans werden hoffen, dass es Drittliga-Fußballer sein werden, die dort unterschreiben. Und vielleicht ja zusätzlich auch wieder DFB-Pokalteilnehmer.

Das letzte Pflichtspiel der Schnüdel war tatsächlich auch das Pokalspiel auf Schalke Anfang November, das 1:4 verloren ging. Und nun stehen in den kommenden Wochen also ausschließlich weitere Partien mit Endspielcharakter an. Man fühle sich gut vorbereitet, sagt Trainer Tobias Strobl, es habe viele interne Testspiele sowie ein Testspiel gegen den 1. FC Nürnberg II (3:3) gegeben. Aber wer nun aus welchen Gründen gut in diese Playoffs starten werde, das könne angesichts der Einmaligkeit der Situation wohl niemand voraussagen. Strobl verrät, dass angesichts der bevorstehenden englischen Wochen - am 25. Mai tritt Schweinfurt im Ligapokal beim VfB Eichstätt an - kein personelles Taktieren angesagt ist, gegen Bayreuth soll die beste Elf auf dem Platz stehen.

Druck? Ein leidiges Wort. Eine ziemlich einmalige Chance, natürlich, denn in der kommenden Saison, mit der SpVgg Unterhaching als sicherem und dem FC Bayern II als wahrscheinlichem Drittliga-Absteiger, werde es "sicher nicht leichter". Man müsse das als Anreiz sehen, sagt der 33-jährige Coach: "Die Freude muss größer sein als die Angst, etwas zu verlieren." Er schätzt die Chancen auf das Erreichen der Aufstiegsspiele gegen den TSV Havelse auf ziemlich genau 33,33 Prozent, alle Teams hätten wohl die gleichen Möglichkeiten, wenngleich man in Schweinfurt den Aufstiegswunsch nur etwas deutlicher kommuniziere als bei den anderen beiden; dies hat fast schon traditionelle Gründe, weil die Schnüdel seit Jahren um den Aufstieg in den Profifußball kämpfen.

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