La Liga:Xavi gibt Barça den Glauben zurück

FC Barcelona: Trainer Xavi spricht auf Piqué und Busquets ein

Hört mir zu: Beschwörend redet Xavi auf seine Routiniers Piqué und Busquets ein. Espanyols Coach Vicente Moreno (rechts) beobachtet die Szene mit einem Schmunzeln.

(Foto: Pau Barrena/AFP)

Bei seinem Debüt als Trainer des FC Barcelona feiert Xavi Hernández einen glücklichen Derbysieg. Seine Handschrift ist deutlich erkennbar, doch er weiß: Auf ihn wartet noch viel Arbeit.

Von Javier Cáceres, Barcelona

Der Tag war lang gewesen, und das konnte man Xavi Hernández ansehen, als er kurz vor Mitternacht im Pressesaal des Camp- Nou-Stadions erschien, nach seinem ersten Spiel als Trainer des FC Barcelona gegen den Ortsrivalen Espanyol, vor 74 000 Augenpaaren - doppelt so viele wie neulich gegen CD Alavés.

Es war die Nostalgie, die so viele Menschen ins Stadion getrieben hatte, und vor allem: die Hoffnung, dass die Zeiten nun doch wieder bessere werden mögen. "Xaaavi, Xaaaavi, Xaaavi", hatten sie schon vor dem Spiel gerufen, als huldigten sie einem Messias; dann wieder zur sechsten Spielminute, weil die "6" doch neulich noch Xavis Rückennummer gewesen war; und auch später, als noch immer infrage stand, ob Xavis Debüt als Barça-Coach mit einem Sieg einhergehen würde. 1:0 hieß es am Ende, durch einen Foulelfmeter, den Memphis Depay unmittelbar nach der Pause verwandelt und dann gefeiert hatte, als wäre ein Henkeltopf gewonnen worden, dabei hat Barcelona in der Tabelle nur zu den europäischen Plätzen aufgeschlossen. "In den grundsätzlichen Linien bin ich sehr zufrieden", sagte Xavi, und wollte dann doch nicht verhehlen, dass es "noch viel zu lernen" gebe.

"In Sachen Einstellung und Aufopferung bewegten wir uns am Rande der Exzellenz", lobte Xavi

"Mehr ist da nicht..." - das waren die Worte, die Xavis Vorgänger Ronald Koeman vor ein paar Wochen geprägt hatte, ehe er dann abgesetzt wurde. Doch wenn es am Samstag eines zu sagen gab, dann dies: Es gibt Anzeichen, dass die resignativen Gedanken allmählich aus dem Camp Nou verschwinden; dass sie ersetzt werden durch die allmähliche Rückkehr des Glaubens an die traditionellen ideologischen Grundsätze des Barça-Spiels. Niemand verschloss die Augen vor dem Umstand, dass dem Sieg eine Portion Fortune innewohnte: Der Elfmeterpfiff war ein außerordentlich großzügiges Einstandsgeschenk gewesen - oder auch "ein Witz!", wie Espanyols spanischer Nationalstürmer Raúl de Tomás klagen sollte.

Und dass Espanyol mit zwei Pfostentreffern und einem Kopfball, den der eingewechselte Espanyol-Stürmer Dimata aus unerklärlichen Gründen aus fünf Metern neben das Tor gesetzt hatte, hatten die barcelonistas ebenfalls im Gepäck, als sie sich auf den Heimweg machten. "Aber bei den Dingen, bei denen wir niemanden enttäuschen dürfen, in Sachen Einstellung und Aufopferung, haben wir uns am Rande der Exzellenz bewegt", lobte Xavi. Und doch ging fehl, wer da meinte, es wäre ihm damit genug.

Wie auch? Er war in seinen 17 Jahren als Barça-Profi ein feiner Artist gewesen. Und eben auch einer, der wusste, dass Kunst sich nur entfalten kann, wenn ihr ein Minimum an Ordnung und Arbeit vorgeschaltet ist. Nun hat er an kleinen Schrauben gedreht: Die Mannschaft muss sich nun wieder in Tageshotels auf die Partien vorbereiten, in einem Businesshotel nahe des Stadions, der Klub ist milliardenschwer verschuldet. Er hat auch die Pünktlichkeit zur Grundbedingung der gemeinschaftlichen Arbeit gemacht, worunter vor allem der verletzte Ousmane Dembélé leidet; er hat Probleme, den Dienstplan zu lesen und kam schon zweimal zu spät zum Training. Sogar das Aufwärmprogramm war von Intensität geprägt. Vor allem aber hat Xavi der Mannschaft auf dem Rasen eine klare Struktur verpasst, die seinem Credo entspricht.

Immer wieder hat Xavi - zum Beispiel - darüber philosophiert, dass er das Feld im Angriff breit machen, die Außenpositionen besetzt sehen wolle. Und es scherte ihn nicht, dass nicht nur Dembélé, sondern auch Ansu Fati gerade verletzt ist. Die Idee steht über den Figuren. Die Konsequenz: Xavi zog Spieler aus der Nachwuchsabteilung hoch, "17-, 18-jährige Kinder", wie er selbst sagte, weil die eben als Außenstürmer ausgebildet sind und "an der Kalklinie bleiben." Der hochtalentierte und freche 17-jährige Rechtsaußen Ilias Akhomach feierte sein Debüt und wurde zur Halbzeit durch den vielleicht noch talentierteren und noch frecheren 19-jährigen Abde Ezzalzouli abgelöst. "Er hat eine fast schon verantwortungslose Ungezwungenheit", sagte Xavi über Abde.

Und auf der linken Seite, da spielte der ebenfalls erst 17-jährige, aber immens aufregende Gavi bis zur Erschöpfung und leistete einen famosen Beitrag zum Sieg: Durch eine Wand von drei Espanyol-Verteidigern steckte er einen Ball auf Depay in den Strafraum durch und beschwor die Szene herauf, die zum Elfmeter führte. Aber: Sie sind jung und haben noch viel zu lernen. Von einem Trainer, der unentwegt an der Seitenlinie coachte, der auch die Positionen der Veteranen wie Busquets oder Piqué korrigierte.

La Liga: Barcelonas Zukunft: Gavi, 17, (Mitte) bereitete den entscheidenden Treffer gegen Espanyol vor.

Barcelonas Zukunft: Gavi, 17, (Mitte) bereitete den entscheidenden Treffer gegen Espanyol vor.

(Foto: Joan Monfort/AP)

"Wir haben viele junge Spieler, die viel Talent haben, aber noch nicht das Warum der Dinge kennen", erläuterte Xavi. Sie müssten erst noch lernen, die richtigen Antworten zu finden, wenn die Fragen auftauchten, "wann man über außen oder wann man innen angreift, oder zu unterscheiden, wann der Gegner innen oder außen dicht macht, wo man ihm den größten Schaden zufügt, was das richtige Timing für Pässe in die Tiefe ist. Vor allem fußballerisch müssen wir besser werden." Denn der Ball steht in allem, was Xavi denkt und macht, im Mittelpunkt.

So rüttelte er auch an Wahrheiten, die bislang in der Stadt als unumstößlich galten. Zum Beispiel, dass Barça zwingend einen klassischen Knipser brauche. Die offensiven Mittelfeldspieler wie Frenkie de Jong oder Nico müssten durch andere spielerische Ansätze in bessere Abschlusspositionen gebracht werden, meint Xavi. Und dass Barça in den Schlussminuten in die Bredouille gerät, weil es an der Fitness mangele, hält er für Fake News. Dass Barça gegen Espanyol am Ende ebenfalls voller Furcht auf die Uhr sah, sei "kein physisches Problem" gewesen, "sondern eine Frage der Interpretation des Spiels", argumentierte er. Sein Team habe es versäumt, das Spiel in die gegnerische Hälfte zu verlagern und den Gegner durch lange Ballbesitzphasen zu binden, weil man nur so Räume schaffte. Das Risiko, durch Ballverluste Umschaltsituationen heraufzubeschwören, müsse eingegangen werden. "Dafür braucht es viel Persönlichkeit", sagt Xavi, der in Rekordzeit an den Details feilen muss. Immerhin: "Mit einem Sieg geht das einfacher."

Schon am Dienstag steht die nächste Herausforderung an, im Champions-League-Spiel der Bayern-Gruppe gegen Benfica Lissabon, das für Barça Finalcharakter hat. Ein Sieg qualifiziert die Katalanen, eine Niederlage beschwört die Gefahr eines Aus auf europäischer Bühne herauf, das sich der Klub schon finanziell nicht leisten kann. "Das wird ein anderer Krieg", sagte Xavi.

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