Fußball: Manchester United:Grün-goldene Rebellen

Eine Gruppe reicher Manchester-Anhänger will die ungeliebten amerikanischen Eigentümer ablösen - und fordert die Fans zum Boykott auf. Selbst Trainer Ferguson sympathisiert mit ihnen.

Raphael Honigstein

"Absence makes the heart grow fonder", behauptet ein englisches Sprichwort, frei übersetzt: Abwesenheit vergrößert die Liebe. Im Old Trafford vergrößert am Mittwochabend allerdings zunächst die Liebe die Abwesenheit. Mehr als 10.000 Plätze sollen beim Anpfiff des Champions-League-Achtelfinales gegen den AC Mailand (Hinspiel: 3:2 für United) für einige Minuten frei bleiben. Die Anhänger von Manchester United wollen mit der Aktion gegen die Eigentümer-Familie Glazer protestieren. Die Amerikaner haben den Premier-League-Klub im Jahr 2005 mit Bankdarlehen gekauft, die auf den Verein rückübertragen wurden. Auf knapp 800 Millionen Euro belaufen sich inzwischen die Verbindlichkeiten des einstigen Branchenkrösus.

Drei Meisterschaften hintereinander haben die Anhänger der Rot-Schwarzen nicht besänftigt. Der organisierte Widerstand formiert sich seit Anfang dieses Jahres in Grün und Gold, den Farben des Newton Heath Lancaster and Yorkshire Railway Football Club. So hieß das ursprüngliche United bis zur Umbenennung 1902. Im Ligapokal-Finale gegen Aston Villa vor zehn Tagen trug ein Großteil der Fans demonstrativ grün-goldene Trikots. Die neue Farbenlehre verfolgt dabei nicht nur ein symbolisches Ziel. "United ist für die Glazers eine Marke", erklärt Sean Bones, der Vize-Vorsitzende des Fan-Verbands Manchester United Supporters Trust (MUST). "Ihre größte Angst ist es, dass der Protest sich negativ aufs Merchandising-Geschäft auswirkt. Wer Grün und Gold trägt, geht nicht in den Shop und kauft United-Artikel."

Nur Geld zählt

Letztlich zählt für die Glazers nur die Farbe des Geldes, glaubt auch eine Gruppe wohlhabender United-Fans, die sich in der vergangenen Woche als Red Knights zusammengeschlossen haben, um den Verein zu übernehmen. Die von dem Goldman-Sachs-Chefökonomen Jim O'Neill, Hedgefond-Boss Paul Marshall und Anwalt Mark Rawlinson angeführten Roten Ritter wollen die sportliche Leitung im Amt belassen, aber eine "gesunde wirtschaftliche Basis" schaffen und "die Fans ins Zentrum" stellen. Mit Hilfe der Anhänger und etwa 60 weiteren Millionären will man bis zu 1,5 Milliarden Euro auftreiben. Für die Glazers würde bei diesem Preis ein Gewinn von etwa 550 Millionen Euro abfallen.

Den in der Stadt verhassten Amerikanern, so spekulieren die Ritter, könnte man das Geschäft durch zusätzlichen Druck von den Tribünen schmackhaft machen. Die Fans sollten ihre Jahreskarten zerreißen und die Spiele boykottierten, forderte Red-Knights-Mitglied Keith Harris. Der umtriebige Investmentbanker war schon bei der Übernahme von Manchester City durch den ehemaligen thailändischen Premier Thaksin Shinawatra und dem Verkauf des FC Chelsea an Roman Abramowitsch beteiligt. Das Konsortium arbeitet eng mit MUST zusammen; die Hoffnung auf den Besitzerwechsel mobilisiert die Massen. Aus 30.000 registrierten Mitgliedern des Fanverbands sind in den vergangenen zehn Tagen 130.000 geworden.

Trainer Alex Ferguson, im früheren Leben Betriebsratmitglied in einer Glasgower Werft, sympathisiert durchaus mit dem Aufstand der Basis. "Protest ist legitim", sagte der 68-Jährige über die grün-goldenen Rebellen. "So lange sie United unterstützen, können die Leute tragen, was sie wollen. Bei uns sind alle Sünder willkommen." Für die potentiellen Käufer hat der Schotte allerdings weniger nette Worte übrig: "Sie (die Eigentümer) haben gesagt, dass der Klub nicht zum Verkauf steht. Daran wird niemand was ändern." Medienberichte, wonach Ferguson die Red Knights unterstütze und bereit sei, eigenes Geld zu investieren, wies er verärgert zurück. "Blödsinn. Daran ist nicht ein Gramm Wahrheit", sagte er.

Zweifel an den Rittern

Ob die Ritter und das Fußvolk diesen Kampf gewinnen können, wird nach anfangs euphorischen Medienberichten zunehmend bezweifelt. O'Neill und Co. haben bisher zwar jede Menge Schlagzeilen, aber kein stringentes Konzept produziert. "Die Red Knights können gerne ein Angebot machen, aber es wird nichts daraus werden", sagt United-Geschäftsführer David Gill.

Unternehmer Michael Knighton, der 1989 mit dem Versuch einer Klub-Übernahme scheiterte, wirft den Nadelstreifen-Rittern gar "frappierende Naivität" vor. "Selbst wenn wir hier von einer oder zwei Milliarden Pfund reden, wäre ManU noch immer deutlich unterbewertet. Die Glazers sind keine Narren, die wissen das", sagte Knighton dem Daily Telegraph. "United ist das Disney der Sportwelt. United ist Coca-Cola, Microsoft, IBM. Wer ein derart wertvolles Gut besitzt, verkauft es nicht."

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