Süddeutsche Zeitung

Leihspieler im Fußball:Ein Exzess zu Lasten der Fußballer

Allein der FC Chelsea hat 40 Leihspieler unter Vertrag: Fußballprofis werden wie Gebrauchsgegenstände vermietet. Die Intervention der Fifa gegen das zynische Geschäft ist überfällig.

Kommentar von Philipp Selldorf

Seit Anfang des Jahres beraten der Weltverband Fifa, die Uefa sowie Vertreter von Klubs und Profifußballern über eine Neuregelung des Geschäfts und des Umgangs mit Leihspielern. Wie die Sport Bild berichtet, hat die zuständige Task Force inzwischen konkrete Vorstellungen entwickelt. Demnach soll ein Verein pro Saison nur noch eine begrenzte Zahl von Spielern verleihen bzw. ausleihen dürfen, die Beschränkung soll bei maximal acht Profis liegen. Die Fifa wollte auf Anfrage zwar keine konkreten Zahlen bestätigen, den Vorgang an sich erklärte sie aber für zutreffend. Dies wäre also eine Gelegenheit, den Weltverband ausnahmsweise für sein Handeln zu loben.

Gegen das Verleihen von Fußballern ist an sich nichts einzuwenden. Meistens geschieht es zum Nutzen aller Parteien, wenn ein Spieler den Verein, bei dem er unter Vertrag steht, vorübergehend verlässt, um bei einem anderen zu spielen. Zum Problem wird es, wenn der Leihspieler-Versand zum eigenständigen Profit-Modell wird. Kapitalkräftige Klubs aus England und Italien betreiben dieses Geschäft inzwischen auf eine Weise, die sogar in Kenntnis der harten Umgangsformen im Profi-Business verstörend wirkt. Besonders der FC Chelsea und Juventus Turin.

Allein der FC Chelsea hat 40 Leihspieler unter Vertrag

Der Handel mit Leihspielern ist vor allem ein Spekulationsgeschäft. Spieler aus aller Welt, bevorzugt Nachwuchs- Talente, werden gekauft und zum Zweck der Wertsteigerung in alle Welt verliehen, die Leih-Gebühren decken einen Teil der Kosten, Verkaufserlöse bringen Gewinne ein. Junge Spieler, die stolz sind, bei Chelsea einen Vertrag zu unterschreiben, müssen erkennen, dass sie lediglich pro forma dem berühmten Verein angehören. Der Brasilianer Nathan zum Beispiel, den Chelsea vor drei Jahren für vier Millionen Euro bei Atlético Paranaense erwarb, hat für die Londoner kein einziges Spiel bestritten. Chelsea hat ihn kreuz und quer durch Europa verliehen, nach Holland (Arnheim), Frankreich (Amiens) und Portugal (Belenenses), mittlerweile ist der 22-Jährige wieder in Brasilien gelandet, bei Atlético Mineiro.

Ein anderer von vielen ähnlichen Fällen ist Kenneth Omeruo, 24: Seitdem ihn Chelsea vor vier Jahren angeworben hat, hat er zwar 41 Länderspiele für Nigeria bestritten sowie Punktspiele in der türkischen Süper Lig, der holländischen Ehrendivision und der zweiten englischen Liga, aber das Trikot der Blues trug er lediglich bei einem Einsatz in der Nachwuchsliga. Zuletzt wurde er in die spanische Primera Division verschickt. Auf seiner Website gibt der FC Chelsea den aktuellen Bestand an Leihspielern mit 40 an: Vier Torhüter, 15 Abwehr- und 16 Mittelfeldspieler, fünf Angreifer - die "blaue Leih-Armee", wie sie in England genannt wird. Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass auch Junioren von Chelseas Nachwuchsschule dem Heer der Leiharbeiter angehören.

Die Praxis, Fußballer wie Gebrauchsgegenstände zu vermieten, ist ein Exzess zu Lasten der Betroffenen und des sportlichen Wettbewerbs. Dem Ansehen des Profifußballs dürfte mit diesem zynischen Geschäft schon gar nicht gedient sein. Die Intervention der Verbände ist überfällig.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2018/schma
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