Fußball:Neun Freunde müsst ihr sein

Bald ist es möglich, dass bei Partien in unteren Ligen nicht elf, sondern weniger Akteure spielen - eine Fußball-Revolution. Vereine im Rheinland testen das Projekt schon jetzt. "Das Spiel ist nicht mehr dasselbe" sagen sie.

Johannes Aumüller

Die Welt verändert sich, technologisiert sich, globalisiert sich und macht mit sich noch so einiges mehr. Doch inmitten all dieser Turbulenzen gab es immer einen unverrückbaren Pfeiler, etwas, das sich nie änderte: die Wichtigkeit der Zahl elf. "Elf Freunde müsst ihr sein", sagte einst Sepp Herberger, und so war es über lange Jahre und so ist es rund um den Globus, von Buxtehude bis Barbados, von Garmisch bis Guinea-Bissau.

Fußball: Der Ball ist rund, das Spiel dauert 90 Minuten und auf dem Platz stehen elf Spieler. Von wegen: im Fußball ist vieles möglich.

Der Ball ist rund, das Spiel dauert 90 Minuten und auf dem Platz stehen elf Spieler. Von wegen: im Fußball ist vieles möglich.

(Foto: Foto: dpa)

Und nun? Nun ging ausgerechnet der normalerweise so konservative Deutsche Fußball Bund (DFB) her und revoluzzte ein bisschen herum. Die Zahl elf hat nicht mehr länger diese allumfassende Anziehungskraft. Ab der kommenden Saison, so beschloss es Ende des vergangenen Jahres der DFB-Bundestag, sind im unteren Ligenbereich flexible Mannschaftsstärken zulässig. Sicher, es gibt quer durch die Fußball-Republik schon so allerhand: Fünfermannschaften bei Bambini, Siebenerteams bei B-Juniorinnen, Neuneraufstellungen bei A-Jugendlichen. Doch ein echtes Fußball-Ligaspiel zwischen echten Männern mit nur neun statt elf Spielern - das scheint nur schwer vorstellbar.

Spieler laufen mehr und bolzen mehr

Ist es aber. Denn parallel zum offiziellen Beschluss läuft im Fußballverband Rheinland (FVR) bereits ein Projekt zu diesem Thema. In die Reserveklasse des Fußball-Kreises Mosel/Hunsrück gliederten die Verantwortlichen zu den normalen Elfer-Teams auch zwei Neuner-Teams ein. Die konkrete Umsetzung sieht so aus: Auf- und Abstieg gibt es in dieser Liga ohnehin nicht, spielen zwei Elfer-Mannschaften gegeneinander, bleibt alles ganz normal, treffen zwei Neuner-Teams aufeinander oder kickt eine Neuner- gegen eine Elfermannschaft, ist Herbergers Weisheit von den elf Freunden passé - und auf dem Platz kämpfen zwei Gegner, in deren Reihen sich jeweils nur neun Akteure befinden.

Was sich so einfach liest, führt zu vielen Diskussionen. Obwohl statt 22 nur noch 18 Mann auf dem Feld stehen, verringert sich die Platzgröße nicht. Beteiligte wie Leo Poss, Trainer des Elfer-Teams SG Sohren, sagen daher: "Das Spiel ist nicht mehr dasselbe." Die Akteure müssen mehr laufen, sie müssen anders laufen. Dort, wo im einstudierten Angriffsspielzug vor einer Woche noch der nachrückende Mittelfeldspieler stand, ist jetzt ein großes Loch. Selbst FVR-Präsident Walter Desch, der als der große Antreiber hinter dem Projekt gilt, sagt: "Das Spiel ändert sich dahingehend, dass mehr gebolzt wird. Im Mittelfeld wird nicht mehr so viel kombiniert."

Die Umstellung auf die Neuner-Teams führt zwangsläufig auch dazu, sich über ganz neue taktische Konzepte Gedanken zu machen. Poss nennt die Alternativen: "Der vorsichtige Trainer nimmt eher einen Angreifer raus, der forschere den Libero." 4-4-2- und 4-3-3 haben ausgedient, hoch im Kurs steht bei den Spielen mit Neuner-Mannschaften gerade das 3-3-2-Modell oder das 3-4-1-System mit offensiven Außen im Mittelfeld. Doch die Außen müssen einige Laufmeter mehr pro Spiel absolvieren, weil sie nun meistens eine Seite ganz alleine beackern.

Ausbau angestrebt

Insgesamt sind die Verantwortlichen mit dem Verlauf des Projekts zufrieden. "Wir wollen das in der kommenden Saison noch weiter ausdehnen", sagt Desch, "und es haben auch schon einige Vereine gesagt, dass sie mitmachen wollen." Das ein oder andere steht dabei zur Debatte. Zum Beispiel kann sich Desch vorstellen, nicht wie bisher über den ganzen Platz, sondern nur von Strafraum zu Strafraum zu spielen. Das käme Mannschaften wie der SG Sohren und ihrem Trainer Poss entgegen: "In unserer Liga, da sind doch die Spieler nicht so konditionsstark und müssen trotzdem zu neunt über den ganzen Platz spielen. Den Bundesligisten könnte man doch viel eher zumuten, mehr zu rennen."

Vor allem Vereine aus kleineren Orten, die vielleicht keine Elfer-Mannschaft mehr zusammen bekommen, soll die Idee in den kommenden Jahren ansprechen. Oft genug verweist man darauf, dass mit Blick auf die demographische Situation die Verringerung der Mannschaftsstärke nur ein Element sei. Auch Zweitspielgenehmigungen oder die Bildung von Spielgemeinschaften könnten dem Problem entgegen wirken, dass ein Verein ohne die genügende Anzahl an Spielern dasteht. Kritiker halten dagegen: Wer keine elf Spieler versammeln kann, kann auch keine neun versammeln. Aber wer weiß, vielleicht sind ja bald auch sieben Mann genug, um ein Ligaspiel auszutragen? Die Welt verändert sich, und der Fußball verändert sich in ihr.

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