Fußball:Mehr als 60 Prozent Sechzig

2. Fussball Bundesliga TSV 1860 München Fanfest Grünwalderstrasse

Teure Zugänge: Im Sommer zogen Ribamar (links) und Victor Andrade die Massen an die Grünwalder Straße, gespielt haben sie bislang selten.

(Foto: Stefan Matzke/sampics)

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Der TSV 1860 München hat nun neue Trainingsplätze, sogar mit einem Hybridrasen, wie ihn sich Pep Guardiola nicht schöner erträumen könnte. Vielleicht verletzen sich künftig nicht mehr so viele Spieler, und ganz vielleicht funktioniert im Winter die Rasenheizung. Das wäre wünschenswert, weil der Fußball-Zweitligist nicht nur in teure Halme, sondern auch in teure Beine investiert hat und nun Spieler wie Ribamar, Stefan Aigner und Ivica Olic in seinen Reihen hat. All das finanziert der jordanische Investor Hasan Ismaik - nach SZ-Informationen liegen hierfür allerdings hauptsächlich Darlehensverträge vor.

Derzeit wartet der Klub auf die Rückmeldung zu den Unterlagen, die er Ende Oktober im Rahmen der Nachlizenzierung bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) eingereicht hat. Es ist davon auszugehen, dass Ismaik in den kommenden Wochen zugesagte Darlehen überweisen muss. Sonst droht die Auflage, dass sich 1860 künftige Transfers vorab von der Liga genehmigen lassen muss, was die geplanten Spielerverpflichtungen in der Winterpause erheblich erschweren würde.

Zudem naht mal wieder der 31. Dezember, und diesem Tag blicken die Löwen so bang entgegen wie ein Labrador dem Silvesterfeuerwerk. Erneut müssen Darlehen in Genussscheine umgewandelt werden, um eine DFL-Strafe wegen Verschlechterung des Eigenkapitals zu verhindern. Genussscheine haben für ein Unternehmen den Vorteil, dass sie in der Bilanz als Eigenkapital geführt werden, aber für den Geldgeber den großen Nachteil, dass es deutlich unwahrscheinlicher ist, den Betrag wiederzusehen, als bei einem handelsüblichen Darlehen.

Im vergangenen Jahr verweigerte Ismaik diese Maßnahme, der TSV 1860 erhielt eine Geldstrafe von rund 750 000 Euro, diesmal droht als Wiederholungstäter sogar ein Punktabzug. Und in Vereinskreisen wird gemutmaßt, dass es sich bei der nötigen Umwandlung um einen Betrag handeln könnte, der den bisher gekannten Rahmen sprengt; vom niedrigen zweistelligen Millionenbereich ist die Rede.

1860 droht eine Strafe der DFL

TSV-Präsident Peter Cassalette geht "schon davon aus", dass Ismaik so viele Darlehen in Genussscheine umwandelt, wie es im Dezember nötig ist - trotz der Unzufriedenheit des Investors mit der sportlichen Entwicklung, in der sich die hohen Investitionen so gar nicht niederschlagen: "Man darf sich ja nicht von so kurzfristigen Rückschlägen umwerfen lassen, und ich glaube auch nicht, dass er der Typ dazu ist", sagt Cassalette.

Dazu kommt eine bislang noch nicht gekannte Problematik. Im März gab Sechzig die Lizenzierungsunterlagen für die laufende Spielzeit ab; dort waren Kaderkosten von etwa acht Millionen Euro angegeben. Ende Mai dann fassten die Verantwortlichen neue Pläne, was zu einer "Nichterfüllung der Auflage Planqualität" aus Sicht der DFL geführt haben könnte. Dann droht nach Saisonende eine Strafe von zehn Prozent der Abweichung. Der Posten Kader hat sich durch die Zugänge auf rund 16 Millionen Euro verdoppelt, dazu kommen die Infrastrukturmaßnahmen. Cassalette steht auf dem Standpunkt, dass der Klub die Änderungen der DFL rechtzeitig mitteilte, um die Strafe zu vermeiden. Es gibt aber auch Klubvertreter, die das anders einschätzen.

Im Frühjahr wird wieder eine Zahlung nötig sein

Im kommenden Frühjahr wird zudem wieder eine Zahlung nötig sein, um die Lizenz für die kommende Spielzeit 2017/18 zu ermöglichen; diese wird die 4,2 Millionen Euro, die Ismaik im Mai diesen Jahres zur Verfügung stellte, aller Wahrscheinlichkeit nach weit übertreffen.

Cassalette hat sich bereits darauf eingestellt, dass der Investor eine Gegenleistung für all diese Maßnahmen wünschen könnte: "Wir haben diese Szenarien alle in der Theorie durchgesprochen, auch mit ihm. Das weiß er alles, da muss er in die Initiative gehen", sagt der Präsident. "Wenn eine Forderung kommt, muss man das in den Gremien besprechen." Gut vorstellbar ist, dass Ismaik weitere KGaA-Anteile fordert - das zeigt die Vergangenheit.

Denn beim Einstieg 2011 erwarb er zwar 60 Prozent der Anteile, aber nur 49 Prozent der stimmberechtigten. Auf der Homepage des TSV 1860 heißt es immer noch: "Neben dem TSV München von 1860 e.V. (der seit der Ausgliederung 2002 2,6 Mio. Stückaktien hält), gibt es seit Juni 2011 mit der HAM Limited (die ~2,5 Mio. sowie weitere ~1,4 Mio. stimmlose Aktien hält) einen weiteren Kommanditaktionär." Zudem ist dort die Rede von "Einhaltung der 50+1 Regel der DFL durch die Aktienverteilung". Die dort genannten stimmlosen Aktien von Ismaiks Firma HAM Limited allerdings sind längst nicht mehr stimmlos.

Denn so genannte Vorzugsaktien, wie Ismaik sie erhielt, bekommen laut Aktiengesetz ein Stimmrecht, wenn das Unternehmen zwei Jahre lang keine Vorzüge gewährt, etwa keine Dividende auszahlt. Die veröffentlichten Bilanzen zeigen die derzeitige Situation bei Sechzig: "Das Kommanditkapital der Gesellschaft ist eingeteilt in 5 098 020 auf den Namen lautende Stückaktien sowie 1 401 980 auf den Namen lautende Stückaktien als Vorzugsaktien, deren Stimmrecht gemäß § 140 Absatz 2 AktG (...) aufgelebt ist." Mithin gehören Ismaik 60 Prozent der stimmberechtigten Aktien.

Mitgliederversammlung muss einer Veränderung der Anteile zustimmen

Verhindern konnte oder wollte dies von den damals amtierenden Präsidien - zunächst um Dieter Schneider, 2013 dann im Übergangspräsidium um Hep Monatzeder - niemand. Die 50+1-Regel, nach der Vereine die Entscheidungshoheit bewahren müssen, ist aus Sicht der DFL durch verschiedene Regelungen noch immer formal ausreichend gewahrt; hauptsächlich dadurch, dass der e.V. eine hundertprozentige Beteiligung an der Geschäftsführungs-GmbH hält. Eine entscheidende Bedeutung dürfte den stimmberechtigten Aktien erst dann zukommen, wenn eines Tages die 50+1-Regel fallen sollte und vor allem, wenn Ismaik seine Anteile dann verkaufen würde.

Für diese Fälle so viele Anteile wie möglich zu besitzen, ist im natürlichen Interesse Ismaiks als Investor. Nicht umsonst heißt es schon im Kooperationsvertrag aus dem Jahr 2011: "Für den Fall, dass es zum Wegfall (...) der 50+1-Regelung und der damit verbundenen Ausnahmeregelung kommt, streben die Vertragspartner eine (...) Übernahme weiterer Anteile/Aktien des TSV 1860 e.V. durch die HAM an."

Sollten diesmal Anteile an der KGaA Bestandteil eines Deals sein, würden es die Vereinsmitglieder zumindest mitbekommen. Ein Verkauf weiterer Aktien, betont Cassalette, gehe nur über die Mitgliederversammlung, die seit der Satzungsänderung mit einfacher Mehrheit zustimmen muss. Sollte der Investor also in die Initiative gehen, müsste der e. V. im Interesse Ismaiks zu einer außerordentlichen Versammlung laden. Es ist allerdings fraglich, ob sich dann eine Mehrheit findet, die die Sache so pragmatisch sieht wie ein Mitglied eines e.V.-Gremiums: "Vor ein paar Jahren haben wir mal unsere Seele verkauft, jetzt brauchen wir nicht mehr jammern. Jetzt ist es geschehen."

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