Fußball - Nice:Plötzlich Kapitän: Tah wird bei Bayer doch gebraucht

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Leverkusens Jonathan Tah spielt den Ball. Foto: Friso Gentsch/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Leverkusen (dpa/lnw) - Bis vor Kurzem hatte Jonathan Tah in der Nationalmannschaft in dieser Saison doppelt so viele Einsätze wie für seinen Verein in der Bundesliga. Und insgesamt fast viermal so viel Spielzeit. Während Bundestrainer Joachim Löw beharrlich an dem Abwehrspieler festhält statt wie von großen Teilen der Öffentlichkeit gefordert Mats Hummels oder Jerome Boateng zurückzuholen, saß Tah bei Bayer Leverkusen fast ausschließlich draußen.

57 Minuten Bundesliga führte seine Einsatz-Bilanz nach zwei Einwechslungen bis zum achten Spieltag am 21. November. Für das DFB-Team hatte Tah da schon viermal gespielt über insgesamt 194 Minuten. Darunter allerdings auch 45 ganz deprimierende Minuten in der zweiten Halbzeit des 0:6 in Spanien.

Als Leverkusen am vergangenen Donnerstag in der Europa League gegen den israelischen Pokalsieger Hapoel Be'er Sheva auflief, führte Tah plötzlich das Team als Kapitän aufs Feld. Weil die Innenverteidiger Sven Bender und Edmond Tapsoba, an denen es für ihn kein Vorbeikommen gab, fehlten, stand er in der Startelf. Und weil neben Kapitän Charles Aranguiz auch dessen Vertreter Lars und eben Sven Bender fehlten, trug er die Binde. Wenn Bayer am Donnerstag (21.00 Uhr/Nitro/DAZN) bei OGC Nizza um den Einzug in die K.o.-Runde spielt, dürfte Lars Bender wieder die Binde tragen. Doch Tah wird im vierten Pflichtspiel in Folge in der Startelf stehen.

Es sei "im Moment nicht einfach für mich", sagte der gebürtige Hamburger, als er Anfang November als Einwechselpieler in Freiburg getroffen hatte: "Ich bin Sportler, ich möchte spielen und immer auf dem Platz stehen." Im Moment darf er das, doch die Frage ist wie lange. Tapsoba ist nach positivem Corona-Test wieder einsatzbereit, wie lange die Sprunggelenkverletzung Sven Bender am Spielen hindern wird, ist offen.

In jedem Fall werden die kommenden Wochen für Tah wegweisend. Denn schon im vergangenen Sommer wollte er eigentlich weg, und es gab durchaus einen Markt für ihn. Doch Bayer wollte den 24-Jährigen, der 2015 als deutscher Innenverteidiger der Zukunft nach Leverkusen gewechselt war, nicht abgeben. Es ist schließlich die erste längere Krise Tahs, der mit 20 Jahren EM-Teilnehmer war und kurz vor der WM 2018 aus dem erweiterten Aufgebot gestrichen wurde.

Das Problem ist, dass er sich zuletzt kaum weiterentwickelte. Obwohl er athletisch ist, wirkt er immer auch ein wenig tapsig. Obwohl er mit vollem Einsatz spielt, umweht ihn auch immer ein gewisses Phlegma. Und obwohl er im Team hoch angesehen ist, ist er auch immer noch sehr ruhig auf dem Platz.

Es sind diese Widersprüche, die den Schritt zum internationalen Top-Verteidiger (noch?) verhindern. Doch bei Bayer darf er sich nun beweisen. Und weil eine Rückkehr von Hummels und Boateng ins Nationalteam spätestens nach der DFB-Mitteilung zum Verbleib von Löw ausgeschlossen scheinen, darf er auch auf die EM 2021 hoffen.

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