Süddeutsche Zeitung

Epo-Affäre um HSV-Spieler Vuskovic:Ein Urteil gibt es vorerst nicht

Im Fall Vuskovic vertagt das DFB-Sportgericht die Entscheidung und will sich weiter beraten, zu viel stehe auf dem Spiel. Das gilt für den Fußballprofi wie für die Welt-Doping-Agentur Wada.

Von Thomas Hürner, Frankfurt

An Unterstützung hat es nicht gefehlt, auch am Freitagnachmittag sind wieder alle da. In der ersten Reihe sein Berater Damir Smoljan, gleich neben der Mutter, ganz hinten sitzt Jonas Boldt, der Sportchef des Hamburger SV. An seiner Seite sind wieder seine drei Anwälte und ein Dolmetscher platziert, der die wissenschaftlichen Fachdebatten, die im Saal "Golden Goal" im DFB-Campus in Frankfurt vorgetragen werden, ins Kroatische übersetzt. Keine einfache Aufgabe, denn: Wie soll man da als Laie folgen?

HSV-Verteidiger Mario Vuskovic seit vergangenem Herbst angeklagt wegen mutmaßlichen Epo-Dopings, lauscht den Ausführungen jedenfalls aufmerksam, zu jeder Zeit. Doch der 21-Jährige weiß: Unterstützung, schön und gut. Letztlich entscheidet hier am DFB-Sportgericht eine andere Person, wie es mit seiner Profikarriere weitergeht - und ob sie weitergeht: der Vorsitzende Richter Stephan Oberholz, ein hagerer Mann mit Brille, der an den drei Verhandlungstagen mit harter Hand und bisweilen mit trockenem Humor durch den Prozess führt.

Um 17 Uhr verkündet er dann: Ein Urteil gibt es vorerst nicht, dieses werde in spätestens zwei Wochen schriftlich nachgereicht. Der Grund: Das Gericht wolle sich nochmal beraten, und zwar in aller Ausführlichkeit, wie Oberholz erklärte. Für einen Schnellschuss stehe einfach zu viel auf dem Spiel. Zuvor hatten sich die Parteien nicht auf eine konsensuale Entscheidung einigen können.

Für die Wada geht es um die Integrität ihrer Epo-Analytik

Es geht in der Tat um eine ganze Menge. Nicht nur für Vuskovic, der in Tränen ausbricht, während er sein Schlussplädoyer vorträgt und erneut seine Unschuld beteuert. Der Fall hat überdies eine sportpolitische Tragweite, die verheerende Folgen für die Welt-Doping-Agentur Wada und ihren millionenschweren Apparat an Labors und Fachkräften haben kann. Verhandelt wird auch über die Integrität ihrer gesamten Epo-Analytik.

Im Fokus steht dabei insbesondere auch Richter Oberholz, der sich womöglich in eine juristische Sackgasse manövriert hat. Am zweiten Verhandlungstag hatte er den kanadischen Epo-Forscher Jean-Francois Naud mit einem weiteren Gutachten beauftragt, mit dem die Arbeit des für die A- und B-Probe zuständigen Labors in Kreischa überprüft werden sollte. Naud bestätigte zwar die Richtigkeit der Kollegen, mit denen er pikanterweise in einem achtköpfigen Gremium sitzt, das die Wada in Epo-Fragen berät. Das bestellte Gutachten lieferte er aber nicht - und erfüllte damit nur die Hälfte seines Arbeitsauftrags.

Die Partei Vuskovic kritisierte das am Mittwoch massiv und formulierte sogar den Vorwurf der Beweisvereitelung. Oberholz antwortete darauf recht lapidar, die Probe liege nun mal bei der Wada, und da deren Bestimmungen kein weiteres Gutachten vorsehen, könne man da aktuell nichts machen - oder solle man etwa in deren Räumlichkeiten einbrechen und sich das Material beschaffen? Die Verteidigung entgegnete darauf, dass derlei Schritte gar nicht nötig seien. Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg sei schließlich noch ein Strafverfahren anhängig, zur Not werde sie das Urin schon sicherstellen: Wada hin, Wada her.

Sogar die Anklage räumt Schwächen im angewandten Analyseverfahren ein

Am zweiten Verhandlungstag hatte Oberholz noch erklärt: "Wenn sich schon Wissenschaftler uneins über die Bewertung von Bildern sind, übersteigt das die Sach- und Fachkunde des Gerichts." Der Prozess ist vom ersten Tag an ja auch eine Art Gelehrtenstreit. Auf der einen Seite das Labor Kreischa, das der Überzeugung ist, Vuskovic habe sich zur Leistungssteigerung Epo gespritzt. Auf der anderen Seite Vuskovic und der HSV, die mit in Auftrag gegebenen Gutachten aus Norwegen, Kanada, Dresden und Leipzig dagegen halten.

Im Kern wird über das sogenannte Sar-Page-Verfahren gestritten, das die Wada als Epo-Testmethode anwendet. Dieses beruht nicht auf klaren Messwerten, so wie etwa der Promillegehalt beim Alkohol. Es werden Bilder interpretiert, auf denen kleine, schwarze Flecken entweder einen zarten Schatten werfen (positiv) oder nicht (negativ). Am Freitag verortet einer der von der Verteidigung bestellten Experten den wissenschaftlichen Stand dieses Analyseverfahrens "im letzten Jahrtausend". Sogar die Anklage muss einräumen, dass die Methode zwar nicht perfekt, aber nun mal die am wenigsten schlechte auf dem Markt sei - daher sei sie allerdings auch die einzige Möglichkeit, um Epo-Sünder überhaupt zu überführen.

Nun muss also Richter Oberholz bewerten, ob die Beweislage für einen Schuldspruch reicht. Sollte Vuskovic verurteilt werden, könnte er vor das DFB-Bundesgericht ziehen. Die Verteidigung jedenfalls fordert Freispruch, die Wada würde auf einen solchen aller Wahrscheinlichkeit nach Einspruch beim obersten Sportgerichtshof (Cas) einlegen.

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