Fußball: Nach Abstieg von River Plate:Die Ultras ziehen in den Krieg

River Plate Buenos Aires, ein Klub so bekannt wie Real Madrid, steigt zum ersten Mal in die zweite Liga ab. Schon im Stadion eskaliert daraufhin die Gewalt, die gefürchteten argentinischen Hooligans liefern sich wüste Gefechte mit der Polizei.

Der Mob tobte schon vor dem Schlusspfiff. Als die ersten Gegenstände Richtung Spielfeld flogen, folgte der Spielabbruch und anschließend der Gewaltausbruch der Enttäuschten. 68 Verletzte, 50 Festnahmen - so die erste Schreckensbilanz nach River Plates historischem Fall in die Zweitklassigkeit des argentinischen Fußballs.

Es herrschten Szenen wie in einem Bürgerkrieg, Tränengas hing schwer in der Luft. Der Klub der Volksmassen aus Buenos Aires, in der Beliebtheitsskala Nummer zwei hinter den Boca Juniors, konnte nach dem 0:2 im Relegations-Hinspiel gegen CA Belgrano aus Cordoba das Unvorstellbare nicht mehr abwenden und verließ mit einem enttäuschenden 1:1 nach 80 Spielzeiten in der Ära des Profifußballs die Beletage der Primera Division.

"Das ist, als würde Real Madrid in die 2. Liga absteigen", beschrieb Spaniens Tageszeitung El País treffend. "Unvorstellbar, aber wahr", titelte dann auch Argentiniens Sportblatt Olé, während Clarín die Gewalt hervorhob. "Ein Ende mit Wut und schweren Zwischenfällen."

Bereits nach dem Hinspiel hatte es Morddrohungen von verwirrten Anhängern gegen die Spieler gegeben. Der Frust nach dem besiegelten Abstieg am Sonntag brach sich Bahn. Noch im Stadion versuchten Wasserwerfer die Gemüter der Barra Brava, der für ihren Fanatismus bekannten Ultras, zu kühlen. Die Fans antworteten, indem sie Sitzschalen als Wurfgeschosse einsetzten und Teile des Stadions in Brand setzten. Vor dem Estadio Monumental eskalierte die Gewalt weiter.

Nach dem Abpfiff verbreitete sich der Aufruhr schnell auf die Straßen rund um das mit 50.000 Zuschauern gefüllte Stadion. Der Versuch der Polizei, die wild gewordenen Anhänger durch den Einsatz von Wasserwerfern auseinander zu treiben, misslang. Zwei Polizisten erlitten Schädeltrauma, ihr Zustand sei ernst, hieß in einer ersten Mitteilung.

"Los Borrachos del Tablon"

Auf den Straßen wurden Müllcontainer und Autos in Brand gesetzt und Steine auf die Ordnungskräfte geworfen. Die ging anschließend mit Gummigeschossen und Tränengas gegen die Randalierer vor. Aber auch der vermeintlich größte Einsatz in der argentinischen Fußballgeschichte mit mehr als 2.200 Polizisten konnte die aufgebrachte Menge nicht kontrollieren. Sogar Berichte von Plünderungen machten die Runde.

Die Eskalation der Gewalt war vorhersehbar. Bereits im Hinspiel hatten Fans von River Plate den Zaun zum Innenraum während der Partie zerschnitten und hatten auf dem Platz Jagd auf die eigenen Spieler gemacht. Das Spiel wurde daraufhin 20 Minuten unterbrochen und ein Rückspiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Erwägung gezogen. Die Hooligans von River Plate sind in Argentinien gefürchtet. Unter ihrem Spitznamen "Los Barrachos del Tablon" ("Die Betrunkenen auf der Tribüne") verbreiten sie regelmäßig Angst und Schrecken.

Die Agonie des Rekordmeisters (33 Titel) endete ausgerechnet am 26. Juni. Am gleichen Tag vor 25 Jahren hatten sich die "Millonarios" zum zweiten und vorerst letzten Mal mit dem Libertadores-Cup-Sieg zu den Königen Südamerikas gekrönt. Als Klub-Idol Daniel Passarella, Weltmeister von 1978 und 1986, im Dezember 2009 das Präsidentenamt antrat, übernahm er von seinem Vorgänger umgerechnet rund sieben Millionen Euro Schulden. Und ohne die TV-Gelder für Erstliga-Teams droht jetzt sogar der finanzielle Kollaps, auf jeden Fall der Ausverkauf der Spieler.

Sportlich begann die Talfahrt 2008, als der Klub mit dem roten Diagonalstreifen auf der Brust erstmals Tabellenletzter wurde. Die negativen Resultate setzten sich auch in den folgenden fünf Halbjahresturnieren fort, zuletzt gab es neun Spiele ohne Sieg. Zur Erklärung: In Argentinien werden die Abstiegskandidaten anhand des Punktdurchschnitts der letzten drei Jahre ermittelt.

River Plate führt noch die Ewige Tabelle in Argentinien an, ist der Klub mit den meisten nationalen und internationalen Titeln, Wiege unzähliger Nationalspieler wie dem Fußballgenie Alfredo Di Stefano, Mario Kempes, Gabriel Batistuta, Hernan Crespo oder dem Ex-Wolfsburger Andres D'Alessandro, der sich als einer der wenigen Klubidole zu Wort meldete und bekannte: "Wir sind in Trauer vereint."

Ausschreitungen im Fußball sind in Argentinien generell an der Tagesordnung. Laut der Organisation "Let's Save Football" sind seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1924 insgesamt 287 Menschen im Zuge von Gewalt-Orgien in Verbindung mit Fußball ums Leben gekommen. Alleine 14 sind in den vergangenen 16 Monaten gestorben.

Hier sehen Sie Videos vom Tag in Buenos Aires auf der Internetseite der Sportzeitung Olé

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