Fußball-Regionalliga:Ein Klassentreffen im Allgäu

18 11 2017 Fussball Amateurfussball Saison 2017 2018 Bayernliga 23 Spieltag TSV Kornburg; Esad Kahric

„Das ist das leichteste Spiel“: Esad Kahric freut sich auf sein Debüt am Samstag im Spiel gegen Türkgücü München.

(Foto: Zink/Imago)

Trainer Esad Kahric, 60, kehrt zum FC Memmingen zurück, um seinen langjährigen Klub zum Ligaverbleib zu führen. Zum Auftakt trifft er seinen alten Bekannten Reiner Maurer.

Von Christoph Leischwitz

Esad Kahric hat es in seinem Leben oft geschafft, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, und wahrscheinlich wird ihn dieses Gefühl auch am Samstag wieder beschleichen. Es ist 31 Jahre her, dass der Bosnier in München für Türk Gücü spielte. Hinter ihm Gerald Hillringhaus im Tor, vor ihm Bernhard Winkler im Angriff, Trainer war Peter Grosser. Im Sommer 1989 ließ sich zunächst kein Verein mehr finden für den Regisseur, er fuhr heim nach Bosnien. Am Tag seiner Ankunft rief ihn ein Freund an: Komm zurück, du kannst beim FC Memmingen spielen.

Elf Tage später fuhr er in die ihm unbekannte Stadt, Kahric kickte dort dann recht erfolgreich. Er wohnte 500 Meter vom Stadion entfernt, der Verein besorgte ihm eine Arbeitsstelle, seine Familie kam nach Deutschland. Schon allein deshalb wird er dem FC ewig dankbar bleiben: weil dadurch "meine Frau und meine Kinder all den Hass und das Leid in der Heimat nicht miterleben mussten". Der Fußball hatte seine Familie vor einem Krieg bewahrt, von dem 1989 noch niemand etwas ahnte.

Kahrics Kinder spielten beim FC Memmingen, kurze Zeit sogar unter Papa, dem Jugendcoach. 2002 übernahm er den Cheftrainer-Posten, sein Vorgänger war Reiner Maurer. Kahric blieb zwölf Jahre lang FCM-Trainer, dann standen die Zeichen auf Abschied. Es hatte Misstöne mit der sportlichen Leitung gegeben. Präsident Armin Buchmann sagt über die Zeit damals: "Wir hatten auch viele Spieler verloren. Und es war für beide Seiten mal an der Zeit, etwas anderes kennenzulernen."

Diese Zeit ist nun vorbei. Am Montag kehrte Kahric, mittlerweile 60 Jahre alt, zu seinem Heimatverein zurück, um ihn zum Klassenverbleib zu führen. Und das erste Spiel seiner zweiten Ära als Trainer beim FC findet statt gegen Türkgücü München, mit dem Übungsleiter Reiner Maurer. "Das ist das leichteste Spiel", sagt Kahric, der sich sehr auf das Treffen freut. Gegen den Tabellenführer habe man nichts zu verlieren. Er wünscht Maurer, dass er aufsteigt. Aber natürlich nicht, dass er gegen Memmingen gewinnt.

Es passiert ja nicht oft, aber wenn, dann schafft es Präsident Buchmann, sich von einem scheidenden Trainer in freundschaftlichem Verhältnis zu verabschieden. Auch diesmal nennt er den vergangene Woche entlassenen Uwe Wegmann einen "hochanständigen Kerl" und versucht, ihn aus der alleinigen Verantwortung herauszunehmen für die sportliche Erfolglosigkeit der vergangenen Wochen.

Dass man nun einen hauptamtlichen Trainer engagiert hatte, das habe vielleicht auch die Erwartungshaltung erhöht. Er selbst habe zuletzt auch vieles vernachlässigt zugunsten des Regionalliga-Teams. Kommende Woche steht die Mitgliederversammlung an. Dann will Buchmann den Mitgliedern sagen, dass die erste Mannschaft wichtig ist, aber nicht alles. Er sehnt sich nach Ruhe. "Nicht gerade stolz" sei man darauf, dass man nun innerhalb eines Jahres schon drei Trainer hatte.

In so einer instabilen Situation erinnert man sich gerne an alte Zeiten zurück, in denen es beständiger zuging. Die Idee, auf Kahric zuzugehen, war schon vor einiger Zeit aufgekommen. Ursprünglich wollte man ihn für die kommende Saison verpflichten. Als es nicht mehr so gut lief, für die Winterpause. Die Gerüchteküche brodelte. Kahric war nach fünf Jahren beim FC Sonthofen 2018 zum TSV Kottern gewechselt, man kennt sich im Allgäu. "Ich glaube, er hat sich nicht mehr wohl gefühlt", sagt Buchmann über Kahric, und meint damit: Er wollte seiner aktuellen Mannschaft ungern etwas vormachen, vor allem wollte er nicht irgendwann in die Situation geraten, lügen zu müssen. "Es geht im Kopf nicht, zwei Vereine zu lenken", sagt Kahric selbst. Am vergangenen Sonntag veröffentlichten dann der Regionalligist und der Bayernligist eine gemeinsame Presseerklärung.

Weil Memmingen seine Heimspiele oft freitags bestreitet, konnte Kahric oft zusehen, er kennt die Mannschaft gut. Sein Assistenztrainer ist einer seiner früheren Lieblingsspieler, Candy Decker. Der gesamte Stab besteht aus alten Bekannten. "Ich freue mich auf die neue, schwere Aufgabe", sagt Kahric. Er ist bekanntermaßen ein Defensiv-Spezialist, aber selbst gegen Türkgücü wolle man sich "nicht nur hinten reinstellen", sagt er. So schwer die Aufgabe auch wird, in gewisser Weise wird sie es erst nach dem Spiel gegen Türkgücü, das für Kahric anmutet wie ein großes Klassentreffen.

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