Fußball: Krach vor WM:"Unwahrheiten": Löw beschuldigt den DFB

Bundestrainer Löw geht in die Offensive: Er bezichtigt DFB-Präsident Zwanziger indirekt der Lüge und sagt, es sei ein "nicht verhandelbares Angebot" zugestellt worden.

Joachim Löw gibt zu den Kapriolen um die abgebrochenen Vertragsverhandlungen mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) eine schriftliche Stellungnahme ab, die Zündstoff birgt. "Ganz bewusst haben wir uns in den vergangenen Wochen nicht konkret zur Vertragssituation geäußert. Umso verwunderter sind wir über die plötzlich in der Öffentlichkeit diskutierten angeblichen Vertragsdetails. Dadurch sind viele Unwahrheiten in Umlauf gekommen. Einen Handschlag-Vertrag hat es zum Beispiel nicht gegeben", heißt es dort.

Fußball: Krach vor WM: Nicht vergessen: Scheuklappen auf! Bundestrainer Löw (r.) und Nationalmannschafts-Manager Bierhoff.

Nicht vergessen: Scheuklappen auf! Bundestrainer Löw (r.) und Nationalmannschafts-Manager Bierhoff.

(Foto: Foto: dpa)

Was der 50-Jährige meint, ist die fortwährende Indiskretionitis in der Bild-Zeitung, die jüngst ausgebreitet hat, dass Löw und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff für ihre Unterschrift unter einen neuen Vertrag einen Bonus in Höhe eines Jahresgehalts gefordert haben, Bierhoff zudem ein Vetorecht bei der Besetzung des Bundestrainerpostens. DFB-Präsident Theo Zwanziger hatte vor Weihnachten 2009 öffentlich bekanntgegeben, dass man sich mit Löw per Handschlag auf eine Vertragsverlängerung geeinigt habe.

"Von unserer Seite wurde ein verhandelbarer Vorschlag vorgelegt, uns dagegen wurde ein nicht-verhandelbares Angebot zugestellt, über das ich innerhalb von 48 Stunden entscheiden sollte. Unsere ganze Konzentration gilt seit sechs Jahren dem Erfolg der Nationalmannschaft - auch im Sinne der Entwicklung und Reputation des deutschen Fußballs. Dabei stehen Teamwork, Loyalität und Respekt an erster Stelle für mich. In diesem Sinne werden wir uns in den nächsten Wochen intensiv auf die WM in Südafrika vorbereiten", erklärt Trainer Löw.

Vielleicht muss man noch einmal an Jürgen Klinsmann erinnern. Der sagte im Juli 2004 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung über den Deutschen Fußball-Bund (DFB): "Im Prinzip muss man den ganzen Laden auseinandernehmen." Man müsse eine radikale Umstrukturierung in Gang bringen.

Klinsmann stellte dem stolzen DFB ein vernichtendes Zeugnis aus - und weil der DFB in einer sportlich verzweifelten Lage war, nach dem peinlichen Vorrunden-Aus bei der EM in Portugal, zwei Jahre vor der Heim-WM, kontaktierte der Verband um den neuen Präsidenten Theo Zwanziger den lauten Kritiker.

Der DFB übergab Klinsmann die Verantwortung für das Projekt WM 2006 und erfüllte ihm praktisch alle Wünsche. Zum Beispiel einen Manager für die Nationalmannschaft. Oliver Bierhoff, Klinsmanns Wunschkandidat, wurde inthronisiert.

Klinsmann, Ko-Trainer Löw und Manager Bierhoff haben sich dann mit so ziemlich jedem angelegt, der im deutschen Fußball was zu sagen hatte. Doch weil die Deutschen 2006 ein selbsternanntes Sommermärchen erlebten, weil auch unter Nachfolger Löw sportlich Vieles gut lief und die Nationalmannschaft beste Sympathiewerte genoss, blieben Löw und Bierhoff unangreifbar.

Allein der ebenso knorrige wie ehrgeizige Sportdirektor Matthias Sammer ließ nicht locker und nahm bisweilen die Teppich-Zweikämpfe auf. Manche behaupten, Sammer würde selbst gerne den Laden übernehmen.

Das ist der Hintergrund zur denkwürdigen Sitzung im DFB-Präsidium am Donnerstag, als auf einmal zwei Vertragsentwürfe für Trainer Löw, Manager Bierhoff und den Stab auf dem Tisch lagen, als man sich um Kompetenzen und einen Bonus stritt.

Wurden nun in den Hinterzimmern des DFB ein paar alte Rechnungen beglichen? Zu dem Ergebnis könnte kommen, wer sich den Verlauf der aktuellen Vertragsverhandlungen des DFB mit Bierhoff und Löw samt dessen Trainerstab vor Augen hält.

Dass der Nationalmannschafts-Stab eine Bonuszahlung für eine Vertragsverlängerung forderte, war dem DFB lange bekannt. Auch, dass sich Bierhoff ein Vetorecht ausbat für den Fall, man müsse einen Nachfolger für Löw finden.

Plötzlich einen Gegenvorschlag zu unterbreiten, mitsamt 48-Stunden-Ultimatum - das ist ein Affront. Er schadet dem deutschen Fußball. Dass die Beteiligten einige Details und Vorverurteilungen aus der Presse lesen mussten, bevor es überhaupt zu Gesprächen kam, ist ein zusätzliches Indiz, dass hier jemand ein fragwürdiges Spiel spielt.

Offenbar wollten da einige im DFB-Präsidium den zu mächtig gewordenen Angestellten einmal die Grenzen zeigen. Vor allem Manager Bierhoff scheint nur noch wenig Freunde zu haben, Generalsekretär Wolfgang Niersbach und Sammer gelten als entschiedene Gegenspieler. Einige Beobachter spekulieren, dass es gar nicht um Löw und sein Trainerteam gehe, sondern allein um den Manager.

Drei Monate vor Start der Vorbereitung für eine WM, das ist allerdings der unglücklichste aller Termine für einen internen Machtkampf. Eine Grundsatzentscheidung, erst nach der WM mit dem Bundestrainer, dem Manager, dem Torwarttrainer, dem Scout et cetera über einen neuen Vertrag zu verhandeln, wäre nicht verwerflich gewesen. Ein Vorrundenaus würde eine weitere Zusammenarbeit ohnehin verunmöglichen, der DFB würde sich in diesem Fall viel Geld sparen (Bonuszahlungen und Abfindungen).

Doch der Stil, mit dem der DFB nun seine wichtigsten Angestellten brüskiert, ist fatal. Derart demontiert wurde schon lange kein Bundestrainer mehr. Die Gegner des Projekts Klinsmann/Löw/Bierhoff setzen scheinbar erfolgreich zur Gegenrevolution an.

Die Fronten sind derart verhärtet, dass nicht einmal mehr weitere Gespräche vereinbart werden konnten. Kann die Führung einer Nationalmannschaft unter solchen Umständen eine erfolgreiche WM-Expedition leiten? Wie werden die Spieler reagieren, etwa Kapitän Michael Ballack, der auch nicht gerade als Löw-Freund gilt? Oder der ausgebootete Torsten Frings? Was passiert, wenn die Mannschaft das Vorbereitungsspiel am 3. März gegen Argentinien verpatzt?

Ein Bundestrainer muss harte und bisweilen unpopuläre Entscheidungen treffen und benötigt dafür die Rückendeckung der DFB-Spitze. Sonst sind dem Intrigantenstadel Tür und Tor geöffnet. Sollte sich der DFB nicht besinnen und zu weiteren Gesprächen einladen, werden Bundestrainer Löw und Manager Bierhoff dicke Scheuklappen aufsetzen müssen, um ein südafrikanisches WM-Märchen zu schaffen.

Wie das mit den Scheuklappen funktioniert, können sie bei Jürgen Klinsmann erfahren.

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