Fußball: Manipulationsvorwürfe:Abwehrschnitzer auf Schalke

Die Uefa prüft, ob das Champions-League-Spiel zwischen Schalke 04 und Hapoel Tel Aviv manipuliert wurde. Der Wettmarkt spielte damals verrückt - vor allem wegen der Leistung eines Verteidigers.

Raphael Honigstein

"Transfer perfekt: Da Silva verstärkt die Bullen-Abwehr", titelte am Neujahrstag die Zeitung Österreich. Die Meldung beunruhigte Liron Zarko. Der ehemalige israelische Fußballprofi rief bei Douglas Da Silva, 26, an, um rechtzeitig vor dem 2,6 Millionen Euro teuren Wechsel des Brasilianers von Hapoel Tel Aviv zu Red Bull Salzburg auf die Rückzahlung von mehreren hunderttausend Dollar zu drängen, die ihm der Verteidiger angeblich schuldete.

Raul

Schalkes Raúl schießt locker ein: Beim 3:1 gegen Tel Aviv gelingen dem Spanier zwei Tore.

(Foto: AP)

Zarko, 29, drohte mit der Veröffentlichung kompromittierender Sex-Fotos, Da Silva schaltete die Polizei ein. Als Zarko und sein Vater am Mittwochmorgen vor dem Haus des Südamerikaners in der Trabantenstadt Rischon LeZion auftauchten, wurden sie wegen Erpressung festgenommen. Da Silva wurde nach einer Gegenüberstellung mit den Beschuldigten wieder frei gelassen.

Sein Wechsel nach Salzburg verzögert sich jedoch. Die Polizei behält bis Sonntag seinen Pass ein. Denn Zarko, der laut israelischer Medien ein illegales Wettbüro führte, hatte Douglas auch mit Enthüllungen über verschobene Spiele gedroht.

Beide waren einst Teamkollegen bei Hapoel Kfar Saba, gemeinsam stieg man 2008 mit dem kleinen Klub nach einer Reihe von Niederlagen in die zweite Liga ab. Beim damaligen Trainer Eli Ohana hat die Affäre alte Befürchtungen geweckt: "Ich bin überzeugt, dass unkoschere Dinge im Spiel waren. Mit Fußball hatte das nichts zu tun", sagte Ohana, 46, am Mittwoch.

In Israel wird Da Silvas Name interessanterweise auch in Verbindung mit dem 1:3 im Champions-League-Spiel bei Schalke 04 am 20.Oktober 2010 genannt, einer Partie, bei der es laut SZ-Informationen zu Turbulenzen auf dem internationalen Wettmarkt gekommen war und die mittlerweile bei der Europäischen Fußball-Union Uefa untersucht wird. "Im Verein ist man geschockt, aber in der Hapoel-Mannschaft gab es schon lange Gerüchte über das Auswärtsspiel bei Schalke", schreibt die Zeitung Ha'aretz.

Es gibt auch Indizien. Am Nachmittag des 20. Oktober wurde über europäische Mittelsmänner in Asien ein Millionenbetrag auf eine Niederlage der Israelis mit mindestens zwei Toren Abstand gesetzt. Es passierte zunächst nichts. Hapoel wurde nach dem unglücklichen 0:2 bei Benfica Lissabon im September im Markt so stark eingeschätzt, dass ähnliche Summen auch auf ein Remis oder einen Sieg gesetzt wurden, die Quote blieb deswegen anfangs stabil.

In London ansässige Profi-Wettspieler, die mit Hilfe von statistischen Modellen agieren, wurden jedoch stutzig, als bei den führenden Buchmachern in Asien vor Anpfiff weitere Millionen auf einen hohen Schalke-Sieg gesetzt wurden und der Geldstrom auch nicht versiegte, als die Quote völlig zusammenbrach. Kurz vor Anpfiff war ein außergewöhnliches Volumen erreicht: zwischen Hongkong, Bangkok, Singapur waren um die zwölf Millionen Euro auf eine klare Hapoel-Niederlage verwettet.

"Wenn quasi um jeden Preis auf ein bestimmtes Ergebnis gewettet wird, ist das ein untrügliches Zeichen, dass manipuliert wird", sagt ein Londoner Szene-Kenner: "Die Kursschwankung war in diesem Fall so dramatisch, dass selbst die mangelhaften Frühwarnsysteme der Uefa hätten anschlagen müssen. Hapoel hätte in Gelsenkirchen mit einem Mann weniger antreten müssen, um einen so extremen Quoten-Sturz objektiv zu rechtfertigen."

Ein 3:1-Heimsieg eines Bundesligisten gegen einen Vertreter aus Israel ist bei weitem kein ungewöhnliches Ergebnis. Genau hier liegt jedoch der Clou: Die international vernetzte Wettmafia manipuliert am liebsten Spiele, bei denen der Underdog verliert und niemand Verdacht schöpft. Wie auch der derzeit laufende Prozess am Landgericht Bochum zeigt, reicht es den Betrügern, ein bis zwei Spieler in den Schlüsselpositionen zu bestechen. Diese kaschieren ihre Arbeitsverweigerung dann als Unachtsamkeit, der Rest der planmäßig unterlegenen Mannschaft ist ebenso wenig eingeweiht wie der Gegner und die beteiligten Trainer.

Zuständigkeit ungeklärt

Beobachter waren überrascht, wie leicht es die Abwehr der Gäste den damals kriselnden Schalkern machte. Der in den Spielen zuvor so überzeugende Da Silva ("Er wird unsere Defensive mit Sicherheit verstärken", sagte Salzburgs Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer jüngst) gab ein besonders schwaches Bild ab.

Wie untypisch das Auftreten der israelischen Abwehr war, erwies sich beim (sauber erscheinenden) 0:0 im Rückspiel. Dieses Mal waren es die Schalker, die überrascht waren, wie gut Hapoel in der Abwehr stand.

Der Uefa wurde kurz nach dem 3:1 aus der Wettbranche ein detailliertes Dossier über Kursveränderungen und Einsatzvolumen zugespielt. Sogar die Namen der Hintermänner sind in der Szene anscheinend bekannt. Die Uefa bestätigte gegenüber Ha'aretz auch, dass "eine Beschwerde" über das Schalke-Spiel eingegangen sei. Die Sache sei aber "noch nicht vollständig" untersucht worden.

Im europäischen Verband fühlt sich für den Fall offenbar niemand so recht zuständig. Seit Uefa-Disziplinarchef Peter Limacher im Herbst in einem undurchsichtigen Verfahren suspendiert wurde, fehlt es am Uefa-Sitz in Nyon an Experten für die Überwachung der Wettbewerbs-Integrität. "Limachers Team war dafür verantwortlich, im Moment gibt es keine spezifische Person", heißt es in der Pressestelle.

Ein zweiter Manipulationsversuch eines Hapoel-Gruppenspiels scheiterte, wenn man dem Londoner Insider Glauben schenken darf, nicht etwa an den alarmierten Behörden, sondern nur an den Mechanismen des Wettmarktes. Vor dem 2:2 in Lyon (7.12.) hatten einige skrupellose Wettspieler in Antizipation einer erneut hohen Niederlage der Israelis sehr früh am Spieltag hohe Summen gesetzt.

Die Quote wurde dadurch so stark verändert, dass die eigentlichen Drahtzieher keine Abnehmer mehr für ihre Einsätze fanden. Der Fix wurde kurzerhand abgeblasen. Tel Aviv spielte in Lyon stark auf und hätte fast gewonnen.

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