Fußball: Real Madrid:"Wir sind noch lange nicht fertig!"

Emilio Butragueño über die Rekordtransfers von Real Madrid, den neuen Präsidenten Florentino Pérez und die weitere Verstärkung des Kaders.

Interview: Javier Cáceres

Der frühere Weltklassestürmer Emilio Butragueño, 45, spielte seit seiner Jugend für Real Madrid. Er gehörte zur letzten triumphalen Generation von Spielern aus der Nachwuchsabteilung des Klubs, genannt: der Jahrgang des Geiers (la Quinta del Buitre), in Anlehnung an Butragueños Spitznamen "El Buitre" (der Geier). 1995 verließ er Real und ließ seine Karriere in Mexiko ausklingen. Er studierte Wirtschaft, arbeitete als Sportdirektor Reals, er gehörte zum ersten Präsidium von Florentino Pérez (2000 bis 2006) und ist nun, in der zweiten Amtszeit von Pérez, wieder dabei, diesmal als "Direktor für Beziehungen zu den Institutionen".

Fußball: Real Madrid: Reals Mann für Beziehungen nach außen: Emilio Butragueño, 45.

Reals Mann für Beziehungen nach außen: Emilio Butragueño, 45.

(Foto: Foto: Reuters)

SZ: Señor Butragueño, ist es wirklich vernünftig, 94 Millionen Euro für Cristiano Ronaldo zu zahlen?

Butragueño: Wir haben ein Beispiel aus vergangenen Jahren, Zinédine Zidane. Er war damals der teuerste Einkauf der Klubgeschichte. Wenn wir die Fans von Real Madrid darauf ansprechen würden, würden sie in wundervollen Erinnerungen schwelgen. Oft ist das Billige teuer und das Teure schließlich billig. Aus fußballerischer Sicht gibt es nicht den geringsten Zweifel, dass Cristiano Ronaldo und Kakà unter den Besten der Welt sind und der Mannschaft enorm weiterhelfen werden. Wirtschaftlich ist die Frage, ob es ratsam ist, viel Geld in zwei Spieler dieser Kategorie zu stecken, oder in sechs Spieler, die gut, aber keine Superstars sind. Wenn es um Zahlen geht, muss man Florentino vertrauen. Er weiß sehr gut, was er tut. Lassen wir ihm Zeit.

SZ: Die Real-Fans sind euphorisch, doch in weiten Teilen der Gesellschaft gibt es ob der Transfersummen auch ein Gefühl der Empörung. Wegen der Wirtschaftskrise, wegen der Arbeitslosigkeit, wegen der Probleme, die Unternehmen haben, Kredite zu bekommen. Gibt es bei Transfers auch so etwas wie, sagen wir: eine moralische Dimension?

Butragueño: In diese Debatte müssen wir nicht einsteigen. Der Punkt ist doch: Real Madrid weckt weltweit Erwartungen, und diesen Erwartungen muss der Klub gerecht werden. Es gibt einen neuen Präsidenten, einen neuen Vorstand, eine neue Mannschaft, und alle wollen gemeinsam, dass Real Madrid Titel gewinnt, dass die Leistungen des Teams auf der Höhe der Geschichte des Klubs sind. Für uns ist jetzt das Wichtigste, eine Mannschaft zusammenzustellen, die so wettbewerbsstark ist wie nur irgend möglich. Das muss unser Ziel sein. Und wie gesagt: Wirtschaftlich betrachtet ist Florentino ein Mann von enormen Fähigkeiten. Wenn er entschieden hat, dass man diese Ausgaben tätigen kann, wäre ich als madridista sehr gelassen.

SZ: Ihr Liga-Rivale FC Barcelona kritsiert die Einkäufe: Sie würden den Markt kaputtmachen und marktfremde Preise zahlen. Ziehen Sie sich diesen Schuh an?

Butragueño: Wir müssen uns um unsere Angelegenheiten kümmern und dafür sorgen, die bestmögliche Mannschaft zu haben. Das ist unsere Pflicht, nichts anderes. Fußball ist ein sehr populäres Geschäft, da ist normal, dass Leute ihre Meinung äußern.

SZ: Sie waren bei Real Madrid Vizepräsident und haben Wirtschaft studiert. Sie haben über emotionale Rentabilität gesprochen, aber ...

Butragueño: ...die Frage ist doch ganz einfach: Eines der Ziele des neuen Präsidiums von Real Madrid ist, die Mannschaft zu stärken. Ist es aus fußballerischer Sicht von Vorteil, Ronaldo und Kakà zu holen? Ja, ohne jede Frage. Ob mehr oder weniger bezahlt wird, damit müssen sich die Marketing- und Wirtschaftsfachleute befassen.

SZ: Inwiefern hat sich Florentino Pérez verändert?

Butragueño: Wir Menschen sind, wie wir sind. Wir haben unsere Tugenden und wir haben unsere Fehler. Aber dies hier hat gerade erst angefangen, Florentino ist seit gerade einmal zehn Tagen da.

SZ: Von außen wirkt es, als würde er wieder seiner alten Neigung verfallen, bloß nach Namen ...

Butragueño: ... ich halte das für eine falsche Betrachtung. Wir sprechen nicht über Namen, sondern über die vier oder fünf besten Spieler der Welt! Über Spieler von allerstem Weltrang! Wie kann man da denken, dass es ein Fehler sein könnte, Ronaldo oder Kakà zu holen?

"Ribéry ist interesantísimo"

SZ: Das ist ja auch nicht der Punkt. Die Frage ist doch, einen ausgeglichen Kader zusammenzustellen. Und da...

Butragueño: ... aber wir fangen doch gerade erst an! Lassen Sie uns Zeit! Sie spielt doch schon für uns. Normalerweise wäre die Saison in Spanien noch gar nicht vorbei, durch den Confederations Cup ist der letzte Spieltag vom Juli vorverlegt worden. Zudem hat es keine Präsidentschaftswahlen gegeben ...

SZ: ...weil Pérez keinen Gegenkandidaten hatte, wurde er vor zwei Wochen zum Präsidenten bestimmt...

Butragueño: ... und wir haben also viel Zeit gewonnen, um die Mannschaft zusammenzustellen und alles zu beschleunigen. Die Saison 2009/2010 beginnt erst Ende August. Wenn Sie sehen, was Florentino Pérez in zehn Tagen auf die Beine gestellt hat, was meinen Sie wohl, wozu er - he, he, he - in zweieinhalb Monaten fähig ist? Ich kann ihnen versichern: Wir sind noch lange nicht fertig!

SZ: Wie fällt Ihre Analyse der ersten Pérez-Etappe von 2000 bis 2006 aus?

Butragueño: Die Vergangenheit ist dazu gut, sich am Schönen zu bereichern und aus dem Schlechten zu lernen. Sie ist nicht dafür da, dass wir jetzt alle beieinandersitzen und den ganzen Tag verflossene Zeiten analysieren. Hier hat eine neue Etappe begonnen. Wir gehen alle mit enormer Freude an die Arbeit. Der Madridismus ist mit den Transfers sehr zufrieden, ohne Frage. Die Fans sind begeistert. Wir haben damals in anderen Zusammenhängen gelebt, nun müssen wir uns neuen Umständen anpassen und in diesem Rahmen Entscheidungen treffen, um eine große Mannschaft zu bauen.

SZ: Woran denken Sie denn, wenn Sie von den negativen Dingen reden, aus denen man lernen müsse?

Butragueño: Wir sind nicht dafür da, öffentliche Kritik an der Vergangenheit zu äußern. Sie muss intern gemacht werden. Hier sind intelligente Leute am Werk, die große Erfahrung haben. Man muss sie arbeiten lassen - und sie an ihren Ergebnissen und Leistungen messen. Vielleicht können wir es dabei belassen: Pérez' damalige Amtszeit war eine große Epoche, die kein so gutes Ende fand. Wir sollten uns an den ersten Jahren orientieren und versuchen, alles zu vermeiden, was später verkehrt lief.

SZ: Die fußballerische Referenz des Sommers ist der FC Barcelona mit seinen drei Titeln. Korrekt?

Butragueño: Barcelona hat eine wundervolle Saison gespielt, ohne Zweifel.

SZ: Stehen diese enormen Investitionen nicht sinnbildlich für eine weitere Niederlage Real Madrids?

Butragueño: Der Klub hat die Situation analysiert und ist zu der Erkenntnis gekommen, dass eine beträchtliche Anstrengung unternommen werden muss. Florentino Pérez hat das bereits vor Amtsantritt gesagt. Unsere letzte Saison war nicht gut, das steht außerhalb jeder Diskussion. Pérez ist ein Siegertyp. Doch über allem steht, dass es Real Madrid verdient, die Saison mit ausreichend Waffen zu beginnen, dass es möglich ist, alle drei Titel zu gewinnen.

SZ: Das bedeutet: Die besten Spieler der Welt nach Madrid zu holen. Zählt Franck Ribéry vom FC Bayern dazu?

Butragueño: Ribéry ist ein sehr interessanter Spieler. Interesantísimo. Aber, wie gesagt, ich bin nicht in der sportlichen Leitung. Ich weiß nicht, was in den kommenden Wochen passiert. Wir sollten also alle ruhig und gelassen bleiben.

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