Fußball-Nationalmannschaft:Nächster Sieg für Löw

Bundestrainer Joachim Löw setzt den U-21-Trainer seiner Wahl durch - gegen den Willen des Sportdirektors Matthias Sammer. Doch nun naht eine noch viel wichtigere Personalentscheidung.

Philipp Selldorf

Theo Zwanziger hatte gegen Ende der vorigen Woche dringenden "Gesprächsbedarf" erkannt, er war verärgert und unzufrieden, und er hat deshalb keine Zeit verloren, um den dringenden Bedarf zu befriedigen. Für Montagvormittag bestellte er die beiden Parteien nach Frankfurt in die DFB-Zentrale, gegen zehn Uhr fanden sich Joachim Löw und Matthias Sammer beim Präsidenten ein, auch Generalsekretär Wolfgang Niersbach kam hinzu. Dann wurde die Tür geschlossen und Zwanziger fragte seine Führungskräfte - so muss man vermuten -, ob sie noch recht bei Trost seien.

Michael Ballack, Patrick Owomoyela

Michael Ballack ist zurück in der Bundesliga. Und wohl bald auch in der Nationalelf - als deren Kapitän?

(Foto: AP)

Den Streit zur Lage des U21-Nationalteams, den Löw und Sammer über die Medien ausgetragen hatten, hatte der DFB-Präsident als überflüssig und sogar als "lächerlich" bezeichnet. Nach dem Treffen in Frankfurt hatte jedoch eher Löw als Sammer Grund dazu, den Schauplatz mit einem Lächeln zu verlassen. Die Runde kam laut Mitteilung aus dem DFB-Hauptquartier darin überein, dass U21-Trainer Rainer Adrion Gelegenheit bekommt, seinen bis 2011 laufenden Vertrag beim DFB zu erfüllen. Sammer hatte dies wegen des blamablen Scheiterns der U21-Elf in der EM-Qualifikation in Frage gestellt, er hätte Adrion offenbar gern durch den Juniorentrainer Horst Hrubesch ersetzt, Löw hingegen hatte für die Fortsetzung der Beschäftigung plädiert. Er hatte den früheren Stuttgarter Jugendtrainer Adrion mehr oder weniger selbst ins Amt gesetzt.

"Chef ist der Bundestrainer"

Das Treffen in Frankfurt markiert einen weiteren Versuch, eine produktive Kommunikation zwischen Sammer und Löw in Gang zu setzen. Die beiden sollen laut Verbandsführung demnächst "zu weiteren Gesprächen mit Adrion zusammenkommen". Außerdem, hieß es, "wurde erneut festgestellt, dass Bundestrainer Löw den U21-Trainer benennen kann und dies - wie auch bisher - in enger Abstimmung mit Sportdirektor Sammer tun wird". Zwar konnte von einer engen Abstimmung bisher eher weniger die Rede sein, aber man gibt beim DFB die Hoffnung nicht auf. Wobei sich Sammer damit abfinden muss, dass Zwanziger künftig zu seinem Wort stehen will, das er jüngst bei Löws Vertragsverlängerung gegeben hatte: "Chef in allen sportlichen Fragen ist der Bundestrainer" - mit dieser am Montag unterstrichenen Aussage sind die Verhältnisse eindeutig definiert.

Comeback des Capitano

Nach der vorläufigen Erledigung des U21-Streits kann Löw sich wieder seiner eigentlichen Bestimmung widmen, am Freitag wird er seine Mannschaft für die EM-Qualifikationsspiele in Belgien (3.9.) und gegen Aserbaidschan (7.9. in Köln) benennen. Diese Nominierung ist kein Routineakt, das Fußball-Land wartet darauf, wie Löw die Rückkehr Michael Ballacks ins Team steuert. Dass der vormalige Mittelfeldchef und Capitano wieder einen Platz in der Nationalelf erhält, darf als sicher gelten, der Bundestrainer hatte auch nie etwas Gegenteiliges erklärt oder angedeutet. Die Frage ist jedoch: Wann kehrt Ballack zurück? Und: Welchen Rang teilt ihm der Trainer zu?

DFB - Trainer Adrion

U21-Nationaltrainer Rainer Adrion verpasste mit seiner Mannschaft die EM-Qualifikation. Nach einem blamablen 1:4 gegen Island.

(Foto: dpa)

Mit Bayer Leverkusen hatte Ballack am Sonntag sein erstes Bundesligaspiel bestritten, Löw gehörte zu den 82000 Augenzeugen im Dortmunder Stadion. Der Heimkehrer blieb 90 Minuten auf dem Platz, obwohl ihm einige Fehlpässe unterliefen und er schon eindrucksvoller gespielt hat als am Sonntag. Trainer Jupp Heynckes hob jedoch die wirkungsvolle Präsenz des neuen, alten Stars hervor, seinen Beitrag zum taktischen Konzept und nicht zuletzt den Ehrgeiz und die Zielstrebigkeit, mit der er seinen Aufbau nach der Bänderverletzung Mitte Mai betrieben habe: Vor vier Wochen sei ja gar nicht daran zu denken gewesen, "dass er hier über die volle Distanz gehen kann".

Die Lösung der K-Frage

Löw hat sich zu Ballacks Leistung nicht geäußert, er hat sich vorgenommen, bis zur Kaderbenennung keine Statements abzugeben, um Missverständnisse zu vermeiden. Diese Stillhaltestrategie hatte sich in den vergangenen Monaten auch bei anderen heiklen Themen bewährt. Dennoch zeichnet sich ab, dass sich Ballacks Lage entspannt. Während der WM war der begründete Eindruck entstanden, die Mannschaft wolle das nächste Turnier lieber ohne ihn angehen, inzwischen hat sich ein anderes Meinungsbild ergeben. Darüber tritt dann auch die wochenlang dramatisch diskutierte Kapitänsentscheidung in den Hintergrund. Wenn Ballack zurückkehrt, dann werde er wohl auch wieder die Kapitänsrolle erhalten, heißt es. Philipp Lahm, der andere Bewerber, hat bereits versprochen, keinen Protest einzulegen, sollte er die während der WM getragene Schleife zurückgeben müssen.

Bevor Ballack am Mittwoch mit Leverkusen zum Europa-League-Rückspiel nach Simferopol reist, darf er mit einem Anruf rechnen - Löw hat ihm das Telefonat in einer SMS angekündigt. Man wird über die Kapitänsfrage reden und über die beiden Länderspiele, und auch Lahm kann Löws Anruf erwarten. Sobald sich die Konkurrenten dann beim Nationalteam treffen, soll ein gemeinsames Gespräch folgen. Ballack hat erklärt, dass er am liebsten bereits in der nächsten Woche seinen silbernen DFB-Koffer packen möchte. "Ich brauche Spiele, Spiele, Spiele", sagte er in Dortmund - Länderspiele inbegriffen.

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