Fußball: Maradona wird 50:Am Rande des Jenseits

Argentiniens ewiges Idol Diego Maradona feiert seinen 50. Geburtstag - erstaunlich, dass der beste Fußballer aller Zeiten bei all den Skandalen, Eskapaden und schweren Erkrankungen so lange durchgehalten hat.

Peter Burghardt

Zwei Tage vor seinem 50.Geburtstag stand Diego Maradona an einem Sarg. Unter einer argentinischen Flagge lag der frühere Staatschef Néstor Kirchner, am Mittwoch gestorben, am Donnerstag aufgebahrt im Präsidentenpalast Casa Rosada von Buenos Aires. Maradona nahm wie zehntausende Landsleute Abschied, er postierte sich eine Stunde lang neben Kirchners Witwe und Erbin, der Präsidentin Cristina Fernández.

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Ergrauter Überlebenskünstler: Diego Maradona schnallt bei der WM in Südafrika den Gürtel enger.

(Foto: afp)

"Argentinien hat einen Gladiator verloren", sagte der berühmteste Fußballer der Republik, gekleidet im dunklen Anzug. "Er hat für seine Ideale gekämpft, Néstor hatte was vom Che." Das Bild des noch viel früher verstorbenen Rebellen Che Guevara ziert als Tätowierung Maradonas rechten Oberarm und hängt neben anderen Ikonen in diesem Saal der Patrioten. Es gab Zeiten, da bestand die Gefahr, dass auch Maradona alsbald so ein Trauerakt zuteil werden und sein Bild in der Sammlung der Märtyrer landen könnte.

Er ist tatsächlich 50

Aber jetzt wird er tatsächlich 50. An diesem Samstag beginnt "das Jahr 51 nach Diego", wie die Iglesia Maradoniana rechnet, die Maradona-Kirche. Sie hat mehrere Wiederauferstehungen zu verzeichnen, denn ihr Messias bewegte sich nach Überdosen und Herzattacken mehrmals am Rande des Jenseits. "Weil der da oben nicht wollte", sei er dem Tod entgangen, eines von zahlreichen Wundern. Der heilige Diego dribbelte in seiner biblischen Laufbahn zum Tor des Jahrhunderts und brachte die Hand Gottes ins Spiel.

Er führte die Albiceleste, Argentiniens Fußball-Auswahl, mit der 10 auf dem Rücken zu Titel 1986, beweinte die Finalniederlage 1990, flog 1994 wegen Dopings aus der WM und klagte: "Sie haben mir die Beine abschnitten." Er schoss mit dem Luftgewehr auf Paparazzi, wurde fett und krank und süchtig. Er wandelte zwischen Himmel und Hölle, feierte Triumphe und überstand Krisen. Wie seine Heimat Argentinien.

0:4 - Maradona heulte

Zum 48. Geburtstag haben sie den wankelmütigen Heroen zum Nationaltrainer gemacht, was für ein Experiment! Man könne ihm einen blasen, die Damen mögen entschuldigen, brummte er miesmachenden Reportern entgegen, als sich seine Auswahl nur mit Mühe für die WM in Südafrika qualifiziert hatte. Am Kap machten es seine Jünger mit Wiedergänger Lionel Messi dann erst sehr gut, und ihr Coach wurde als Gegenmodell der faden Kollegen zur Attraktion. Er küsste seine Spieler und blies den Rauch der kubanischen Zigarren seines Genossen Fidel Castro in die Luft. Kritiker wollten wegen des göttlichen Maradona schon ihrem Agnostizismus abschwören. Bis die Deutschen dazwischen kamen.

Diego Armando Maradona

Alte Zeiten: Beim SSC Neapel hatte Maradona Ende der 80er Jahre seine (sportlich) beste Zeit.

(Foto: dpa)

0:4. Maradona heulte an der Schulter von Schwiegersohn und Einwechselstürmer Sergio Agüero, schon wieder Alemania, madre mia. Zu Hause wurde er trotzdem von Getreuen empfangen, der Glaube ist stark. Kurz darauf warf ihn der Verbandspate Julio Grondona mit dem Argument hinaus, dass ihm der Betreuerstab missfalle. Man könnte auch sagen, Grondona hat den Heiland Maradona als Trainernovizen verheizt. Jugendtrainer Sergio Batista, mit Maradona einst Weltmeister, durfte fürs Erste übernehmen, bezwang die Spanier und verlor in Japan.

Der geschasste Vorgänger schimpfte, man habe ihn verraten - Fehler bei der Abfuhr gegen die Elf von Jogi Löw konnte er nicht erkennen. Ansonsten tauchte der gefallene Heroe ab. "Mir ist es schlecht gegangen", gab er zu: "Aber ich bin noch ganz und kämpfe weiter."

Castro, Morales und Chavez als Freunde

Er hofft noch immer, die selección vielleicht zurückzukriegen. Wäre geographisch kein Problem, Maradona wohnt in der Nähe von Trainingszentrum und Flughafen Ezeiza. Die Kirchners unterstützten ihn bis zuletzt, jetzt gehört noch Frau Kirchner zu seinen Freunden wie Castro, Boliviens Evo Morales und Venezuelas Hugo Chávez. Bis auf Weiteres spielt Maradona wieder Kleinfeldfußball, genannt Showball, kürzlich zugunsten des angeschossenen Torjägers Salvador Cabañas aus Paraguay. Am Freitag wollte Grondonas Funktionärsriege bekanntgeben, ob Batista bis zur Copa América 2011 bleibt oder ein anderer kommt. Nach Kirchners Tod wurde die Entscheidung auf Dienstag verschoben, nach Maradonas Jubiläum.

Feiern wollte das Geburtstagskind in Neapel, aber das wird wegen des Trauerfalls und seiner Steuerschulden in Italien nichts. Die Tifosi dort werden ihm trotzdem huldigen - wie Argentinien. Was ist schon Madonna gegen Maradona, den ewig Überlebenden?

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