Die WM rauscht dem Ende zu, und auf den Ehrentribünen in Moskau und Sankt Petersburg wächst die Aufbruchstimmung. Große Entscheidungen stehen in der Fußballwelt an. Gianni Infantino will 2019 den Thron des Weltverbandes verteidigen. Der umstrittene Fifa-Boss braucht dafür Voten, und um dem Stimmvolk aus 211 Landesverbänden die gängige teure Entwicklungshilfe offerieren zu können, braucht er angesichts der Wirtschaftslage des Verbandes solvente Helfer. Das ist nach Lage der Dinge: Saudi-Arabien. Und so erwächst der Szene in Gestalt von Kronprinz Mohammed bin Salman eine neue Schlüsselfigur - und dem saudischen Rivalen Katar ein Bedrohungsszenario. In Gefahr ist die WM-Ausrichtung 2022; zumindest die alleinige.
Die Situation ist angespannt, der Wahlkämpfer Infantino reißt die Fifa in die Wirren der Golfpolitik hinein. Schon Ende 2017 hatte der Präsident, dem die Finanzlage im Verband zusetzt, bei einem Besuch in Riads Königshaus einen Schulterschluss vereinbart. Wie eng, sollte der Fußball sehr bald zu spüren bekommen.
Saudi-Arabien reißt unter dem 33-jährigen Kronprinzen am Golf die Führungsrolle an sich, es boykottiert Katar gemeinsam mit Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain. Doha, lautet die Begründung, unterstütze Terroristen. Weil die Blockade Katar weniger hart traf als erhofft, zielen die Boykotteure nun auf den Fußball: auf die WM 2022. Das zeigte im Herbst ein Tweet von VAE-Geheimdienstchef Dhai Khalfan: "Wenn die WM Katar verlässt, wird auch die Krise vorbei sein (...), weil sie dafür geschaffen wurde." Interne Dokumente, die der SZ vorliegen, offenbaren gar eine Art Masterplan gegen das WM-Projekt in Katar.
Die Strategie von Katars Gegnern
Tatsächlich bieten sich dafür diverse Möglichkeiten an. Das beginnt mit der diskreten Amtshilfe für all die Strafbehörden von Washington über Bern bis Paris, die untersuchen, ob das Emirat die WM nach üblicher Fifa-Sitte gekauft haben könnte. Eine Fülle starker Hinweise liegt vor, womöglich fehlt der letzte, harte Beweis. Katar selbst bestreitet jede Korruption. Doch beziehen die transnationalen Ermittlungen nun auch Geldflüsse mit ein, die bei Untersuchungen der Vergabe der Leichtathletik-WM 2019 an Katar aufgetaucht sind. Sollte ein letzter Beleg für Stimmenkäufe in den nächsten ein, zwei Jahren auftauchen, würde die Fifa in die Lage geraten, ihr WM-Turnier kurzfristig neu vergeben zu müssen. Die US-Justiz führt ihre Strafermittlungen nach dem Anti-Mafia-Gesetz Rico; im Verfahren hat die Fifa nur einen wackeligen Opferstatus inne. Der kann sich in einen Täterstatus wandeln - etwa, falls die Fifa bei einer erwiesenen Korruption nicht die Konsequenz zöge.
Parallel fahren Katars Gegner mit Infantinos Hilfe eine zweite Schiene: die Aufstockung der WM 2022 in Katar von 32 auf 48 Teilnehmer. Viele Kleinverbände der Welt finden das verlockend, nur brächte sie das Emirat im Wortsinne an seine Grenzen. Es gäbe viel mehr Teams und Fans zu beherbergen - und überdies 80 statt 64 WM-Spiele zu veranstalten. Dafür stünden dann die feindlichen Nachbarn Saudi-Arabien und VAE bereit, gern würden sie einen Teil der Spiele bei sich austragen: Dann wäre das eine Golf-WM.
Nicht nur Doha verfolgt Infantinos Liaison mit Riad mit wachsender Sorge. Irritiert sind auch viele Spitzenleute im Weltfußball, sie ließen den Boss und seine neuen Freunde bereits auflaufen. Im März warf Infantino den Fifa-Ratsherren überfallartig ein 25-Milliarden-Dollar-Paket auf den Tisch: So viel wolle eine Investorengruppe für neue Turnierformate bezahlen, eine Klub-WM und eine Nationen-Liga. Der Fifa-Rat sollte abnicken. Wer hinter der Offerte steht, hat Infantino nie verraten; später sickerte durch, dass Saudi-Arabien die zentrale Rolle spielt. Der Vorstoß wurde abgeschmettert, nun sucht Infantino andere Wege, um die anonymen Gelder in den Weltfußball zu schleusen.