Ursprünglich war es darum gegangen, ob der Fußball-Regionalligist Schwaben Augsburg zwölf Punkte abgezogen bekommt oder nicht – immerhin beeinflusst das lang erwartete Urteil auch die Frage, wer in der Abstiegs-Relegation antreten muss. Dass nun die Schwabenritter letztinstanzlich die Punkte behalten, obwohl sie gegen die U23-Regel verstoßen haben, war nach Veröffentlichung der Urteilsbegründung trotzdem nur noch zweitrangig. Denn das Schiedsgericht, ein vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV) losgelöstes Gericht am OLG Nürnberg, urteilte: Die U23-Regel verstößt gegen EU-Recht, Verstöße gegen die Regel seien daher gar nicht möglich.
Die Regel besagt, dass in jedem Kader vier Spieler aufgeführt sein müssen, die zum Saisonstart unter 23 Jahre alt waren und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Das aber diskriminiere andere EU-Bürger. Der BFV kündigte prompt an, das Statut einer Prüfung zu unterziehen. Um aber jedwede weiteren Vorwürfe von Benachteiligung zu unterbinden, sollten die Statuten vereinheitlicht sein. Deshalb könnte das Urteil jetzt eine bundesweite Regeländerungs-Kaskade in Gang setzen.
Dem Europarecht im Urteil so viel Platz einzuräumen, „war nicht zwingend notwendig, aber ich finde es von juristischer Seite gut, dass sich mal jemand da dran wagt“, sagt Thomas Himmer von der Anwaltskanzlei Schickardt, die Schwaben Augsburg vertrat. Europäische Gerichte hatten schon auf den Klärungsbedarf hingewiesen. Die zuständigen Verbände müssten sich nun fragen: „Hatten wir nicht lange genug Zeit, über die Regelung zu entscheiden?“, sagt Himmer.
Am Freitag herrschte zunächst Verwirrung: Gilt die U23-Regel womöglich schon für den letzten Spieltag gar nicht mehr? Man müsse sie „eigentlich nicht mehr erfüllen“, sagt auch Himmer, „aber das ist in der Praxis unwahrscheinlich.“ Der Verband sieht das anders und verweist auf das Urteil, wonach man bei einem „vorsätzlichen Verstoß gegen die U23-Regel zu einer anderen rechtlichen Betrachtung kommen könnte. Die Regelung besitzt weiterhin ihre Gültigkeit. Entsprechend ist diese von den Vereinen auch zu beachten“.
Türkgücü München kann erneut keinen Heimspielort präsentieren – und sieht einer hohen Geldstrafe entgegen
Besonders enttäuscht sind sie beim FC Schweinfurt, einem der vier Kläger (gemeinsam mit den abstiegsgefährdeten Eintracht Bamberg, Wacker Burghausen und dem feststehenden Absteiger Türkgücü München). „Es braucht schnell Klarheit, bei uns ist die Kaderplanung in vollem Gange“, sagt Gregor Opfermann, Co-Trainer der Schnüdel und promovierter Jurist. Schweinfurt spielt als Meister und Aufsteiger ab Juli in der dritten Liga, und dort gilt bislang noch dieselbe U23-Regel, wie auch in allen anderen Landesverbänden.
Es habe viele überrascht, dass das OLG das Europarecht noch thematisiert – in den Klageschriften sei es darum eigentlich überhaupt nicht mehr gegangen. Opfermann sagt auch, er sei „irritiert“, dass nun ein Schiedsgericht ohne mündliche Verhandlung so weitreichende Entscheidungen treffe. Bei Eintracht Bamberg hätten die Punkte möglicherweise noch den direkten Abstieg verhindern können, jetzt müssen die Oberfranken darauf hoffen, dass Greuther Fürth II ans Tabellenende gesetzt wird – das geschieht, wenn deren erste Mannschaft noch aus der zweiten Liga absteigen sollte. Bambergs Vorstandssprecher Sascha Dorsch hält die U23-Regel, wie viele andere, für sinnvoll. Dass sie EU-Ausländern, die in der Regionalliga spielen, den Zugang zum Arbeitsmarkt verwehren, bezeichnet er als „völligen Unsinn“.
Die Regionalliga-Saison geht unruhig zu Ende. Ärger bekam auch noch Türkgücü München ab, das zum dritten Mal keine Spielstätte präsentierte, mit seinem Nichtantritt Viktoria Aschaffenburg drei automatische Punkte bescherte und dem Vernehmen nach eine sehr hohe Geldstrafe erwarten muss.