US-Fußball:Entlarvend sexistisch

US-Fußball: US-Kapitänin Megan Rapinoe (li.) kann sich nach dem WM-Gewinn im vorigen Sommer der Glückwünsche ihres damaligen Verbandschefs Carlos Cordeiro kaum erwehren.

US-Kapitänin Megan Rapinoe (li.) kann sich nach dem WM-Gewinn im vorigen Sommer der Glückwünsche ihres damaligen Verbandschefs Carlos Cordeiro kaum erwehren.

(Foto: Richard Callis/Fotoarena/Imago)
  • Die frühere Nationalspielerin und bisherige Vizepräsidentin Cindy Parlow Cone ist nun die erste Frau an der Spitze in der 107-jährigen Geschichte des US-Fußballverbandes.
  • Der bisherige Präsident Carlos Cordeiro tritt zurück, nachdem er unter anderem die Äußerung getroffen hatte, die Frauen seien körperlich zu weniger in der Lage als ihre männlichen Kollegen, beispielsweise bezogen auf Geschwindigkeit und Kraft.
  • Am Weltfrauentag hatten die Nationalspielerinnen Sammelklage gegen den Verband eingereicht: Die Fußballerinnen fordern eine Rückvergütung in Höhe von fast 67 Millionen US-Dollar wegen Verstößen gegen Gleichstellungsgesetze.

Von Anna Dreher

Dass das Thema noch nicht durch ist, war klar. Aber dann gleich so eine Wendung? Seit Jahren streiten sich der US-Fußballverband und seine prominentesten Vertreter, die Nationalspielerinnen, seit dem 8. März 2019 auch gerichtlich. Die Positionen scheinen dabei so verhärtet zu sein, die Beziehung so zerrüttet, dass eine einfache Lösung ohnehin nicht zu erwarten gewesen war - bei den Ereignissen zu Beginn der vergangenen Woche erst recht nicht. Und nun aber vielleicht wieder doch. Denn zumindest vorübergehend wird der Verband von einer Person geführt, die für den Kampf der Fußballerinnen mehr Verständnis aufbringen dürfte, als es der bisherige Präsident Carlos Cordeiro tat: Die frühere Nationalspielerin und bisherige Vizepräsidentin Cindy Parlow Cone ist nun die erste Frau an der Spitze in der 107-jährigen Geschichte des Verbandes.

Der öffentliche und interne Druck auf Cordeiro war nach Bekanntwerden eines Gerichtsschreibens so groß geworden, dass er nicht länger im Amt bleiben konnte. Das sah nach ereignisreichen Tagen auch der 64-Jährige ein. "Mir ist bewusst geworden, dass das Beste jetzt eine neue Richtung ist", schrieb er in einem öffentlichen Brief in der Nacht auf Freitag. "Die Argumente und die Sprache, die in der rechtlichen Einreichung enthalten sind, haben große Beleidigung und Schmerzen verursacht, insbesondere unseren außergewöhnlichen Spielerinnen der Frauen-Nationalmannschaft, die es besser verdienen. Es war inakzeptabel und unentschuldbar." Er habe nicht die Gelegenheit gehabt, das Schreiben vorab in Gänze zu prüfen, dafür übernehme er die Verantwortung - so versuchte Cordeiro nun einen glimpflichen Ausweg aus der Situation zu finden, wo es keinen mehr gab.

Die schmerzverursachende Sprache, von der Cordeiro schrieb, war im Rahmen der jüngsten Entwicklung des Streits geäußert worden. Am 8. März 2019, dem Weltfrauentag, hatten alle 28 Nationalspielerinnen eine Sammelklage gegen den Verband eingereicht. Dieser, so der Vorwurf, käme der Förderung einer Gleichstellung der Geschlechter nicht nach. Die finanzielle und infrastrukturelle Benachteiligung im Vergleich zu den Männern sei enorm. Vorangegangene Gespräche seien folgenlos geblieben. Und so sahen die Spielerinnen keinen anderen Weg als den juristischen.

Die Gerichtsverhandlung zwischen Mannschaft und Verband ist für den 5. Mai in Kalifornien angesetzt. Am 30. März ist eine Anhörung angekündigt, bei der ein Richter entscheiden soll, ob der Fall fortgesetzt wird, weil beide Seiten um eine schnellere Lösung gebeten hatten. Die Fußballerinnen fordern eine Rückvergütung in Höhe von fast 67 Millionen US-Dollar wegen Verstößen gegen Gleichstellungsgesetze. Ihrer Argumentation nach entspräche das der Summe, die den Frauen angesichts ihrer Erfolge nach dem Tarifvertrag der Männer bezahlt worden wäre. Der Verband wiederum will, dass das Verfahren komplett gestoppt wird, weil er keine Grundlage für die Forderung der Fußballerinnen sieht.

Die hierfür verfasste Erklärung zu Gleichstellungsfragen ist hoch umstritten. Sie hat Cordeiro um seinen Posten und, wesentlich gravierender, den gesamten Verband um viel Ansehen gebracht. Die Nationalspielerinnen, so argumentierte die Verbandsseite zusammengefasst, seien körperlich zu weniger in der Lage als ihre männlichen Kollegen, beispielsweise bezogen auf Geschwindigkeit und Kraft. Sie würden zudem weniger Verantwortung tragen als die Nationalspieler, wenn es um die Reputation des Verbands gehe.

Die Frauen haben im Sommer 2019 ihren Titel verteidigt, als sie zum vierten Mal Weltmeister wurden. Die Männer sind bei ihrem besten Abschneiden bei einer WM ein Mal Dritter geworden - 1930.

"Diese Institution muss sich verändern"

US-Medien zufolge sagte Brian Stolzenbach, leitender Anwalt des Verbands, diese Argumentation sei kein sexistisches Stereotyp, sondern schlicht unbestreitbare Wissenschaft. Es folgte eine Welle der Empörung, namhafte Sponsoren distanzierten sich. "Auch wenn es erfreulich ist, dass es einen so ohrenbetäubenden Aufschrei gegeben hat gegen die Frauenfeindlichkeit des US-Verbands - die von Carlos Cordeiro überwachte sexistische Kultur und Richtlinien sind seit Jahren von der Verbandsführung gebilligt worden", wird Molly Levinson, Sprecherin der US-Spielerinnen, von der Washington Post zitiert. "Diese Institution muss sich verändern und Frauen gleich unterstützen und bezahlen."

Die Spielerinnen erfuhren von den Äußerungen während des SheBelieves Cups, einem Vorbereitungsturnier in den USA. Vor dem Finale gegen Japan (das sie 3:1 gewannen) trug der gesamte Kader beim Mannschaftsfoto das Aufwärmtrikot linksherum. Die für jeden gewonnenen WM-Titel eingestickten vier Sterne waren noch zu sehen, das Wappen des US-Verbands nicht mehr. "Das ist nicht, wie der Sport regiert werden sollte, nicht in diesem oder einem anderen Land", sagte Megan Rapinoe, die als Kapitänin der US-Fußballerinnen eine führende Rolle in diesem Rechtsstreit einnimmt. Sie sprach von "offensichtlicher Frauenfeindlichkeit und Sexismus", den die Mannschaft schon lange gefühlt habe. Rapinoe sagte: "Wir glauben, dass Gleichberechtigung in allen Bereichen garantiert werden sollte und dass die Organisation, die verantwortlich für die Verwaltung des Sports in diesem Land ist, das Gleiche verfolgen sollte."

Ob dieser Wandel nun mit Cindy Parlow Cone kommt? Die 41-Jährige wird nach Angaben des Verbands bis zur Jahreshauptversammlung im Februar 2021 interimsweise übernehmen. Dort soll dann die neue Verbandsspitze für die verbleibende Periode von Cordeiro gewählt werden, um schließlich bei der planmäßigen Wahl 2022 die Führung für die turnusmäßig beginnende neue vierjährige Amtszeit zu bestimmen. Ob Parlow Cone das Amt behält, ist offen, wichtig aber sind ohnehin erst einmal die nächsten Monate. Die Aussagen des Verbands, zu dessen Führung sie selbst gehört, hatte Parlow Cone kritisiert. "Ich bin verletzt und traurig", schrieb sie auf Twitter. "Ich lehne die beunruhigenden Aussagen ab und werde weiter daran arbeiten, einen besseren Weg nach vorne zu finden."

Die Offensivspielerin gewann 1996 sowie 2004 Olympisches Gold und 1999 in ihrer Heimat die WM. Als ihre Nachfolgerinnen 20 Jahre später triumphierten, veröffentlichte das US-Frauenteam ein Foto von damals, das drei fröhliche Mädchen in einem Stadion zeigt, die Gesichter bunt bemalt. Eines davon ist Megan Rapinoe. Parlow Cone war eine ihrer ersten Fußballheldinnen.

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