Süddeutsche Zeitung

Erling Haaland:Knapp am Knast vorbei

Quarantäne oder nicht? Was hinter dem Trubel um Erling Haaland und andere norwegische Fußballer steckt.

Von Kai Strittmatter

Für einige Aufregung haben sie die letzten Tage gesorgt, Norwegens Bundesligaprofis Rune Jarstein (Hertha BSC), Alexander Sørloth (RB Leipzig) und Erling Haaland (BVB). Der deutsche Boulevard war sich nicht ganz einig, ob da nun ein "Wahnsinn" (BZ) zu beobachten war oder aber ein "Irrsinn" (Bild), ob den Spielern anfangs nur ein "Ausreiseverbot" (goal.com) aus Norwegen drohte oder aber am Ende gar "Gefängnis" (Berliner Kurier), oder, noch schlimmer: "Knast" (Bild). Dabei war schon am vergangenen Samstag klar gewesen, dass den Spielern weder das eine noch das andere drohte. Der Irrsinn tobte hier vor allem in den Schlagzeilen.

Eigentlich waren die Norweger in ihr Heimatland gereist, um an einem Spiel der norwegischen Nationalmannschaft gegen Rumänien teilzunehmen. Dann, am vergangenen Freitag war das, wurde Mitspieler Omar Elabdellaoui positiv auf Covid-19 getestet. Das Spiel wurde abgeblasen, der kompletten Mannschaft zehn Tage Quarantäne verordnet.

Oslos Amtsarzt Tore W. Steen erlaubte den aus dem Ausland angereisten Profis die Rückkehr in ihre momentanen Heimatländer, er drängte sie jedoch, ihre Quarantänezeit dort abzusitzen. Was für Jarstein, Haaland und Sørloth ein Verzicht auf einen Einsatz in der Bundesliga am kommenden Wochenende bedeutet hätte. Ein Zuwiderhandeln, sagte Amtsarzt Steen einer norwegischen Zeitung, betrachte er als Bruch der Quarantäne. Ebenso ermahnte der stellvertretende Direktor der Gesundheitsbehörde, Espen Rostrup, die gesamte Mannschaft zur Einhaltung der Quarantäne; er erinnerte auch daran, dass die Polizei in Norwegen Verstöße gegen die Corona-Regeln auch sanktionieren könne. Als Beispiel nannte er Geldstrafen für Bürger, die illegal nach Schweden zum Shoppen gefahren waren.

Sanktionen? "Das ist eine rein hypothetische Frage"

Die Zeitungen druckten daraufhin Auszüge aus Norwegens Infektionsschutzgesetz, demzufolge Verstöße mit Geldstrafen geahndet werden können, in besonders schweren Fällen auch mit bis zu zwei Jahren Gefängnis. Als die deutschen Vereine zu erkennen gaben, sie wollten die Norweger nach Rückkehr testen und sie dann aber auch spielen lassen, wenn die Ergebnisse den deutschen Covid-Regeln genügten, strickten deutsche Blätter aus dem norwegischen Gesetzestext flugs die Knastdrohung.

Allerdings vergaßen sie dabei, dass kein Mensch in Norwegen das jemals in Erwägung gezogen hatte. Im Gegenteil: Auch Amtsarzt Tore W. Steen hatte schon am Wochenende in Oslo gesagt, er setze auf das Verantwortungsbewusstsein der einzelnen Spieler. Nach möglichen Sanktionen befragt, antwortete er: "Das ist eine rein hypothetische Frage. Die Gemeinde Oslo hat keine Sanktionsmöglichkeiten." Ähnlich äußerte sich Gesundheitsminister Bent Høie. Er hoffe einfach, dass die Spieler sich ihrer Verantwortung bewusst seien, sagte er, aber natürlich könne er "Menschen, die im Ausland leben, keine Quarantäneanforderungen auferlegen". Tatsächlich war der einzige, der den Spielern konkret eine Bestrafung prophezeite, der twitternde Osloer Promi-Rechtsanwalt John Christian Elden, und selbst der relativierte seine Aussagen am Montag.

Das Dortmunder Gesundheitsamt bestätigte am Dienstag dann auch, dass es den BVB-Profi Haaland nach seiner Rückkehr befragt habe, ob und wie er Kontakt zu Elabdellaoui gehabt hatte. Dieser Unterredung zufolge "gehört Herr Haaland nicht zur Kategorie 1 (enger Kontakt)", teilte die Behörde dem Sportinformationsdienst mit. Der 20-Jährige müsse sich also nicht in Quarantäne begeben, Haaland könnte am kommenden Samstag gegen Hertha BSC somit zum Einsatz kommen.

Zuletzt wurde dann auch noch bekannt, dass einige Details in der Berichterstattung offenbar erfunden waren. So hatten norwegische Medien berichtet, die Profis seien per Linienflug zurück nach Deutschland geflogen, was einige prompt als unverantwortliches Verhalten kritisierten. Stimmt nicht, meldet der Sender TV2 nun: Es waren offenbar Privatflieger gechartert worden. Das Boulevardblatt Verdens Gang hatte derweil die Empörung geschürt mit einer angeblichen Vereinbarung, die alle Spieler der Nationalmannschaft unterzeichnet hätten, in welcher sie geloben, die Quarantäne bis kommenden Sonntag, 13 Uhr, einzuhalten. Kurz vor Mitternacht am Montagabend zog die Zeitung diese Meldung in einer dürren Korrektur zurück: "Es ist nicht wahr". Eine solche Unterschrift hat es offenbar nie gegeben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5118401
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/ebc
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.