Fußball-Nationalelf:Hindernisse für Ballack

Michael Ballack ist derzeit nicht bei der Nationalelf - und doch allgegenwärtig. Auf seinem Weg zurück ins Team gibt es einige Hindernisse, sportliche und private. Ballack steht vor der schwierigsten Phase seiner Karriere.

Ludger Schulze

Für einen Abwesenden ist Michael Ballack außerordentlich präsent in diesen Tagen, da die Nationalelf ihre ersten Spiele der Qualifikation zur EM2012 austrägt. Der Geist des Sachsen schwebt über den Dingen, wenn Bundestrainer Löw analysiert, Ersatzkapitän Lahm den Wimpel aufs Feld trägt oder Khedira als eine Hälfte der Doppelsechs den Zweikampf sucht. So weit er auch weg sein mag - Ballack ist immer dabei.

Die Spieler der deutschen Nationalmannschaft registrieren dies mit einer Art gereizter Gelassenheit; man weiß einerseits, dass Fragen nach dem ehemaligen und künftigen Kapitän unvermeidlich sind, reagiert andererseits aber genervt, weilsie längst und soeben in Belgien den WM-Eindruck bestätigt haben, dass sie auch ohne Ballack großartig Fußball spielen können. Dass sie mit ihm den gleichen großartigen Fußball spielen, bedarf hingegen noch eines Belegs. Mit seinem Bekenntnis zum alten Kapitän hat Joachim Löw Michael Ballack den Weg zurück ins Team asphaltiert, die Stolpersteine am Rande aber konnte er nicht wegräumen. Ballack steht vor der schwierigsten Phase seiner Karriere.

Rein sportlich muss er sich nach seiner schweren Verletzung erst einmal rehabilitieren; selbst für einen großen Spieler wie ihn wird es kein Kinderspiel, sich angesichts der respektablen Konkurrenz im Mittelfeld von Bayer Leverkusen durchzusetzen. Und in der DFB-Auswahl wächst Zahl und Qualität der rivalisierenden Mitspieler noch deutlich.

Auch in anderen Lebensbereichen türmen sich Probleme für Ballack. Bayer hat ihn ja nicht nur wegen seiner fußballerischen Klasse geholt, sondern wegen seines untadeligen Rufs auch als Zugpferd für die Konzernwerbung. Eine in die Öffentlichkeit gezerrte Affäre mit einer Frau, die nicht seine ist, sondern Freundin eines Kollegen, hat Ballacks Image beschädigt. Im Augenblick dürften die Pharma-Chefs von Bayer beim bloßen Gedanken an PR-Kampagnen mit der berühmten Neuerwerbung von stechenden, nur mit ganz viel Aspirin zu bekämpfenden Kopfschmerzen befallen sein.

Keinen besonders großen Heiterkeitserfolg dürfte auch der verbale Amoklauf von Ballack-Manager Michael Becker nach sich gezogen haben, der vor Zeugen von einer "Schwulencombo" innerhalb der Nationalmannschaft gesprochen hat. Selbst wenn eine solche Behauptung aus der Abstiegszone der Stammtisch-Liga Aufschlüsse allein über die geistige Befindlichkeit des Urhebers zulässt, wäre es im Sinne eines harmonischen Klimas mit sportlicher Leitung und Mitspielern förderlich gewesen, wenn sich Ballack diesbezüglich von seinem Berater distanziert hätte.

Loyal hingegen haben sich jene Kollegen verhalten, die zuletzt auf die angestammten Kapitänsrechte Ballacks verwiesen, obwohl der teamorientierte Führungsstil von Philipp Lahm deutlich mehr Anklang findet als der raue, oft kränkende Umgangston des Platz- hirschen. Ballack wird, sofern er in einigen Wochen zur Nationalmannschaft zurückkehrt, einige Hürden zu überwinden haben, die aus Unbehagen, Argwohn und innerem Widerstand gemacht sind.

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