Es fällt im Augenblick nicht schwer, Menschen zu finden, die sich über die Fußballregeln echauffieren. Mal zählt, wie neulich bei Hannover 96, ein Tor nicht, weil der Schiedsrichter kurz zuvor den Ball zart berührte. Bei Kiel gegen Bochum gab es Elfmeter, weil ein sich warm machender Ersatzspieler den ins Aus trudelnden Ball Millimeter vor der Linie stoppte. Trainer bekommen jetzt gelbe Karten und Sperren, und über all dem schweben die Dauerdiskussionen zum Videoassistenten und zur Handspiel-Regel, über die Dortmunds Trainer Lucien Favre im Frühjahr fassungslos die schöne Frage stellte: "Ich will wissen: Wer hat das erfunden?"
Manche Regel-Aufregung klingt fundiert, manche eher nach Unfug, aber formal ist eine Sache ganz einfach. Erfunden hat Hand-, Elfmeter- und sämtliche anderen gültigen Fußballregeln eine Einrichtung namens International Football Association Board (Ifab), das an diesem Dienstag mal wieder zu einem wichtigen Treffen zusammenkommt.
Die Fußballgötter:Alarm beim Video-Schiedsrichter
Und wieder entscheidet der VAR. Aber über wessen Wohl und Wehe diesmal?
157 Seiten umfasst sein aktuelles Regel-Kompendium (inklusive zehnseitigem Protokoll zum richtigen Einsatz des Videoassistenten). Alle Verbände dieser Welt haben sich dem Ifab als Regel-Instanz unterworfen, auch der Deutsche Fußball-Bund. Doch wie genau das abläuft, bis das Ifab eine Regel einführt, verändert oder abschafft, ist schon nicht mehr so einfach nachzuvollziehen. Aber eines gilt: Bei den zentralen Fragen geht nichts gegen den Willen von Weltverbands-Präsident Gianni Infantino.
Das Ifab - ein eingetragener Verein mit acht Angestellten
Zunächst einmal ist wichtig, dass das Ifab nur fünf Mitglieder hat: die Verbände von England, Wales, Schottland und Nordirland - und die Fifa. Das liegt an einer ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte: 1886 schlossen sich diese vier britischen Nationalverbände im Ifab zusammen, um sich für ihre damals noch junge Sportart auf gemeinsame Regeln zu verständigen. 27 Jahre später trat die Fifa als Weltverband bei - und vertritt seitdem sozusagen alle anderen, aktuell 207 nationalen Verbände der Welt.
Seit 2014 ist das Ifab ein eigener eingetragener Verein mit Sitz in Zürich, mit acht Angestellten und einem Jahresbudget von etwas mehr als einer Million Euro - finanziert im Wesentlichen von der Fifa. Lange haftete dem Ifab der Ruf an, eine Versammlung sehr konservativer Gemüter zu sein. Aber in den vergangenen Jahren gab es recht viele Regeländerungen und Experimente.
Das Treffen, das an diesem Dienstag ansteht, ist das "Annual Business Meeting", die zweithöchste Stufe des Ifab. Auf dieser Ebene haben die Fifa-Generalsekretärin und die vier Generalsekretäre der Nationalverbände das Sagen. Sie beratschlagen das, was die Fußballwelt in den letzten Monaten regeltechnisch bewegt hat und was verschiedene mit Experten gespickte Fachkomitees des Ifab an Anregungen und Ideen gesammelt haben. Zur aktuellen Agenda gehören etwa Präzisierungen bei den Dauerbrennern Videoreferee und Handspiel, aber auch ein möglicher zusätzlicher Spielerwechsel bei Kopfverletzungen und das Verhalten der Spieler auf dem Feld.
Weshalb eine Stimme der Fifa vierfach zählt
Diese Geschäftsleiter-Ebene und der hauptamtliche Apparat sind der operative Teil des Ifab. Sie können auch Regel-Experimente anstoßen oder eingreifen, wenn eine Regel anders angewandt wird als es bei der Implementierung gedacht war - wie bei dem vom Ersatzspieler verursachten Elfmeter bei Kiel gegen Bochum, der sich deshalb in dieser Form nicht wiederholen soll. Doch wirkliche Veränderungen im Regelwerk können sie nicht beschließen, da können sie nur Vorschläge machen fürs höchste Ifab-Gremium: die Jahresversammlung.
Diese steht im ersten Quartal eines jeden Jahres an, das nächste Mal am 29. Februar 2020 in Belfast. Da kommen dann die Delegationen der fünf beteiligten Verbände zusammen, in der Regel unter der Leitung ihrer Präsidenten. Das sind im Moment: Greg Clarke (England), Kieran O'Connor (Wales), Rod Petrie (Schottland) und David Martin (Nordirland), alles Herren in den Sechzigerjahren - und Fifa-Boss Gianni Infantino, 49.
Bemerkenswert ist dabei aber die Stimmverteilung. Insgesamt gibt es acht Stimmen, für eine Regel-Änderung ist eine Dreiviertelmehrheit notwendig. Die Stimme der vier Nationalverbände zählt jeweils einfach, die der Fifa vierfach. Theoretisch ist es zwar denkbar, dass der Weltverband einzelnen Mitgliedern seiner Delegation je eine Stimme übergibt. Aber praktisch ist das nicht der Fall, sondern die Fifa stimmt en bloc ab - und so kann der Weltverband alles verhindern, was ihm in Regelfragen nicht in den Kram passt.