Nationalmannschaft:Der Ehrenretter

Der neue Bundestrainer Hansi Flick soll der deutschen Nationalelf wieder erfolgreichen Fußball beibringen - und nebenbei die darniederliegende Reputation des DFB wiederherstellen.

Von Philipp Selldorf, Frankfurt

Mads Buttgereit gab bei seiner Präsentation im DFB-Hauptquartier eine spontane Empfindung wieder, die vor ihm schon viele Auserwählte vorgebracht hatten, wenn sie über den schicksalhaften ersten Anruf des Bundestrainers berichteten. Allerdings drückte er sich dabei wesentlich ungezwungener aus als die meisten seiner Vorredner. "Als Hansi anrief", erzählte er, "dachte ich: Da verarscht mich jemand. Aber dann erkannte ich, dass da wirklich was dran ist."

Dass Hansi Flick seinem künftigen Assistenten keinen Telefonstreich gespielt hatte, davon konnte sich das Fußball-Land überzeugen, als am Dienstag in der Zentrale des Verbandes in Frankfurt der neue Trainerstab der Nationalmannschaft zur öffentlichen Vorstellung zusammenkam. Die Töne schwarz und weiß bestimmten das Gruppenbild: das Quartett der Co-Trainer inklusive Buttgereit in schwarzen T-Shirts und der Chefcoach im weißen Oberhemd. Wer wollte, mochte an der Kleiderwahl sowohl Hierarchie als auch Traditionsbewusstsein ablesen - das preußische Schwarz und Weiß ist schließlich die originäre Trikot-Farbenkombination aus den Gründerzeiten des DFB.

Ein bisschen Sehnsucht nach den vergleichsweise unschuldigen Geburtsjahren klang durchaus an im Laufe der Veranstaltung, zu der sich auch der kommissarische Co-Präsident Peter Peters bemüht hatte. Zwar endete das erste deutsche Länderspiel 1908 mit einer 3:5-Niederlage in der Schweiz, und man war gedanklich noch weit entfernt vom Gewinn von Welt- und Europameisterschaften, aber der deutsche Fußball-Bund stand dafür auch nicht wie heutzutage im Ruf, eine intrigante und möglicherweise zwielichtige Vereinigung zu bilden.

Peters stellte das unvorteilhafte Ansehen seines Klubs nicht in Zweifel, als er den neuen Bundestrainer und sein Ensemble willkommen hieß. Die Reputation des DFB habe doch sehr gelitten im Zuge der jüngsten Funktionärskämpfe, gestand er, "der Verband braucht seine Ehre zurück - das ist ein ganz wichtiges Thema".

Auf die Anwerbung des Standardtrainers ist Flick erkennbar stolz

Die wichtigste Mannschaft des Verbandes - Flicks Nationalelf - soll nun ganz wesentlich dazu beitragen, "die Menschen in Deutschland wieder zu erreichen". Früher traten Bundestrainer dazu an, um das marode Team zu sanieren und fürs nächste Turnier aufzubauen - Franz Beckenbauer 1984, Rudi Völler 2000 oder Jürgen Klinsmann 2004 -, diesmal soll er nebenbei auch noch die gesamte moralisch darniederliegende Organisation kurieren: "Wir alle wissen, dass der DFB dringend notwendig eine Aufbruchsstimmung braucht", sagte Peters und richtete den Blick auf Hansi Flick.

Buttgereit, 35, erhielt für die Dauer der Veranstaltung den Ehrenplatz an der Seite des Bundestrainers. Sein Name war bisher nur Kennern geläufig, vor dem auf die EM befristeten Job beim dänischen Nationalteam hatte er sich als "Spezialtrainer" beim innovativen dänischen Erstligisten FC Midtjylland verdingt, zwischendurch stand er auch schon mal, allerdings folgenlos, auf der Wunschliste eines westdeutschen Großklubs, der neuerdings ein westdeutscher Zweitligist ist. Nun hat ihn Flick in die Mitte seines Mitarbeiterstabes aufgenommen und war über diese kleine Pioniertat erkennbar stolz. Als Fachcoach für Ecken, Freistöße und Einwürfe werde der neue Experte "unseren Spielern ganz neue Wege aufzeigen", versprach Flick.

Buttgereit, halb Däne, halb Deutscher, wie er sich selbst schilderte, hat die Blumen keineswegs zurückgewiesen. Auf seinem speziellen Gebiet sehe er noch viel Raum für Verbesserungen, "wenn man strukturiert arbeitet und die Spieler systematisch einbezieht", erklärte er. Dem Portal Transfermarkt hatte er vor einem Jahr selbstbewusst den Wert seiner Arbeit an den Standards dargestellt: "Wenn Topmannschaften bereit wären, zusätzliche Zeit in das Training von Freistößen oder Eckballsituationen zu investieren, wären sie auf Jahre unschlagbar."

Kein einziges Mal fällt der Begriff "Umbruch"

Die Prophezeiung einer unbesiegbaren deutschen Nationalmannschaft hatte es zuletzt vor 31 Jahren gegeben, Berti Vogts leidet bis heute an dem Spruch seines Vorgängers Beckenbauer. Flick braucht sich in der Beziehung jedoch keine Sorgen zu machen, von Jogi Löw hat er keinen Ballast zu befürchten. Wie in all den Jahren zuvor hat sich Löw nach der EM, seinem Abschiedswerk, in die Einsiedelei begeben, in der man ihn nicht hört und nicht sieht. Flick hat es immerhin geschafft, mit seinem Vorgänger zu telefonieren.

Ein Übergabeprotokoll wurde dabei nicht angefertigt, und Ratschläge wird der Nachfolger auch nicht angefordert haben. Er kennt den Verband, er kennt den Betrieb, er kennt die Spieler, und er hat seine eigenen Vorstellungen, die sich von Löws Herangehensweise in zumindest einer Beziehung wesentlich unterscheiden: Flick steht dem Spiel näher als der Spielidee, bei Löw war es oft umgekehrt.

Auch deshalb fiel im Rahmen des Kennenlerntermins keinmal der Begriff "Umbruch", von pädagogischen Gründungsplänen war keinerlei Rede. Während Löw die EM-Teilnahme der aus Altersgründen schon verabschiedeten Cracks Thomas Müller und Mats Hummels als vorübergehend erfolgssteigerndes Manöver beschrieb, handelte es sich für Flick um eine sportliche Selbstverständlichkeit.

"Die besten Spieler sollen für Deutschland spielen", dieses Motto soll eines seiner tragenden Prinzipien sein. Solange Müller und Hummels hochklassige Leistungen brächten, "wovon ich ausgehe", dann würden sie auch eingeladen - "und zur Mannschaft gehören". Diesem Grundsatz folgend hält er sich auch die Reaktivierung von alten Größen wie Marco Reus oder Mario Götze offen. Das sei ja das Schöne am Beruf des Bundestrainers: "Man kann schauen, wer gut drauf ist, und die Spieler holen, die man haben möchte." Anders etwa als im Verein, wo man darauf angewiesen ist, dass der Sportdirektor dieselben Spieler holen möchte.

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